Die Klimakrise erhöht die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen. Speziell für Deutschland sind die Prognosen „dramatisch“, so die Botschaft beim 12. Extremwetterkongress in Hamburg.
Unwetter, Dürren, HitzeBittere Pille speziell für Deutschland – „dramatisch“
Schmelzende Gletscher, steigende Waldbrandgefahr und verheerende Wirbelstürme: Wissenschaftler haben eindringlich vor den unumkehrbaren Folgen einer weiteren globalen Erwärmung gewarnt. Sie sehen eine wachsende Gefahr durch Wetterextreme.
„Wir erleben die Klimaveränderung inzwischen direkt vor unserer Haustür, sind selbst unmittelbar betroffen“, sagte Tobias Fuchs, Vorstandsmitglied des Deutschen Wetterdienstes (DWD), am Mittwoch (28. September 2022) beim 12. Extremwetterkongress in Hamburg. Bis Freitag stellen Wissenschaftler dort neue Erkenntnisse vor. Die Bemühungen um den Klimaschutz müssten verstärkt werden, lautet die Forderung der Experten.
Globale Erwärmung wirkt in Deutschland stärker als im Durchschnitt
„Die Lage ist dramatisch“, sagte Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Das Klima warte nicht, nur weil man gerade viele andere Sorgen habe - das sei die Herausforderung dieser Zeit. Die Regierung und die Gesellschaft müssten auch mehrere Krisen gleichzeitig angehen können.
Besondere Herausforderungen für die Menschheit sind laut Experten der steigende Meeresspiegel und der Verlust des Festland-Eises. „Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels so umfassend messen, beobachten und wissenschaftlich analysieren kann“, sagte der Präsident der Weltorganisation für Meteorologie, Gerhard Adrian, der zugleich DWD-Präsident ist.
In einem vorgestellten Extremwetter-Faktenpapier 2022 heißt es, dass die gegenwärtige globale Erwärmung in Deutschland stärker wirkt als im globalen Mittel. Extrem heiße und trockene Sommer seien viel wahrscheinlicher geworden.
Klimawandel: Neun der zehn wärmsten Jahre seit 1881 traten seit 2000 auf
Während die globale Temperatur im linearen Trend um etwa 1,1 Grad über der Zeit von 1881 bis 1910 liege, seien es in Deutschland etwa 1,6 Grad. Seit 1960 war den Angaben zufolge jede Dekade hierzulande wärmer als die vorherige. Neun der zehn wärmsten Jahre seit 1881 traten den Angaben zufolge seit 2000 auf.
In den vergangenen Jahrzehnten sei die Zahl der Tage mit hohem bis sehr hohem Waldbrandrisiko gestiegen. Strenge Fröste nehmen den Erkenntnissen zufolge ab. „In einigen Gegenden Deutschlands sind langanhaltende Phasen mit Tageshöchsttemperaturen von 30 Grad Celsius und darüber ein neues Phänomen“, heißt es in dem Report.
Betont wurde: Im Rahmen der natürlichen Variabilität werde es auch weiterhin kalte Winter, kühle Sommer und die Gefahr von Spätfrösten geben. „Die Wahrscheinlichkeit für diese drei genannten Ereignisse nimmt jedoch in Folge der globalen Erwärmung ab.“
Klimawandel: Gletscher schmelzen schneller als je zuvor
Ein Schwerpunkt des Kongress liegt nach Angaben des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) in diesem Jahr auf dem Abschmelzen der Eisbedeckung - seien es Gletscher, Meereis oder Landeis. Die Wissenschaft erwarte in den kommenden Jahrzehnten weitere Verluste, wodurch die Gefahr von Wasserknappheit und bilateralen Konflikten steige, berichtete die DKK-Vorstandsvorsitzende Astrid Kiendler-Scharr.
Fuchs nannte Beispiele für Folgen der Klimaveränderungen in vielen Regionen: Der diesjährige Sommer sei extrem trocken und warm gewesen und habe gefühlt schon im Mai begonnen. Böden seien fast flächendeckend ausgetrocknet, die Wasserstände von Flüssen seien sehr niedrig gewesen und es habe viele Waldbrände gegeben, sagte Fuchs. „Unter dem Strich ein für Deutschland im Klimawandel bald typischer Sommer.“ Der DWD warnte: Angesichts von Treibhausgaskonzentrationen mit immer neuen Rekordhöhen sei mit noch ausgeprägteren Wetterextremen zu rechnen.
Frank Böttcher, Veranstalter und Sprecher der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, appellierte, die politischen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass alle Produkte und alle Lebensmittel mindestens klimaneutral sind. „Darüber darf man im Supermarkt nicht mehr nachdenken müssen“, forderte er. (dpa/jv)