Uniklinik AachenStress und Alarm auf der Intensivstation – Klinik-Direktor warnt

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Die Intensivstation in der Aachener Uniklinik ist beinahe ausgelastet. Der Klinik-Direktor warnt: Bei steigenden Zahlen reichen die Betten irgendwann nicht mehr aus – Vor Zuständen wie in Italien sei auch Deutschland nicht geschützt. Unser Foto entstand im November 2020 in Aachen.

Aachen – Ein junger Mann hat sich im Oktober mit dem Coronavirus infiziert. Jetzt liegt er auf der Intensivstation. Die Maschinen und das Krankenhauspersonal halten ihn am Leben.

Doch dem Personal geht langsam die Puste aus.

  1. 23-Jähriger hatte sich auf Hochzeit infiziert: Jetzt liegt er auf der Intensivstation
  2. Uniklinik Aachen arbeitet auf Hochtouren: Pflegepersonal ist völlig ausgelastet
  3. Klinik-Direktor warnt: Anzahl an Intensivbetten reichen bei weiter steigenden Zahlen nicht aus

Aachen: 23-Jähriger infiziert sich mit Corona-Virus – Jetzt liegt er auf der Intensivstation

Er hat sich auf der Hochzeit seiner Schwester infiziert. Unter den acht anwesenden Familienmitgliedern wurden sechs später positiv auf das Coronavirus getestet.

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Schon seit mehreren Wochen liegt der 23-jährige Mann auf der Intensivstation in Aachen. Mittlerweile ist er wieder bei Bewusstsein. Alle zwei Tage kommt ihn sein Vater besuchen, um seine Hand zu halten und mit ihm zu sprechen.

Auch der 64-Jährige gehörte zu den positiv Getesteten. „Wir hatten auf der Hochzeit im Oktober ein Hygienekonzept. Wir haben alle Maßnahmen eingehalten und wir waren vorsichtig. Es war alles legal und vom Ordnungsamt genehmigt. Trotzdem ist es passiert.“

Doch es kam nicht der 64-Jährige, sondern sein Sohn auf die Intensivstation des Aachener Uniklinikums.

Schwerer Krankheitsverlauf: 23-Jähriger wird künstlich beatmet

Fast regungslos liegt der junge Mann in seinem Bett. Er muss beatmet werden. Er bekommt keinen Ton heraus, wenn er etwas sagen möchte. Mit einer Buchstabentafel könnte er Buchstabe für Buchstabe anzeigen, was er meint.

Aber noch scheint es zu anstrengend zu sein, dafür die Hand länger als ein paar Sekunden zu heben. „Er ist wieder in einem guten Zustand“, sagt die Stationsleiterin Pia Sliwinski.

In den Nebenzimmern liegen weitere Infizierte, denen es sogar noch schlechter geht. Sie sind sediert, der Zustand wäre für die Patienten sonst nicht zu ertragen. Schläuche transportieren Körperflüssigkeiten heraus und wieder hinein, Maschinen ersetzen ihre Organe.

Uniklinik Aachen: Intensivstation völlig überlastet

Auf der Intensivstation wuseln Pflegekräfte und Ärzte umher. Wer in den Isolationsbereich mit den Infizierten wechselt, muss sich eine Haube, eine Schutzbrille, einen Mund-Nasen-Schutz, eine Kutte und an jeder Hand zwei Handschuhe anziehen.

Durch die spezielle Maske kann man kaum atmen. „Und das ist noch eine der Besseren“, bemerkt Oberarzt Christian Cornelissen. Er wechselt einem bewusstlosen Patienten mit der Hilfe seines Kollegen die Flüssigkeit für die Dialysemaschine.

„Sowohl wegen der Isolationsmaßnahmen als auch wegen der Krankheitsverläufe sind Covid-Patienten deutlich aufwendiger als Nicht-Covid-Patienten“, erklärt Oberarzt Alexander Kersten.

Aachener Klinik-Direktor warnt: Intensivbetten reichen bei weiter steigenden Zahlen nicht mehr aus

„Auch die größte Zahl an Intensivbetten ist irgendwann endlich, wenn die Zahl an Patienten ansteigt“, sagt Michael Dreher, Direktor der Klinik für Pneumologie und internistische Intensivmedizin des Aachener Uniklinikums.

Vor Zuständen wie in Italien sei auch Deutschland nicht geschützt. Täglich versuchten die Ärzte und Pfleger die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.

Doch dafür bräuchten sie auch die Solidarität der Bevölkerung und der Politik. Die Ministerpräsidenten der Länder beraten beim Corona-Gipfel am Mittwoch über eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen, um die Zahl der bundesweiten Neuansteckungen zu drücken.

Die Aachener Uniklinik hat eine besondere Position. Sie ist nur rund fünfzig Kilometer von Heinsberg entfernt. Dort hatten sich im Februar massenhaft Menschen infolge einer Karnevalsfeier infiziert. Einige von ihnen kamen an die Uniklinik.

Wegen der Erfahrungen aus dieser Zeit sei die Belegschaft besser für die sogenannte zweite Welle gewappnet, erklärt Dreher.

Uniklinik Aachen: Betten können nicht für Covid-Patienten frei gehalten werden

Eine Erkenntnis sei: Betten könnten nicht einfach für Covid-Patienten frei gehalten werden. Deswegen versuche die Uniklinik so gut es geht, sowohl Covid- als auch alle anderen Patienten zu versorgen.

Das bedeutet auch: Nur weil den Statistiken zufolge noch freie Betten auf den Intensivstationen stehen, heißt es nicht, dass dort auf neue Covid-Patienten gewartet werde. In der Städteregion Aachen waren am Montag 276 von 295 Intensivbetten belegt.

Neben Remscheid und Köln waren in der Städteregion verhältnismäßig die wenigsten Intensivbetten verfügbar. Das ging aus einer Statistik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin hervor.

Im Pausenraum der Belegschaft auf der Intensivstation stehen angebrochene Wasserflaschen, zwischendurch isst ein Arzt einen Pudding. Aber keiner bleibt lange im Raum. Aus den Lautsprechern eines Bildschirms dröhnt es ununterbrochen.

Damit wird der Zustand der Patienten angezeigt. „Alle 70 Minuten soll man rausgehen, die Maske abziehen und was trinken. Meistens ergibt sich die Situation aber nicht“, erzählt Stationsleiterin Sliwinski.

Klinik-Personal stößt an seine Grenzen: Personalmangel und Überstunden plagen die Pfleger

Die Schwester hatte gehofft, dass sich wegen der Pandemie etwas in der Pflege ändert. Aber: „Wertschätzung sieht anders aus“, sagt sie entschieden.

Schon um sechs Uhr morgens habe sie angefangen, obwohl ihre Schicht erst um sieben begann.„Wir hätten aber sonst nicht genug Personal gehabt.“ Auch am späten Nachmittag ist sie noch da und macht Überstunden.

Die Tage auf der Intensivstation sind lang. Das Atmen fällt dem 23-jährigen Patienten schwer. Manchmal schaut er auf, hier und da huscht ihm ein zaghaftes Lächeln über die Lippen.

Auf was er sich am meisten freut, wenn er wieder gesund ist? Er gestikuliert vorsichtig: Selbstständig wieder ein Glas Wasser trinken zu können. (dpa)