Wie sicher ist er wirklich?Wohnen überm Gleis: 1. Blick in Kölns neuen Super-Tunnel

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Der Tunnel ist schon fast fertig.

Köln – Eins der ungewöhnlichsten und umstrittensten Bauvorhaben Kölns nimmt Gestalt an.

Am neuen Clarenbachplatz 1 in Braunsfeld entstehen auf dem Areal des ehemaligen Marktplatzes 67 Luxuswohnungen. Sie alle werden um einen Tunnel gebaut, durch den Güterzüge mit teils gefährlicher Ladung rollen.

Im kommenden Jahr werden dann Menschen in Köln erstmals über einer Bahnstrecke der HGK leben, die rund um die Uhr in Betrieb ist. Wenn Tag und Nacht unter den Füßen und an den Wänden Güterzüge vorbeirumpeln - verspricht das ein gutes Wohngefühl?

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Kölner Neubau: Clarenbachplatz 1 mit Tunnel für Züge der HGK

Ja, betonen die Projektpartner und Bauherren WvM und Friedrich Wassermann, die Röhre verfüge über extreme Sicherheitsstandards. Darauf vertrauen wohl auch die Käufer, 56 Wohnungen sind bereits vergeben und sollen im ersten Quartal 2021 trotz Corona-Bedingungen bezugsfertig sein.EXPRESS erklärt Kölns Super-Tunnel.

Wie lang ist die Röhre?

Sie ist 160 Meter lang und rund zwölf Meter breit. Sie führt das Gleis, das sich durch den Stadtwald und über die Aachener Straße schlängelt durch drei Wohngebäudekomplexe.

Die Güterzüge rollen teilweise bis zum Niehler Hafen. Eine Beleuchtung im Tunnel soll auch nachts für gute Sichtverhältnisse sorgen. Direkt neben dem Neubau sind das Altenheim und die evangelische Kirchengemeinde Clarenbachstift.

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Der Neubau soll in gut einem Jahr fertig sein.

Wie stark ist dort der Güterverkehr?

„Laut Fahrplandaten gibt es zurzeit etwa 20 Zugbewegungen rund um die Uhr auf diesem Gleisabschnitt, zumeist Züge bis maximal 700 Meter Länge und Loks ohne Waggons“, so HGK-Sprecher Christian Lorenz.

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„Es werden hauptsächlich Quarzsand und Braunkohleprodukte sowie vereinzelt Sonderverkehre über die Strecke gefahren. Durch den Kohlekompromiss ist natürlich zu erwarten, dass in Zukunft weniger Braunkohlenprodukte transportiert werden – ein exakter Zeitpunkt ist da aber noch nicht zu nennen.“

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HGK-Sprecher Christian Lorenz

Wackelt bei den Güterzügen nicht das ganze Haus?Die Bahnschwellen sind, um Vibrationen zu vermeiden, auf Gummipuffern gelagert, die liegen auf einer eigenen Betonplatte. Die Innenwände wurden mit nicht brennbaren Schallabsorbern aus Mineralwolle verkleidet, die Betonwände dahinter sind 30 Zentimeter dick.

Zieht der Diesellok-Gestank in die Wohnungen?Ventilatoren verwirbeln die Luft nach jeder Durchfahrt zehn Minuten lang. So soll auch verhindert werden, dass sich der Ausstoß an den Tunnelein- und ausgängen konzentriert.

Was passiert, wenn ein Zug im Tunnel entgleist und das Gebäude rammt?„Einer möglichen Entgleisung wirken Zerschellschichten im Beton entgegen, die für einen fahrenden Zug mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h entgegenwirken“, so WvM-Sprecherin Juliane Hein.

Kölns Tunnel in Braunsfeld: Was passiert bei Feueralarm?

„Zu beachten ist hier, dass die maximal zugelassene Geschwindigkeit der Strecke deutlich niedriger ist, so das hier mit einem hohen Sicherheitsbeiwert gearbeitet wurde.“ Die Güterzüge fahren auf dieser Strecke etwa 20 km/h.

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Vor dem Neubau: Ein Zug mit Gefahrgut rollt über die Aachener Straße auf das Grundstück.

Was passiert, wenn im Tunnel ein Feuer ausbricht?„Die feuerbeständigen Tunnelwände sind so ausgelegt, dass sie einem Brand für 120 Minuten und Temperaturen bis zu 1.200 Grad standhalten“, so Hein. „Im Wohnungsbau üblich sind normalerweise Konstruktionen, die für eine Widerstandsdauer von 90 Minuten ausgelegt sind.

Rechts und links neben den Gleisen ist ausreichend Platz zur Entfluchtung. Im Brandfall haben die Rettungskräfte somit ausreichend Zeit, die Anwohner zu evakuieren und zeitgleich mit Löscharbeiten zu beginnen.“

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Das Bauprojekt Clarebachplatz 1 in der Visualisierung.

Haben die Einsatzkräfte in der Röhre im Notfall genügend Platz?Juliane Hein: „Die Wege wirken optisch schmal, jedoch sind sie sogar breiter angelegt als ursprünglich von der zuständigen Behörde, dem Eisenbahn-Bundesamt gefordert. Fluchtwegkennzeichen und eine Notbeleuchtung sorgen für zusätzliche Orientierung.“

Auch HGK-Sprecher Lorenz betont: „Die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände wurden selbstverständlich eingehalten. Alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen wurden erfüllt, so dass der Tunnel von den zuständigen Behörden genehmigt werden konnte.“

Gibt es im Tunnel eigentlich eine Videoüberwachung?

„Der Tunnel ist nicht videoüberwacht. Auch vorher war die Strecke nicht videoüberwacht, daher haben wir daran nichts geändert", so WvM-Sprecherin Juliane Hein.