Spuren von Medizin-AbfallAnalyse offenbart, warum unser Wasser in Köln so süß ist
Köln – Ist das „Wasser vun Kölle“ wirklich so gut, wie von den Bläck Fööss besungen?
Nach dem Fund von Spuren des Unkrautvernichters Glyphosat im Kölner Grundwasser beim „Grundwassermonitoring“ durch das Umweltamt der Stadt (hier lesen Sie mehr) Mitte 2019 war zwangsläufig auch das erfrischende Nass aus dem Wasserhahn wieder in die Diskussion geraten.
EXPRESS machte den Fakten-Check. Was dabei rauskam, wirkt großteils beruhigend, streckenweise kurios ...
„Stiftung Warentest“: Kölner Wasser ist süß
Im aktuellen Leitungswasser-Check von „Stiftung Warentest“ (Juli 2019) fanden sich im frisch gezapften Kölner „Kranenberger“ winzige Rückstände von Süßstoff. „Absolut wirkungslos, das Wasser schmeckt auch nicht süß“, erklärt Expertin Ina Bockholt. „Aber Süßstoffe sind chemisch besonders stabil, sodass sie, wenn man eine Cola Light trinkt, nicht nur den menschlichen Verdauungstrakt, sondern auch die Filter im Wasserwerk überstehen.“
Würde der Körper die Moleküle aufspalten, hätte Süßstoff unerwünschte Kalorien. Reste der Kunstzucker fanden sich auch im Leitungswasser von Frankfurt, Berlin, Nürnberg, Stuttgart, Darmstadt, Kulmbach und Dortmund als einzig anderem „süßen“ Ort in NRW.
Hier lesen Sie mehr: Warum Düsseldorfer sich über ihr Wasser freuen
Viele Kliniken führen zu Spuren von Röntgenkontrastmitteln
Auch Medizin-Abfallprodukte fanden die „Warentester“ im Leitungswasser Kölns, in winzigster, absolut unkritischer Konzentration.
Das Vorkommen in Ballungszentren mit vielen Kliniken, in denen auch Patienten aus dem Umland behandelt werden, sei verbreitet, so Fachfrau Bockholt. Auch Kontrastmittel wären extrem stabil, damit sie den Körper schadlos passieren. „Auch diese Stoffe kommen im Kölner Leitungswasser vor, aber in so geringer Menge, dass sie gesundheitlich absolut keine Gefahr darstellen“, betont die Expertin gegenüber EXPRESS. „Sie bestätigen nur, dass der Mensch und unser Lebensstil auch Einfluss auf das Wasser haben.“
Trinkwasser: Auch geringe Mengen von Problemstoffen wichtig für Verbraucherschutz
Daher spielen auch minimale Spuren dieser und anderer Problemstoffe schon im Grundwasser, dem Rohstoff des Kölner Wassers, für Experten beim „vorsorgenden Verbraucherschutz“ eine große Rolle.
„Auch wenn die Menge winzig ist und so verdünnt wie ein Stück Würfelzucker im Bodensee, und keinerlei Gesundheitsgefahr davon ausgeht, sind die Werte wichtig, um den Pfad herauszufinden, woher ein problematischer Stoff kommt“, erklärt Wilhelm Deitermann vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW. Die Behörde betreibt rund 2000 eigene Grundwassermessstellen.
Kölns Versorger RheinEnergie nutzt über 1200 Messpunkte im Einzugsgebiet seiner 111 Brunnen. Das Trinkwasser wird ständig kontrolliert.
Nicht nur im Stadtteil Kalk: Kölner Wasser ist hart
Man sieht es an Kalkflecken im Bad, im Tee: Kölner Wasser ist hart. Das mag schlecht sein für blitzende Küchenspülen und Waschmaschinen. Aber es ist alles andere als ungesund, beruhigt RheinEnergie-Sprecher Christoph Preuß: „Das sind Calcium-Magnesium-Verbindungen, die das Trinkwasser der Kölner Bucht auf seinem Weg – im Rechtsrheinischen aus dem Bergischen Land, linksrheinisch unter anderem durch den Wasserschutzwald Weiler – aufnimmt, wenn es durch kalkhaltiges Gestein fließt. Es sind wichtige natürliche Mineralstoffe, die der Körper braucht.“
Leitungswasser entkalken überflüssig und eher ungesund
Auch die „Warentester“ halten Leitungswasser vor dem Trinken zu entkalken daher für überflüssig und eher falsch, zumal bei Standfiltern die Gefahr einer Verkeimung steigt.
Guter oder schlechter Geschmack, je nach Veedel?
Viele meinen, dass das Wasser abhängig vom Veedel anders schmeckt. Ein Mythos? Richtig ist: Köln verfügt über zwei getrennte Trinkwassernetze, rechts- und linksrheinisch, die sich bei Bedarf per nagelneuer Leitung unter den Rhein hindurch verbinden lassen. Im Normalbetrieb ist der Schieber allerdings zu. „Mittlerweile gibt es aber praktisch keine Unterschiede mehr“, sagt Preuss.
Linksrheinisch wird das Wasser aus drei Wasserwerken größtenteils durchmischt, im Rechtsrheinischen sei das Leitungswasser vielleicht manchmal einen Tacken weicher, weil es aus anderen Quellen stammt. Ansonsten führt er Geschmacksunterschiede eher auf Hausinstallationen zurück.
Gibt es Pestizide im Kölner Leitungswasser?
„Es ist ein absolut unbedenkliches, gesundes Naturprodukt“, versichert nicht nur Christoph Preuß, Sprecher des Wasserversorgers RheinEnergie. „Stiftung Warentest“ analysierte Trinkwasserproben direkt aus dem Wasserhahn auf 126 Verunreinigungen, in fünf Großstädten, darunter Köln und 15 anderen Orten, und in Euskirchen als einem landwirtschaftlichen Hotspot.
Gülle macht erhöhte Nitrat-Werte wahrscheinlicher
Denn bei viel Ackerbau und Viehzucht ist außer mit Pflanzenschutzmittelrückständen mit erhöhten Nitrat-Werten durch Gülle in Grund- und auch Leitungswasser zu rechnen, das daraus gewonnen wird. Hier gab es für Köln und Co. Entwarnung.
Das wohl bekannteste Pestizid, Glyphosat bzw. dessen Abbauprodukt AMPA, wurde in keiner Kölner oder Euskirchener Leitungswasserprobe gefunden.
Der Nitrat-Grenzwert von 50 mg/l wurde im Leitungswasser bundesweit eingehalten (Köln 17,9 mg/l, Euskirchen 5,2 mg/l). Süßstoffe und Röntgenkontrastmittel-Spuren gab es in Euskirchen keine.
„Stiftung Warentest": Qualität des Leitungswassers stimmt
Außerdem fand „Stiftung Warentest” in beiden Städten null Arzneimittelrückstände und von Pflanzenschutzmitteln nur winzige Spuren nicht mehr wirksamer Abbauprodukte, sogenannte nicht relevante Metabolite.
Fazit Stiftung Warentest beim Wasser-Check: „Die Qualität des Leitungswassers stimmt. Trinkwasser gilt als das bestüberwachte Lebensmittel – zu Recht.“
Und der Vergleich mit Mineralwasser und stillem Wasser aus Flaschen spricht in puncto Kosten, Reinheit und Umweltschutz fürs „Kranenberger“ – auch in Köln.