Fünf Monate lang hat ein Brite in einem Hühnermastbetrieb gearbeitet, der auch die englischen Filialen des Discounters Lidl beliefert. Nach der Veröffentlichung der Aufnahmen gibt es nun neue Vorwürfe.
„Lidl lügt“Harte Kritik am Discounter: „Hühnerfleisch von Betreiber der Horror-Farm“
Der Streit zwischen Lidl und Tierschutzorganisationen geht in die nächste Runde.
Nachdem Mitte Juni schockierendes Videomaterial aus dem Hühnermastbetrieb eines Lidl-Lieferanten aus England veröffentlicht wurde, erklärte der deutsche Discounter in Großbritannien, gar nicht von dem „entsprechenden Lieferanten beliefert“ zu werden, wie der „Daily Mirror“ berichtet.
Tierschutzorganisation erneuert Vorwürfe gegen Lidl mit neuen Beweisen
Die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ hat jedoch Fotomaterial vorliegen, das belegen soll: „Lidl lügt!“ Der Discounter beziehe „doch Hühnerfleisch von Betreiber der Horror-Farm“.
„Aktivist:innen fotografierten am Wochenende mehrere Hühnerfleisch-Verpackungen der Lidl-Marke ‚Birchwood‘ mit dem Aufdruck ‚GB 2037‘“, heißt es in einer Pressemitteilung von Dienstag (27. Juni 2023).
Diese Nummer sei dem entsprechenden Schlachthof zugeordnet. „Alle Schlachthöfe in Großbritannien haben eindeutige vierstellige Codes, die auf der Verpackung angegeben werden müssen. Die Liste der Codes wird auf einer Regierungswebsite veröffentlicht und monatlich aktualisiert. Das Fleisch auf den Fotos stammt also eindeutig von dem Lieferanten, der Lidl GB angeblich nicht (mehr) beliefert“.
Hühnermastbetrieb in Grafschaft Lincolnshire
Zuvor hatte Tom Herok, von dem die Aufnahmen stammen, für fünf Monate in dem englischen Hühnermastbetrieb mit angepackt und dabei die grausamen Entdeckungen gemacht.
Zwischen Juli und September 2022 entstanden von ihm die Filmaufnahmen in dem Betrieb in der Grafschaft Lincolnshire, in dem zwischen drei- und vierhunderttausend Tiere pro Mastdurchgang leben, verteilt auf zehn Ställe.
Lidl in Großbritannien: Unfassbare Aufnahmen aus Hühnermastbetrieb
Das brisante Material hat Herok im Anschluss an Tierschutzorganisationen durchgestochen. Aufnahmen, die durch Mark und Bein gehen: Zahlreiche Hühner werden mit Gabelstaplern überfahren und schwer verletzt liegen gelassen.
Das sei eben „Teil der Arbeit“, heißt es von Mitarbeitenden. Die Tiere auf den Fotos und Videos sehen schwer gezeichnet aus – durch Überzüchtung und miserable Haltung, wie Herok dem Betrieb vorwirft.
Brisant: Die dort gehaltenen Hühner landeten zu dem Zeitpunkt der Dokumentation unter der Lidl-Eigenmarke „Birchwood“ im britischen Handel. Außerdem sei der Mastbetrieb, aus dem die Aufnahmen stammen, mit dem britischen Label „Red Tractor“ zertifiziert, das bessere Haltungsbedingungen verspricht.
Eine Tierschutzorganisation, Open Cages, hat Strafanzeige erstattet. Wegen möglicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und gegen die Verordnungen über das Wohlergehen von Nutztieren und das Wohlergehen von Tieren beim Transport erstattet.
Mitarbeitender packt aus: „Eine der schlimmsten Erfahrungen“
Herok selbst erzählt dem Bericht nach, dass die Arbeit in dem Mastbetrieb „eine der schlimmsten Erfahrungen“ seines Lebens gewesen sei. „Die Menschen essen jeden Tag Hähnchen, aber die Einzelhändler verschweigen ihnen die Wahrheit.“
Der Brite sei bereits am ersten Arbeitstag gewarnt worden, dass er erleben werde, wie Hühner überfahren werden. Und tatsächlich zeigen die Aufnahmen unter anderem ein Huhn mit gebrochenen Beinen, das sich wegzuschleppen versucht.
Ein anderes liegt schwer verwundet am Boden. Ein Tier ist so schwer verletzt, dass die Organe frei liegen. An einigen Orten sind Stapel mit toten Tieren zu sehen.
Hier bei unserer Umfrage mitmachen:
Einer der Mitarbeitenden erklärt zudem, dass die Tiere durch die hohe Fäkalienkonzentration im Stall Ammoniakverbrennungen an den Füßen erleideten.
Lidl-Versprechen: Ab 2026 30 Prozent des Fleisches Haltungs-Stufe 3 und 4
Nachdem Lidl versprochen hatte, diese Fälle zu prüfen und sich auf seine „Tierwohl“-Versprechen berief, dass ab 2026 30 Prozent des Frischfleischs aus der Haltungsform-Stufe 3 und 4 stammen soll, erklärte Lidl UK nun gegenüber britischen Medien, nicht mehr von der Skandal-Farm beliefert zu werden.
Laut „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“ würden Codes auf Hühnerfleischpackungen belegen, dass der Discounter zum Zeitpunkt der gravierenden Verstöße im September 2022 (und auch bis mindestens Dezember 2022) von der Farm beliefert wurde. Dies hätten die britischen Organisationen kleinteilig recherchiert.
Mahi Klosterhalfen, Präsident der „Albert Schweitzer Stiftung“, sagt: „Lidl will 2026 immer noch 70 Prozent seines Fleischs aus garantiert tierquälerischer Massentierhaltung und Qualzucht verkaufen.“ Wie das aussehe, habe die Stiftung nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland, Spanien, Italien und Österreich dokumentiert. Klosterhalfen: „Im gleichen Zeitraum stellen Aldi und andere beim gesamten Hühnerfleischsortiment auf die Tierschutzstandards der Europäischen Masthuhn-Initiative um. Lidl versagt katastrophal beim Tierschutz.“
Aldi, Bünting, Globus, Norma und Tegut haben sich bereits der Europäischen Masthuhn-Initiative angeschlossen, wollen zu 100 Prozent auf die höheren Standards umsteigen. Rewe hat ebenfalls Bereitschaft signalisiert – wenn die anderen großen Supermärkte mitziehen. Lidl hat sich bislang immerhin in Frankreich und den Niederlanden angeschlossen. (mg/spol)