Nazis, Minen, Phantom-LeichenHerr der Forts führt durch Kölner Gruselfestung

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Robert Schwienbacher (hinten) ist Experte für die Geschichte der preußischen Festungsanlagen, so wie des Fort IX in Westhoven
Köln – Der Weg zu der verlassenen Festung führt an den weißen hohen Mauern der Forensik für psychisch kranke Straftäter vorbei.
Wir sind auf der Porzer Ringstraße. Robert Schwienbacher (53), Kölner Experte für Festungsbau, geht rechts ab, öffnet das Schloss eines stacheldrahtbewehrten Tores. Der weitere Weg führt durch ein Wäldchen.
Köln und seine alten Festungen, das ist eine besondere Geschichte.
Jetzt stehen wir vor dem Fort IX, einem historischen Gemäuer aus Feldbrandziegeln. Die Mauern sind bis zu 3,5 Meter stark. Das Fort IX (9) in Westhoven war ein Teil der einst mächtigsten Festungsanlage Europas, die „Preußische Festung Köln“ mit einem Radius von 42 Kilometern.
Schwienbacher führt uns durch das Gemäuer, dessen baulicher Zustand kritisch ist. An diesem Sonntag, zum kostenlosen Tag der offenen Tür, sind alle Kölner zu einem Besuch der ansonsten gesperrten Anlage ausdrücklich eingeladen.
Über 180 Bauwerke der Kölner Festungsanlagen sollten ein unüberbrückbares Hindernis vor allem für den „Erbfeind“ Frankreich sein. Ironie der Geschichte, über die sich niemand beklagt: „An den Festungen fiel kein einziger Schuss. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die mächtigen Trutzburgen schon wieder entfestigt“, erklärt Schwienbacher.

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Ein historisches Bild der für 950 Soldaten gebauten Festung. Der Bau begann 1877.
Das Fort IX hat eine wechselvolle Geschichte, bis in die Neuzeit. Nach den Vorgaben des Versailler Vertrages wurde das Fort in den 1920er Jahren entmilitarisiert. Der sechs Meter tiefe und neun Meter breite Graben wurde verfüllt.
Die Hitlerjugend zieht ein
1936 errichtete die Hitlerjugend im Fort IX ein Lager zur „Kontrolle und Disziplinierung“ von arbeitslosen Jugendlichen, das so genannte „Lager Hitler“. Ein Teil des Schriftzugs ist bis heute über dem Hauptportal erhalten.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden in der ehemaligen Festung russische Zwangsarbeiter interniert. Nach dem Krieg wurde das Fort von der belgischen Armee genutzt und war Standort eines belgischen „Alpenvereins". Schwienbacher: „Die haben das Gemäuer für Kletterübungen genutzt.“
Auf dem sogenannten Zwischenwerk 9a, einem Festungsabschnitt, das einen kleinen Fußmarsch weiter Richtung Rheinufer liegt, betrieben die Belgier sogar einen Kindergarten für die Armeeangehörigen.

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Überbleibsel aus der belgischen Ära: Der belgische Alpenclub hatte im Fort IX sein Domizil (Foto von 2002).
Die Belgier verließen Köln nach 1990. Das verfallende Bauwerk, mittlerweile im Besitz des Bundes (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Sitz in Bonn), fand dann einen neuen Nutzer: Der Kölner Pferdeexperte Horst-Dieter Beyer machte aus den Festungskammern Stallungen. Das Fort wurde zum bizarr anmutenden Pferdehof.
Leichen von zwei Mädchen?
Im April 2004 dann der Schock. In der größten Suchaktion der Kölner Polizei gruben Einsatzkräfte nach einem Hinweis eines Kölners wochenlang nach den Leichen von zwei Mädchen. Der vermeintliche Zeuge hatte angegeben, der Täter habe seine Opfer, die vorher missbraucht wurden, dort verscharrt.

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Viele Einsatzkräfte kamen auf das alte Festungsgelände und gruben nach den vermeintlichen Leichen.
Es war ein Mammuteinsatz: Drei „Technische Einsatzeinheiten" wurden in Marsch gesetzt, der BGS aus Bonn war beteiligt. Diensthundeführer aus fünf Bundesländern kamen nach Köln, die Hubschrauberstaffel unterstützte aus der Luft, führende Wissenschaftler aus drei Fachgebieten wurden angefordert.
Lebensgefahr durch Minen
Minen aus den 1940er Jahren gefährdeten die Einsatzkräfte. Der Vorsitzende der Bürgervereinigung warnte: „Bis 1952 sind auf dem Gelände mindestens sechs oder sieben Menschen durch Minen ums Leben gekommen." Die Beamten fanden tatsächlich einige scharfe Exemplare.
Die Kölner Bevölkerung kam dann nocheinmal ins Staunen: Als heraus kam, dass die Geschichte mit den Mädchen frei erfunden war. Motiv des vorbestraften Verleumders: Rache. Weil der Pferdefreund Horst-Dieter Beyer ihn wegen zwielichtiger Machenschaften aus dem „Westhovener Reiterverein“ ausgeschlossen hatte. Was für ein Wahnsinn...

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Bei den Dreharbeiten zum TV-Film „Dresden“ wurde das Fort IX zur Kriegskulisse. Hier ein aufgesprühter Schriftzug.
In den letzten Jahren benutzten Filmemacher wiederholt die historischen Ruinen als Kulisse, zum Beispiel für die Kriegsdramen „ Unsere Mütter, unsere Väter" und „Dresden“.
Info zum Sonntag: Die Führungen beginnen um 12, 13.30 und 15 Uhr (Dauer: 1,25 Stunden).
Treff: Porzer Ringstraße, gegenüber der Straße Auf dem Wasserfeld
Wichtig: Festes Schuhwerk und Taschenlampe, Kinder müssen an die Hand
KVB (am Sonntag für alle kostenlos): Linie 7, Haltestelle Kölner Straße
In Köln gibt es noch 15 teilerhaltene Forts und Zwischenwerke im äußeren Festungsgürtel. Das komplette Programm zum Tag der offenen Tür am Sonntag gibt es unter www.tag-der-forts.de

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Auf dem Kartenauszug von 1916 sind das Fort IX (9) und die kleineren Zwischenwerke 9a und 9b zu sehen.