Die alte Siemens-Zentrale in Köln wird abgerissen. Doch das Großprojekt in Ehrenfeld gefällt nicht jedem.
Abriss nach 50 JahrenZoff um Kölner Beton-Koloss – Umwelthilfe schäumt: „Absurd“
Vor fast 50 Jahren, Ende 1973, zog das Leben ein in den Koloss von Ehrenfeld: Mit der neuen Siemens-Zentrale, ein in der Grundfläche 180 Meter langer und 35 Meter breiter Gigant aus Beton, Stahl und Glas, bot das Weltunternehmen der Kölner Belegschaft fortan modernste Arbeitsplätze.
Doch von dem einst imposanten Vorzeigebau wird bald nichts mehr übrig sein: Abrissbagger legen den Komplex an der Franz-Geuer-Straße seit Wochen nieder. Doch mitten in sein Ableben kommt das Gebäude noch einmal zu unfreiwilligem Ruhm: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat den Komplex auf eine Liste mit den sechs schlimmsten Beispielen von „absurden“ Abrissen in Deutschland gesetzt.
Siemens-Gebäude in Köln: Abriss in vollem Gange, aber in der Kritik
Zur Erklärung heißt es bei der DUH: „In Köln wird ein Bürogebäudekomplex in der Franz-Geuer-Straße für den Bau von 450 Wohnungen, Gewerbeeinheiten sowie einer Kindertagesstätte abgerissen. (...) Grund für die Abrissentscheidung ist der laut Gutachten des Investors energetisch schlechte Zustand des Gebäudes sowie die nur aufwendig zu ermöglichende Umnutzung.“
Die Umweltschützerinnen und -schützer monieren aber: Das Gutachten und die Datengrundlage hätten „nie transparent zur Verfügung gestanden“. Abriss und Neubau würden nun zu starken CO2-Emmissionen führen und Ressourcen verschleudern.
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Leider seien zudem Gebäudeabrisse in NRW seit einer Änderung der Landesbauordnung genehmigungsfrei. Der Denkmalschutz könnte höchstens einschreiten – der aber stufte den Bürokomplex als erhaltenswerte Bausubstanz ein, nicht als Baudenkmal. Folge: Das Gebäude konnte ohne rechtliche Hürden abgerissen werden.
Hiesige Gegnerinnen und Gegner des Abrisses haben sich in der „Initiative Franz-Geuer-Straße“ gesammelt. Deren Sprecher Erhard Giesen hält es für einen „Wahnsinn“, dass so viel Beton vergeudet und die Energie, die in dem hochwertigen Ensemble gesammelt sei, „einfach weggeschmissen“ werde.
Er sowie die Mitstreiterinnen und Mitstreiter meinen, dass man das Wohnungsbauprojekt im Bestand umsetzen und damit „ein Leuchtturmprojekt hätte schaffen können – wie etwa im Philips-Lichthaus in Eindhoven, wo das Gebäude im Kern erhalten blieb.“
Der Investor Swiss Life betont, man habe den Erhalt des Gebäudes „sehr sorgfältig im Vorfeld geprüft“, er ergebe aber wegen „ökologischer, funktioneller und wirtschaftlicher Faktoren keinen Sinn“.
Investor Swiss Life führt mehrere Gründe für Abriss-Entscheidung an
Swiss-Life-Sprecher Martin Marsmann führt mehrere Gründe an – etwa: „Die Gebäudetiefe von bis zu etwa 36 Metern ließ keine mit ausreichend Tageslicht beleuchtete und natürlich belüftete Arbeitsfläche oder Wohngrundrisse zu. Für einen Umbau hätte massiv in das Tragwerk des Gebäudes eingegriffen werden müssen.“ Insgesamt sei das alles „wirtschaftlich nicht darstellbar“.
Auch aus ökologischer Sicht werde es bei dem geplanten Quartier zu einer deutlichen Verbesserung kommen: „Der Endenergieverbrauch und der CO2-Ausstoß des alten Gebäudes wären im Verhältnis ungefähr um das Vierfache höher als der Endenergieverbrauch sowie der CO2-Ausstoß des neu geplanten Quartiers.“
Siemens-Gebäude in Köln: Kompletter Bauschutt soll in Recyclingkreislauf
Und: Insgesamt würden die ca. 30.000 Tonnen Bauschutt „vollständig in den Recyclingkreislauf übernommen.“
Laut Bezirksbürgermeister Volker Spelthann (Grüne) werden bis zur Umsetzung des Bauprojektes „sicher noch einige Jahre ins Land gehen“. Zur Zeit arbeite die Verwaltung einen Bebauungsplan aus. Er habe das Siemensgebäude für architektonisch interessant gehalten. „Jetzt halte ich es jedenfalls für ökologisch effizient, dass auf bereits versiegeltem Gelände neuer Wohnraum entsteht – und nicht etwa auf freiem Feld.“
In ihrer Negativliste führt die Deutsche Umwelthilfe (Sitz in Hannover, gegründet 1975) neben Köln das „Johannisbollwerk“ auf, ein altes Kontorhaus in Hamburg. Zwei weitere Beispiele kommen aus Brandenburg, eins aus Potsdam sowie eins aus Berlin.