Roboter als Begleiter und Helfer an unserer Seite zu haben, ist ein lang gehegter Traum – oft erzählt im Science-Fiction-Genre. Doch wie weit ist die Technologie in Sachen Alltagsrobotik tatsächlich?
ZukunftRoboter meistern mühelos schwere Aufgaben – wann werden sie Teil unseres Alltags sein?
Boston. Der Videoauftritt von Atlas sorgt für Staunen. Geschickt turnt der Roboter durch den Parcours, seine Bewegungen sind flüssig, fast menschlich – am Ende gibt es sogar zwei Salti rückwärts und einen zweiten Roboter als Bewegungspartner.
Die Botschaft der US-Firma Boston Dynamics ist klar: Die Zeiten, in denen Roboter durch die Gegend stolpern, sind vorbei, die Zukunft hat begonnen. Doch was sagen solche durchchoreografierten Bilder über den wirklichen Stand der Robotik aus? Setzt Atlas bald einen Fuß in unsere Welt?
Roboter Atlas ist noch nicht komplett alltagstauglich
Sven Behnke, Professor für Autonome Intelligente Systeme an der Universität Bonn, ist da skeptisch: „Die dynamischen und sicheren Bewegungen von Atlas sind beeindruckend. Gleichzeitig ist der Schritt in unseren Alltag viel schwieriger als ein Parcours.“ Die sichere Bewegung über Hindernisse sei nur ein kleiner Teil der Herausforderung.
Menschen auf der Straße oder im Supermarkt bewegen sich chaotisch und unvorhersehbar, durch das Wohnzimmer toben Kinder, Katzen und Hunde. Um niemanden umzulaufen oder gar zu verletzen, müsste die Sensorik eines 86 Kilogramm schweren Atlas mindestens so verlässlich sein wie die eines selbstfahrenden Autos. Und selbst die sind vom sicheren Alltagseinsatz noch entfernt.
Roboter werden ein wichtiger Teil der Zukunft sein
Immerhin erwarten wir einiges von zukünftigen Robo-Helfern: C3PO kann viele Sprachen sprechen, Dialoge führen, sich um seinen Mitmenschen sorgen. R2D2 hatte einen kleinen Arm, mit dem er Dinge reparieren konnte. Kochen und Wäsche waschen wären auch schön.
Die gute Nachricht: Erste Schritte in diese Richtung macht die Technik bereits. Mit unseren Sprachassistenten sprechen wir ganz selbstverständlich. Industrieroboter arbeiten längst Hand in Hand mit dem Menschen.
„Die Robotik arbeitet an Lösungen für viele dieser Herausforderungen. Von einem Alltagsroboter als eine Art Schweizer Taschenmesser sind wir trotzdem noch weit entfernt“, sagt Niels Will vom Deutschen Zentrum für künstliche Intelligenz in Bremen. Stattdessen erobern immer mehr einzelne Helfer unseren Alltag. Roboter saugen und wischen Böden, putzen Fenster und mähen Rasen. Auch als Spielzeug sind sie beliebt.
Roboter werden immer öfter gekauft
Laut Robotikverband International Federation of Robotics wurden 2019 mehr als 23,2 Millionen Serviceroboter für den persönlichen und häuslichen Gebrauch verkauft, 34 Prozent mehr als im Jahr davor. Für den Robotikexperten liegen die Gründe auf der Hand.
Die Zuverlässigkeit habe sich verbessert, gleichzeitig seien die Preise stark gefallen. In naher Zukunft kann sich iRobot-Chef Colin Angle etwa Haushaltsroboter mit Armen vorstellen. Was sollen sie damit? Die Wäsche machen? Das Zimmer vor dem Staubsaugen aufräumen?
Roboter als Unterstützung für Menschen mit Behinderung
Diese Frage wird am Ende vermutlich der Verbraucher und seine Kaufbereitschaft beantworten. Bei einem Staubsaugroboter ist die Investition überschaubar. Einsteigermodelle gibt es für knapp 200 Euro. „Je größer die Entlastung im Alltag, desto größer ist auch die Bereitschaft, dafür zu zahlen. Viel Potenzial steckt deshalb auch in der Unterstützung von Menschen mit Handicap“, sagt Will.
Ansätze dafür gibt es einige. Lio, eine Art Roboterarm auf Rädern, unterstützt seit 2020 in der Stiftung Rossfeld Menschen mit körperlichen Behinderungen. Er legt Kleidung raus, reicht Gegenstände an und macht einfache Übungen vor. Der Roboterarm der Firma Jaco wird am Rollstuhl montiert und lässt sich über die Rollstuhlsteuerung bewegen. Er kann Türen öffnen, Essen anreichen oder Make-up auftragen. Die Kosten liegen bei 35 000 US-Dollar, Tendenz fallend.
Roboter als nützliche Lieferanten
Bei der Auslieferung von Paketen oder Einkäufen könnten Roboter bald die letzte Meile zwischen Sammelstelle und Kunden übernehmen. In China testet Techgigant Alibaba gerade Lieferroboter. Ausgestattet sind sie mit ähnlicher Sensorik wie ein autonom fahrendes Auto. Allerdings bewegen sie sich nur in Schrittgeschwindigkeit.
Der Durchbruch von Robotern lässt nicht mehr lange auf sich warten
Menschen weichen sie großräumig aus. Der Durchbruch werde nicht mehr lange auf sich warten lassen, glaubt Behnke, wenn auch nicht ohne menschliche Absicherung.
„Denkbar wäre es, die Roboter aus einer Art Callcenter überwachen zu lassen. So kann der Mensch im Notfall eingreifen. Mit lernenden Systemen und besserer Sensorik wird dieser Eingriff vermutlich immer seltener notwendig“, sagt er.