Er war rund vier Jahre beim Spezialeinsatzkommando. Hier packt der frühere SEK-Mann Kuni aus – und räumt mit so manchem Vorurteil auf.
„Mit der Faust erreichst du da wenig“SEK-Insider packt über die Polizeitruppe aus
Wie muss jemand ticken, der täglich sein Leben in vorderster Reihe riskiert, um andere Menschen zu retten? Der auch bereit ist, Schwerstverbrecher auf dem Weg zum Gericht zu schützen? Der für eine kleine „Aufwandsentschädigung“ Stunde um Stunde in brenzlichen Situationen ausharrt?
Kuni – so sein Deckname – hat es am eigenen Leib erfahren. Sein Buch „Inside SEK“ preschte so schnell in die Spiegel-Bestsellerliste wie der SEK-Mann einst mit Sturmgewehr zu Einsätzen. Darin packt er über die mythenumrankte Elitegruppe aus. Bei EXPRESS.de räumt er mit einigen Vorurteilen auf.
SEK-Insider: So hart ist die Ausbildung wirklich
Kuni ist 29 Jahre alt, war gut vier Jahre beim SEK und hat dem „Verein“ vor gut zwei Jahren den Rücken gekehrt. „Das Feuer war einfach nicht mehr da. Die verkrusteten Behördenstrukturen verhindern eine freie Entfaltung“, sagt er. Für ihn sei die Reise definitiv zu Ende, aber den Einsätzen und den Kollegen trauere er schon noch nach, gesteht er.
Kuni ist jetzt als Content Creator auf YouTube und Co. unterwegs und kann davon als SEK-Insider besser leben als zu Zeiten, in denen der junge Polizist mit magerer SEK-Zulage auf 2500 Euro netto kam. EXPRESS.de hakte nach:
- Gibt es viele Waffennarren? Rechtsextreme Chats, rüde Aufnahmerituale. Das SEK steht wegen einiger schwarzer Schafe in seinen Reihen auch selbst am Pranger. Doch Kuni will die Ausnahmen nicht zur Regel machen: „Viele glauben, die SEK-Männer, das sind doch alles nur durchgeknallte Adrenalinjunkies, die gern rumballern. Das ist totaler Quatsch. Ich glaube, den meisten geht es so wie mir: Da ist zum einen der Idealismus, der Menschheit helfen zu wollen in Krisensituationen. Zum anderen aber natürlich auch der Wettkampf-Aspekt, über sich selbst hinauszuwachsen, besser sein zu wollen als die anderen.“ Es habe auch bei ihm gedauert, bis er den überehrgeizigen Ego-Weg verlassen habe, denn im Einsatz „musst du nicht für dich, sondern fürs Team arbeiten“.
- Wie viele schaffen SEK-Ausbildung? Es gibt einen Spruch, der beim SEK gerne zitiert wird: „Wer im Krieg Wölfe will, darf im Frieden nicht Schafe züchten.“ Die Ausbildung ist extrem, zugelassen werden nur wenige Polizisten und davon brechen viele ab. Kuni sagt, die Hälfte sei nach acht Wochen raus. Wenns ein guter Lehrgang sei, schaffen es von „fiktional sagen wir mal 50 Bewerbern vielleicht sechs bis neun.“
- Wie hart ist das Training wirklich? So hart, dass mancher sich zwischendurch auf der Toilette übergeben müsse. Hunderte Rollen vor und rückwärts, Seilklettern, ohne die Beine zu benutzen, Liegestützen, Schießen unter flackerndem Stroboskoplicht – mit Helm und schwerer Weste. Der schlimmste Tag, der ihm in Erinnerung geblieben ist: „Erst acht Stunden beim THW, mit Häuserparcours, Dunkelparcours und Endlosleiter in voller Montur. Feierabend? Von wegen! Danach wurden wir einzeln mit Karte und Kompass ausgesetzt und mussten jeder 68 Kilometer marschieren.“
SEK-Mann Kuni: Wegen eines Einsatzes ist er noch in Therapie
