Seit dem frühen Morgen herrscht rund um das Kölner Justizgebäude der Ausnahmezustand. Hier wird seit 9.15 Uhr einem der gefährlichsten deutschen Schwerkriminellen der Prozess gemacht: Thomas Drach.
Kölner Mega-ProzessAnwalt von Thomas Drach macht Gericht Vorwürfe – So geht es weiter
Zeitweise Straßensperrungen, überall Polizei, zum Teil schwer bewaffnet – sogar Gully-Deckel, so heißt es, seien verschweißt worden: An diesem Dienstagmorgen (1. Februar) gilt die höchste Sicherheitsstufe rund um das Kölner Landgericht.
Grund ist der Mega-Prozess gegen einen der gefährlichsten deutschen Schwerkriminellen: Reemtsma-Entführer Thomas Drach (61) muss sich ab Dienstag mit einem mutmaßlichen Mittäter wegen bewaffneter Überfälle auf Geldtransporte verantworten. Vier Raubüberfälle werden ihm zur Last gelegt. Wegen Schüssen auf Geldboten könnte Drach zudem wegen versuchten Mordes in zwei Fällen verurteilt werden.
EXPRESS.de dokumentiert den Gerichtsprozess live aus dem Gerichtssaal.
Landgericht: Erste Hauptverhandlung endet mit Vorwürfen und Anträgen
15:31: Drachs Verteidiger Dirk Kruse stellt den Antrag, die Hauptverhandlung für mindestens drei Wochen auszusetzen. Aufgrund der zögerlichen Akteneinsicht sei es nicht möglich gewesen, die Verteidigung mit gebotener und erforderlicher Sorgfalt vorzubereiten, so der Vorwurf des Juristen. Bei der Akteneinsicht habe es ein regelrechtes Chaos gegeben. Anschließend wird die Hauptverhandlung beendet. Am Montag (7. Februar 2022) soll der Prozess fortgesetzt werden.
15:09 Uhr: Nachdem der Rechtsanwalt des Mitangeklagten Eugen W. bereits vor der Pause einen Antrag zur Verwendung von Tonaufzeichnungen gestellt hat, die das Gericht von der Hauptverhandlung erstellen lässt, stellt er jetzt weitere Anträge.
Landgericht: Thomas Drach will Strafanzeige stellen
14:53 Uhr: Der Angeklagte Thoms Drach betritt den Gerichtssaal.
14:43 Uhr: Auch diese Unterbrechung hat sich wieder erheblich verzögert. Nun kommt der Mitangeklagte Eugen W. wieder in den Gerichtssaal.
13:15: Der Prozess wird unterbrochen. Die Mittagspause ist bis 14.15 Uhr angesetzt.
12.24 Uhr: Wolfgang Heer, der Verteidiger von Eugen W., gibt eine Erklärung ab: „Die Anklage basiert auf einem dürftigen Beweiskonstrukt, das im Prozess keinen Bestand haben wird.“ Sein Mandant soll zwei Fluchtfahrzeuge angemietet haben – man habe aber keinerlei Spuren seines Mandanten sichern können. Auch ein großer Lauschangriff habe keinerlei Anhaltspunkte auf dessen Beteiligung an den Taten ergeben.
12.22 Uhr: Thomas Drachs Verteidiger kündigt an, dass sein Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch machen wird. Auch Eugen W. wird sich nicht äußern.
12.05 Uhr: Die Anklage wird verlesen – mit reichlich Verspätung.
11.55 Uhr: Thomas Drach meldet sich plötzlich zu Wort: Er kündigt an, Strafanzeige gegen die Staatsanwältinnen zu stellen – wegen Urkundenfälschung. Der Vorsitzende Richter erklärt, dass er das ruhig machen könne, „aber nicht jetzt“.
Landgericht Köln: Verhandlung wird fortgesetzt
11.45 Uhr: Thomas Drach kommt zum dritten Mal in den Gerichtssaal. Die Verhandlung soll nun fortgesetzt werden. Der Richter fragt Eugen W., ob es ihm besser geht. Rechtsanwalt Heer: „Herr W. wird persönlich nicht mit ihnen sprechen.“
11.38 Uhr: Der Mitangeklagte Eugen W. kommt zurück in den Gerichtssaal.
11.10 Uhr: Kaum hat der Prozess begonnen, liefern sich Richter und ein Rechtsanwalt schon das erste Wortgefecht. „Ich rede für meinen Mandanten!“, ruft Verteidiger Wolfgang Heer. Der Anwalt wurde als Verteidiger von Beate Zschäpe im NSU-Prozess bekannt, nun verteidigt er Eugen W. (53), den mutmaßlichen Komplizen von Thomas Drach. Heer fordert nach nur drei Minuten Verhandlung eine Kopfschmerztablette für seinen Mandanten. Die Verhandlung wird unterbrochen. Thomas Drachs Verteidiger Andreas Kerkhof macht einen Witz, dass es ja nun bis zur Mittagspause nicht mehr lange hin sei.
Köln Gericht: Thomas Drach zurück im Saal – Prozess startet verzögert
10.33Uhr: Dann ist es endlich soweit und Thomas Drach betritt zum zweiten Mal den Saal. Drach trägt einen bordeauxfarbenen Pulli, ein dunkelblaues Jackett und eine Jeans. Der Prozess verzögert sich mittlerweile deutlich – ursprünglich sollte um 9.15 Uhr gestartet werden.
