Simone Mölders aus Bottrop hat eine schwere Krebserkrankung überstanden. Auf ihren Profilen in den sozialen Medien möchte sie für das Thema sensibilisieren.
BrustkrebsFrau (40) aus NRW kämpft: „Keinen Halt mehr, mich vor einer Kamera auszuziehen“
Sie war 32 Jahre alt, als sie eine Diagnose bekam, die ihr Leben veränderte. Brustkrebs. Ein sehr aggressiver Tumor. Simone Mölders (40) durchlebte den Albtraum vieler Menschen.
Chemotherapie, Bestrahlung, eine Operation folgte der Nächsten, sie verlor ihre Brüste und ihre Eierstöcke. Doch sie kämpfte sich zurück ins Leben. Für sich, ihre drei Töchter und alle anderen Frauen, die ihr Schicksal teilen. Ihre bewegende Geschichte hat sie gegenüber EXPRESS.de erzählt.
Es war ein heißer Spätsommertag als Simone Mölders aus Bottrop (NRW) mit ihrer besten Freundin spazieren ging. Ihre Finger klemmte sie beim Laufen unter die Spagetti-Träger ihres Tops. Dabei ertastete sie an der linken Seite einen Knubbel. Ihr Frauenarzt, zu dem sie sofort ging, gab Entwarnung. Nur ein geschwollener Lymphknoten, abwarten. Sie sei noch viel zu jung, um an Krebs zu erkranken, hieß es dort. Die damals 32-Jährige suchte selber einen Spezialisten auf. Und ihre Sorge wurde zu trauriger Gewissheit.
Frau aus NRW bekam 2013 schlimme Diagnose: Aggressiver Brustkrebs
Die Diagnose: Ein sogenannter G3-Tumor zwischen Brust und Achsel. Ein sehr aggressiver Krebs, der aber Gott sei Dank „nur“ auf die Lymphknoten gestreut hatte. Die Ärzte sagten ihr eine 50-prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit voraus. Ihre erste von insgesamt neun Chemotherapie über 18 Wochen hinweg, bekam Simone Mölders im Oktober 2013.
Die dreifache Mutter erzählte ihren Töchtern (damals 6, 8 und 14) kindgerecht, dass sie nun krank sei und schwere Medikamente bekommen würde. Ein Detail, nämlich dass eine Krebserkrankung mitunter auch tödlich ausgehen kann, verschwieg sie.
Die Unwissenheit der Töchter währte jedoch nicht lange. Eine Tochter erzählte nämlich ihrer Klassenkameradin von der Krankheit ihrer Mutter. „Krebs kenne ich, deshalb ist mein Papa tot“, lautete die Antwort der Freundin, die die Welt des kleinen Mädchens zusammenbrechen ließ.
Aufgelöst fragte sie also ihre kranke Mutter: „Mama, du musst mir die Wahrheit sagen, wirst du nun auch sterben?“ Simone erinnert sich gegenüber EXPRESS.de an diesen Moment: „Das war das Schlimmste, was passieren konnte, dass die Kinder wissen, dass diese Krankheit auch tödlich verlaufen kann.“
Fortan wurden bei der Familie Tumor-Partys gefeiert. Jeweils nach zwei Chemotherapien führte der Arzt einen Ultraschall durch. „Der Tumor schrumpfte regelmäßig und diese frohe Botschaft überbrachte ich dann Zuhause“, lässt Simone die kräftezehrende Zeit Revue passieren. Nach Abschluss der Chemotherapien folgte eine Bestrahlung und anschließend eine Operation.
Vorher wurde Simone jedoch in ein Genlabor nach Köln überwiesen. „Man sagte mir, dass es wohl ungewöhnlich sei in so einem jungen Alter schon so einen aggressiven Tumor zu haben. Man vermutete eine Genmutation“, erzählt sie. Auch diese Vermutung wurde zu Gewissheit. Denn: Man stellte eine familiär vererbte Genmutation fest, die bis dato unerkannt blieb, von der Brüste und Eierstöcke betroffen sind. Die Mutation bedeutet ein extrem hohes Rückfallrisiko um 80 (Brüste) bzw. 70 (Eierstöcke) Prozent.
