Premiere in KölnVerfilmung der Reemtsma-Entführung: Polizeipannen und Familiendrama

Adina Vetter, Claude Heinrich und Hans-Christian Schmid beim Screening des Kinofilms „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ auf dem 32. Film Festival Cologne.

Adina Vetter und Claude Heinrich, die die Hauptrollen im Film „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ bestreiten, mit Regisseur Hans-Christian Schmid bei der Vorführung in Köln am 25. Oktober 2022.

Die Verfilmung der Entführung von Jan Philipp Reemtsma bietet einen spannenden Blick in die Gefühlswelt der Familie, die 33 Tage auf ein Ende des Horrors hofft, aber auch mit Polizeipannen leben muss.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Dieser Fall hielt 1996 Deutschland in Atem. An einem Abend im März wurde der Millionen-Erbe Jan Philipp Reemtsma (69) vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese überwältigt und entführt. Die Täter hinterließen ein Schreiben, das sie mit einer Handgranate beschwerten und in dem sie 20 Millionen D-Mark Lösegeld forderten.

33 Tage dauerte das Nervenspiel, ehe Verschleppung und Gefangenschaft endeten. Der neue Kinofilm „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ erzählt die Geschichte der Entführung aus der Innenperspektive der Familie. Am 3. November ist Deutschland-Start, am Dienstag (25. Oktober 2022) war im Rahmen des 32. Film-Festivals Cologne Köln-Premiere in Anwesenheit einiger Beteiligten.

Emotional aufwühlender Film: „Wir sind dann wohl die Angehörigen“

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Reemtsmas Sohn, Johann Scheerer (39), das dieser 22 Jahre nach der Entführung veröffentlicht hat. Der damals 13-Jährige, beeindruckend gespielt von Claude Heinrich, bildet zusammen mit seiner Mutter Ann Kathrin (Adina Vetter) das Zentrum des Films.

Als Reemtsmas Frau ihren Sohn mitten in der Nacht weckt, sagt sie zu ihm: „Wir müssen jetzt ein Abenteuer bestehen.“ Freund und Anwalt Johann Schwenn (Justus von Dohnányi) kommt hinzu, Familienfreund Christian Schneider (Hans Löw) ebenso. Die beiden Angehörigen-Betreuer Vera (Yorck Dippe) und Nickel (Enno Trebs) ziehen ebenfalls mit ins Haus.

Regisseur Hans-Christian Schmid (57), der mit Filmen wie „Nach fünf im Urwald“ berühmt wurde, ist stolz auf das Resultat. „Als 2018 das Buch von Johann erschien, haben wir uns sofort um die Filmrechte bemüht. Es gab Gespräche mit der Familie, weil es mehrere Mitbewerber gab. 2019 kam der Zuschlag“, erzählte er beim Köln-Besuch.

Yorck Dippe (v.l.n.r.) als Vera, Adina Vetter als Ann Kathrin Scheerer und Justus von Dohnányi als Johann Schwenn in einer Szene des Films «Wir sind dann wohl die Angehörigen».

Adina Vetter hält als Ann Kathrin Scheerer ein Polaroid-Foto ihres Manns aus der Gefangenschaft in den Händen. Links Yorck Dippe als Vera, rechts Justus von Dohnányi als Johann Schwenn.

„Das Konzept, den Fall nicht aus Sicht des Entführten zu schildern und keine Szenen aus seinem Keller zu zeigen, sondern die Erzählperspektive der Familie zu wählen, hat sich als richtig erwiesen“, sagt Schmid. „Aber vorher gab es einige Hürden zu überwinden. Es gab so viele verschiedene Versionen der Beteiligten über die Ereignisse, außerdem hatten wir durch die Filmrechte noch längst nicht das Recht, allen Personen Dialoge in den Mund zu legen.“

Nicht nur die Corona-Pandemie erschwerte die Produktion. Auch bauliche Hürden galt es zu meistern. So wurden die Erdgeschoss-Szenen in der Reemtsma-Villa in einem Haus in Hamburg gedreht. Das Obergeschoss mit den Schlafzimmern hingegen wurde in einem Kölner Studio nachgebaut. Vor allem der Moment, als die Mutter nach mehreren gescheiterten Geldübergabeversuchen nervlich am Ende ist und im Treppenhaus zusammenbricht, stellte alle so vor eine Herausforderung.

Claude Heinrich (l) als Johann und Adina Vetter als Ann Kathrin Scheerer in einer Szene des Films «Wir sind dann wohl die Angehörigen».

Claude Heinrich (l.) liest als Johann einen Brief seines Vaters aus der Gefangenschaft. Adina Vetter als Ann Kathrin Scheerer beobachtet ihn.

„Das war schon sehr intensiv und eine große Rolle für mich“, gestand Claude Heinrich (16). Der hatte auch schon im Udo Lindenberg-Film „Mach dein Ding“ die Rolle des jungen Udo übernommen. Nun musste er nicht nur Gitarre für den Reemtsma-Streifen lernen, sondern auch die emotional aufwühlenden Szenen mit seiner Film-Mutter drehen.

Claude Heinrich spielte auch schon den jungen Udo Lindenberg

„Es war schon spannend, mit welcher Fassung sich beide in dieser Situation verschrieben hatten, nicht durchzudrehen“, sagte Darstellerin Adina Vetter (42). „Sie waren ja anfangs mit der Vision gestartet, dass alles in vielleicht drei Tagen vorbei sein könnte.“ Doch auch Fehler der Polizei ließen immer wieder Übergaben scheitern.

„Als ich Johanns Buch gelesen habe, war ich angesichts der zahlreichen Pannen fassungslos“, sagte der Regisseur. „Doch bei der Recherche wurde mir dann deutlich, dass stellenweise durchaus ein Plan dahintersteckte.“ Und so bietet der ansonsten emotional aufwühlende Stoff auch noch unfreiwillig komische Momente.