10.26 Uhr: Zunächst wird der Mitangeklagte Eugen W. in den Saal geführt.
9.20 Uhr: In der zweiten Sicherheitsschleuse im Kölner Gericht wird am Dienstagmorgen sämtliches Equipment nochmal ganz genau kontrolliert, auch die Koffer der Rechtsanwälte. Ebenso die Ausweise, auch werden alle Personen noch einmal mit Metalldetektoren gecheckt. Währenddessen warten im Gerichtssaal bereits mehr als 20 Fotografen und Kameraleute gespannt darauf, dass Thomas Drach erneut in den Gerichtssaal geführt wird.
Köln Gericht: Thomas Drach betritt Gerichtssaal uns muss zurück in Zelle
9.12 Uhr: Der Angeklagte Thomas Drach betritt erstmals ohne Handschellen den Saal 112. Ein Justizwachtmeister bewacht ihn. Der Schwerkriminelle wirkt entspannt. Doch sein Auftritt war wohl zu früh, denn kurze Zeit später muss er den Saal durch die Tür neben der Richterbank wieder verlassen und wird von vermummten SEK-Beamten in Empfang genommen. Vermutlich muss der Angeklagte zurück in die Vorführzelle.
Köln Gericht: Thomas Drach im Gerichtsgebäude eingetroffen
8.12 Uhr: Ursprünglich sollte Thomas Drach am Dienstagmorgen aufgrund erhöhter Sicherheitsvorkehrungen mit einem Hubschrauber aus der JVA Köln zum Landgericht geflogen werden. Stattdessen wird er nun mit einer Kolonne aus drei BMW-Limousinen und mit Blaulicht beim Gerichtsgebäude an der Luxemburger Straße vorgefahren. Schwerbewaffnete Polizisten sichern das Gebäude ab, die Beamten tragen Maschinengewehre bei sich.
8.10 Uhr: Die Luxemburger Straße ist kurzzeitig gesperrt und wird dann wieder freigegeben.
7.30 Uhr: Schon lange vor dem Prozessstart ist das Alltagsleben an der Luxemburger Straße, Weißhausstraße und Rudolf-Amelunxen Straße beeinträchtigt. Mit den extremen Sicherheitsvorkehrungen soll unter anderem eine mögliche Befreiungsaktion von Komplizen des ehemaligen Reemtsma-Entführers verhindert werden.
Das Medieninteresse am Prozess ist riesig: Journalisten von lokalen und überregionale Zeitungen, Radiosender, Fernsehteams, Nachrichtenagenturen. Alle Berichterstatter mussten zwei Sicherheitskontrollen unterzogen werden, bevor sie den Gerichtssaal betreten durften.
Thomas Drach: Diese Taten werden ihm in Köln zur Last gelegt
Für den Mammut-Prozess sind 53 Verhandlungstage vorgesehen. Hier einige Details zu den vier Raubüberfällen, die Drach zwischen 2018 und 2019 zur Last gelegt werden:
- Laut Anklage überfiel er mit Waffengewalt Geldboten von Sicherheitsunternehmen in Köln, am Flughafen Köln-Bonn und in Frankfurt am Main, wobei er das transportierte Bargeld stahl.
- Ziel waren in Köln und Frankfurt zwei Ikea-Filialen, beim Überfall am Köln-Bonner Airport wurden für die Gepäckstationen vorgesehene Münzgelder entwendet. Der Beuteschaden in den drei Fällen lag bei insgesamt 141.831 Euro.
- Sowohl am Flughafen Köln-Bonn als auch in Frankfurt soll Drach auf jeweils einen Sicherheitsmitarbeiter geschossen haben. Beide Taten bewertet die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord.
- Ein mitangeklagter 53-jähriger niederländischer Staatsbürger soll die Tat am Flughafen Köln-Bonn gemeinschaftlich mit Drach begangen haben. Bei der dritten Tat in Frankfurt soll er ihm geholfen haben.
- In einer zweiten Anklage wird Drach eine Tat auf einem Supermarktparkplatz in Limburg zur Last gelegt. Im September 2018 soll er dort einen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit einem Sturmgewehr bedroht und ihm einen Geldkoffer mit 89.850 Euro und seinen Revolver abgenommen haben.
Für Drach steht neben einer Haftstrafe auch eine anschließende Sicherungsverwahrung im Raum. Ein psychiatrischer Gutachter soll deswegen regelmäßig am Prozess teilnehmen.
Drachs Name ist untrennbar mit der Entführung des Mäzens Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996 verbunden. Die Entführer um Drach brachten den Erben der Tabakdynastie am 25. März 1996 in ihre Gewalt und hielten ihn 33 Tage lang angekettet im Keller eines Landhauses bei Bremen gefangen. Am 26. April 1996 kam Reemtsma gegen Zahlung eines Lösegelds in zweistelliger Millionenhöhe frei.
Drach wurde 1998 in Argentinien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Im Jahr 2000 wurde er zu 14,5 Jahre Haft verurteilt. Noch während seines Gefängnisaufenthalts wurde er wegen versuchter Anstiftung zur Erpressung erneut verurteilt. Im Oktober 2013 kam er frei. (mit dpa)