- Sein erster Einsatz: Er führte Kuni zu einem durchgeknallten Macheten-Mann, der mit der Waffe allerdings gut umgehen konnte. Mit einem Taserschuss konnte er außer Gefecht gesetzt, mit Distanzstangen gegen die Wand gedrückt werden. „Das Ganze dauerte vielleicht zehn Minuten“, erinnert sich Kuni. Aber es sei richtig gewesen von der Streife, das SEK zu holen, denn ein normaler Streifenpolizist sei mangels Training oder fehlendem Material oft gar nicht in der Lage, so schnell zu reagieren. Er verweist auf den tödlichen Messerangriff in Mannheim. „Sollte sich jemand mit einem Messer in der Hand entschließen, auf dich zuzustürmen, ist eine Distanzstange, wie wir sie dabeihaben, Gold wert. Denn selbst ein unsportlicher Mensch ist in der Lage, in einer Sekunde Meter zurückzulegen und zuzustechen.“
- Was müsste beim Dienst an der Waffe besser laufen? Kuni kritisiert insbesondere, dass Polizisten viel zu wenig an der Pistole geschult werden. „Polizisten haben ein bis zwei Schießstunden im Jahr mit 30 bis 40 Schuss. Unverantwortlich.“
- Und was war Kunis härtester Einsatz? „Das war ein Einsatz, über den ich nicht sprechen darf, weil er eine hohe Geheimhaltungsstufe hat.“ Aber da blieben viele von den Hunderten pro Jahr in Erinnerung: Der Fremdenlegionär mit halb verhungerten Dobermännern, der nackte Gitarrenspieler, die entsetzte Familie, „weil wir in der falschen Wohnung waren“. Aber auch der Personenschutz für Igor K. ein Mann mit Macht und Geld, in seiner Heimat niedergestreckt mit 27 Schüssen. Er sollte in einer deutschen Spezialklinik operiert werden. „Das Krankenhaus wurde zum Hochsicherheitstrakt, um die anderen Patienten nicht zu gefährden.“ Über einen seiner Einsätze dürfe er zwar reden, könne es aber nicht, sagt Kuni leise. „Deshalb bin ich heute noch in Therapie.“
- Das nervt ihn an SWAT-Filmen: „Die springen immer durch Oberlichter. Aber im Film zerbirst nur Zuckerglas.“ Richtiges Glas könne verdammt scharfkantig sein, solche Aktionen bedürften einer großen Vorbereitung. Außerdem sei Doppelverglasung heutzutage ja der Mindeststandard, schmunzelt er. „Mit der Faust erreichst du da wenig.“ Deshalb würde das SEK am liebsten den Weg durch die Tür wählen. „Idealerweise eine Holztür. Kunststoffrahmen federn zurück, da braucht man oft eine Ramme.“ Doch am meisten nervt ihn, dass Ermittlungsbeamte immer neben den SWATlern herlaufen im Einsatz: „Totaler Schwachsinn!“
SEK-Ausrüstung von Messer und MP bis Schutzschild und Sturmhaube
Zumindest die Ausrüstung ähnelt wirklich der, die in Actionfilmen gezeigt wird. SEK-Einsatzkräfte haben gegenüber der Streifenpolizei eine erweiterte Ausrüstung, die zum Beispiel aus einer bis zu 15 Kilogramm schweren, beschusshemmenden Weste mit Stichschutz, einer Sturmhaube und einem ballistischen Helm besteht.
Zur Taschenausrüstung gehören teilweise eine Atemschutzmaske, ein Funkgerät und ein Mehrzweckmesser. Verbreitet sind Pistolen der Hersteller Glock, Sig-Sauer, Heckler & Koch und Walther (zum Beispiel Walther P99). Daneben werden häufig Maschinenpistolen wie die HK MP5 und die HK MP7 genutzt. Auch Sturm- und Scharfschützengewehre kommen zum Einsatz.
Repetierflinten dienen mit Sondermunition zum Öffnen von Türen, mit Flintenlaufgeschossen werden sie gegen bewaffnete Straftäter mit Schutzweste eingesetzt. Außerdem verfügen die Einheiten über Ausrüstungsgegenstände wie ballistische Schutzschilde, Elektroimpulsgeräte und Explosivmittel zum Eindringen in Gebäude.