In der „Top 15” der höchsten Corona-Werte sind 14 NRW-Kreise vertreten. Was sind die Gründe für den extremen, negativen Umschwung in Nordrhein-Westfalen?
14 von 15 Plätzen auf Flop-ListeNeue Zahlen schocken: Warum ist NRW der deutsche Inzidenz-Versager?
Wuppertal/Leverkusen. Den Seitenhieb konnte er sich einfach nicht verkneifen. „Die waren ja noch nie auf Platz 1, jetzt schon”, lacht der sympathische ältere Herr an einem Kiosk in Hürth, als das Thema auf die aktuelle Corona-Bilanz kommt. Mit „die” ist in dem Fall die Stadt Leverkusen gemeint, die mit miesen Inzidenzzahlen fast so viel von sich reden macht wie die legendäre Vizekusen-Mannschaft aus der Saison 2001/2002.
Bei 162,5 liegt der Inzidenzwert am Samstag (21. August) in Leverkusen, der höchste in ganz Deutschland. Alleine seit Donnerstag (124,6) ist der Wert um fast 40 Punkte gestiegen. Auf Platz zwei der deutschen Negativ-Liste folgt aktuell Wuppertal (149,8), dahinter Solingen (147,6).
NRW stellt 14 der 15 Kreise mit den höchsten Inzidenzen in Deutschland
Doch nicht die Städte sind das Problem, sondern aktuell offenbar das gesamte Bundesland. Die heftige Statistik: Von den 15 Kreisen mit den höchsten Inzidenzwerten im Land kommen am Samstag 14 aus Nordrhein-Westfalen! Alleine 20 Stadt- und Landkreise haben die Marke von 100 überschritten. Mit 91,8 (8,4 mehr als am Vortag) hat sich auch das Bundesland insgesamt an die deutsche „Spitze” gesetzt.
Doch wo liegen die Gründe? Warum ist NRW aktuell der Inzidenz-Versager in Deutschland? Nach Ansicht des Epidemiologen Ralph Brinks von der Universität Witten-Herdecke spielen die Ferientermine eine Rolle, warum NRW im Sommer wieder hohe Werte ausweise. Viele würden sich im Urlaub mit dem Virus infizieren, was oft erst bei einem Test nach der Rückkehr auffalle (und statistisch erfasst wird). Das erkläre, warum zum Beispiel Bayern, wo die Sommerferien noch andauern, derzeit eine vergleichsweise niedrige Inzidenz aufweise, sagte er der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.
Experte: Hohe Werte in NRW sind auch Folge von großen Städten
Auch die sozio-ökonomische Situation spiele eine Rolle. „Corona trifft vor allem Menschen in ärmlichen Verhältnissen“, erklärte Brinks und verwies auf die vielen größeren Städte in NRW, in denen viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Die hohen Werte in Städten wie Berlin (67,0) oder Hamburg (72,8) bekräftigt die Vermutung, dass ein Zusammenhang besteht. Städte wie Köln oder Düsseldorf haben deshalb bereits Impf-Aktionen in sozialen Brennpunkten durchgeführt.
In der neuen Corona-Schutzverordnung des Landes NRW spielt der Inzidenzwert nun nicht mehr die alleinige Rolle, wenn es um Entscheidungen bezüglich Regeln und Einschränkungen geht. Deswegen ziehen die hohen Werte auch nicht mehr automatisch neue Einschränkungen nach sich. Die Sieben-Tage-Inzidenz von 35 ist die einzige Kennziffer, ab der dann die 3G-Regeln (geimpft, genesen oder getestet) zum Beispiel für Besuche in der Innengastronomie gelten.
NRW erreicht bereits Impfquote von 67,5 Prozent aller Einwohner
Pech hat in der aktuellen Situation beispielsweise der Kreis Kleve, für den am Freitag (20. August) eine Inzidenz von 30,7 angegeben wurde. Deutlich unter der Marke von 35 und die niedrigste in ganz NRW, aber: Entscheidend für die 3G-Regeln ist die Inzidenz des Bundeslandes. Damit sind die härteren Regeln auch für Kleve wirksam, wie ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums erklärte.
Nach einer RKI-Statitstik von Freitag sind mittlerweile 61,2 Prozent aller Einwohner von NRW vollständig geimpft. Mindestens eine Spritze haben 67,5 Prozent aller Einwohner in NRW erhalten. In der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen sind 18,9 Prozent der Schüler vollständig geimpft. Eine Erstimpfung haben 30,5 Prozent in dieser Altersgruppe. (tw, mit dpa)