Im Juni 2014 ließ sich Simone deshalb beide Brüste entfernen. Vorerst wurden ihr Silikonkissen eingesetzt, die aber wenige Jahre später aufgrund einer Kapselfibrose wieder entfernt werden mussten. Inklusive ihrer Brustwarzen, da man damit das Rückfallrisiko erneut schrumpfen ließ. Dabei blieb es jedoch nicht. „Ein Jahr später musste ich mir die Eierstöcke entfernen lassen. Meine Familienplanung war Gott sei Dank abgeschlossen“, erzählt Simone.
Die Bottroperin informierte ihrer Mutter über die Mutation, da die Möglichkeit bestand, dass auch sie Trägerin des Gens sein könnte. Ihre Mutter wollte davon jedoch nichts wissen. Rund zwei Jahre später erkrankte sie schwer an Krebs.
„Ich musste meiner Mutter dann beim Sterben zuschauen. Das war elendig und war das Schlimmste, was man so sehen kann. So viele Menschen sterben so unnötig. Ich hasse innerlich meine Mutter manchmal dafür, dass sie es nicht wissen wollte“, lässt Simone EXPRESS.de an ihrer Gefühlswelt teilhaben.
Das Schicksal ihrer Mutter ermutigte sie, mit der Krankheit an die Öffentlichkeit zu gehen. Ihre Profile auf Facebook und Instagram zeigen eine starke Frau, die aufklären möchte.
„Ich mache mittlerweile gar keinen Halt mehr davor, mich vor irgendeiner Kamera auszuziehen. Ich denke, wenn es nur eine Frau dazu bewegt, zu einer Vorsorge zu gehen und auf den Körper zu hören, wenn etwas nicht stimmt, dann wäre damit schon einiges getan. In unserer Gesellschaft wird das Thema viel zu viel totgeschwiegen, obwohl statistisch jede achte Frau an Krebs erkrankt.“
Simones Diagnose liegt nun über acht Jahre zurück. Auch wenn sie das Risiko erneut zu erkranken durch all die Maßnahmen minimiert hat, rückfällig kann sie trotzdem werden. „Man entspannt sich ein bisschen, wenn man es geschafft hat, die ersten fünf Jahre zu überleben. Der Abstand meiner Kontrolltermine hat sich inzwischen auf sechs Monate verlängert. Richtig sicher ist man jedoch nie.“
Ihre größte Angst gelte jedoch ihren Töchtern. „Meine größte Angst ist nicht um mich selbst, ich hab noch nicht mal Angst vor dem Tod, ich hab mich damit sehr intensiv auseinandergesetzt. Doch wovor ich wirklich Angst habe, das, was mich wirklich umtreibt, ist: Was passiert mit meinen Kindern?“, gesteht sie. Es bestehe eine 50-prozentige Chance, dass auch sie das Gen in sich tragen.
Frau aus Bottrop eröffnet Tattoo-Studio nach überstandener Krebserkrankung
Simone hat ihr Leben seit der Erkrankung komplett umgekrempelt. Früher sei sie sehr sparsam gewesen, das habe sich verändert. Sie warte nun nicht mehr auf Momente. „Dafür ist mir mein Leben zu kurz und zu wertvoll. Ich weiß jetzt für mich, was ich will und was ich gar nicht mehr will. Ich mache jetzt alles anders als zuvor.“
Die tapfere Frau hat sich einen besonderen Traum verwirklicht. „Ich habe mich gefragt: Was ist, wenn du morgen stirbst, hattest du dann ein erfülltes, glückliches Leben? Die Antwort war ‚nein‘. Ich hab für mich beschlossen, dass ich jetzt mache, was ich wirklich will. Und ich wollte eigentlich mein Leben lang schon Tätowiererin werden.“
Gesagt, getan. Simone hat sich als Tätowiererin ausbilden lassen und nun sogar ihr eigenes Studio eröffnet. Und sie kämpft für mehr Aufmerksamkeit für das Thema Brustkrebs. Dass sie keine Brüste mehr hat, spielt für sie mittlerweile keine große Rolle mehr.
„Natürlich hatte ich am Anfang Probleme damit. Da hatte ich schon Angst, angestarrt zu werden.“ Das sei aber vorbei: „Ich bin damit mittlerweile so cool. Ich brauch das nicht mehr. So ist die Realität. Meine Lieblingsvorstellung ist, dass sich der gesamte Blick für das Thema wandelt und man nicht mehr als Außenseiterin betrachtet wird.“