Serien-KillerOrgane entnommen, extrem grausam: Die perverse Psyche von Manfred S.

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Familienvater und Saxofonist Manfred S., der auf dem zweiten Bildungsweg studierte.

Im Fall des mutmaßlichen Serienmörders Manfred S. (†67) sind inzwischen 50 Hinweise eingegangen. Laut Landeskriminalamt Hessen auch welche, „die interessant sein könnten“.

Mit „Glück“ vielleicht sogar ein „Volltreffer“, hofft das Team „Alaska“, dem auch Profiler angehören.

Das scheinbar Normale

Die Polizei bringt den 2014 verstorbenen Manfred S. aus Schwalbach am Taunus mit bis zu zehn Tötungsdelikten in Verbindung, darunter mit dem Mord an fünf Prostituierten und dem 13-jährigen Tristan aus Frankfurt-Höchst, der 1998 ermordet und verstümmelt wurde.

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Ist es möglich, dass Familie und Freunde über Jahre nichts mitbekommen? Und wie kommen Profiler solchen Serientätern auf die Spur, enttarnen das scheinbar Normale?

Perverse Pornos

Die Ermittlungen zu dieser grausamen Mord-Serie begannen mit Tod des Täters.

Es muss grausam gewesen sein: In einer Garage, die der verstorbene Vater angemietet hatte, wollte die Tochter von Manfred S. aufräumen. Sie entdeckt Teile einer Frauenleiche, seit mehr als zehn Jahren versenkt in zwei blauen Tonnen.

Als die Polizei dann auch noch 32.000 Fotos von perverser, sexueller Gewalt auf dem Computer des Vaters findet, die „fast eins zu eins“ (Polizei) den Verletzungen des Opfers entsprechen, bricht für die Familie eine Welt zusammen.

Der „normale Familienvater“ (Polizei) Manfred S., den Freunde als gesellig und musikalisch beschreiben, war offenbar ein sadistisches Monster.

Die Fall-Analyse

Im Fall von Manfred S. registrierten die Ermittler vor allem eines: Es fehlten Organe.

Fall-Analytiker wurden herangezogen, sogenannte Profiler. „Die Analytiker ziehen Schlüsse aus der Situation am Tatort, aus der Art der Verletzungen des Opfers – bzw. hier aus dem Vorfinden der Leiche – um sich dann dem Tathergang und dem Motiv anzunähern und schließlich die Frage beantworten zu können: Wer tut so etwas?“, erklärt Axel Petermann.

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Familienvater und Saxofonist Manfred S., der auf dem zweiten Bildungsweg studierte.

Er war Chef der Dienststelle „Operative Fallanalyse“ der Kripo Bremen.

So gebe es bei Leichenverstümmelungen die „defensive“ (zur Beseitigung des Opfers) und die „offensive“ Verstümmelung – wie in diesem Fall.

Wenn Organe fehlten oder herausoperiert würden, so Petermann, spreche das für „zielgerichtetes, sadistisch-sexuelles und/oder nekrophiles Verhalten.“

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In der Garage von Manfred S. fand seine Tochter Leichenteile in blauen Tonnen.

Organe entnommen

Während das psychologische Täterprofil bei der Fahndung helfen soll, dient die „Handschrift“ des Täters, der „Modus Operandi“ bei der Tatausführung als Vergleichsvorlage zu anderen Taten.

„Im Fall von Manfred S. haben wir das Vorgehen mit allen ungeklärten Morden verglichen, bei denen die Opfer auf ähnliche Weise verstümmelt wurden“, bestätigt LKA-Sprecher Christoph Schulte unserer Zeitung.

Weit mehr als die jetzt herausgefilterten zehn Fälle entsprachen dem Tatmuster: Körperteile und Organe des Opfers fehlen.

Grausame Details

Der Abgleich der Fälle wird anhand einer Wahrscheinlichkeits-Skala vorgenommen.

Wie viele grausame Details passen: etwa die Schnittführung, die Art der fehlenden Leichenteile, das Arrangieren des Opfers und seiner Sachen, das verwendete Messer - und was stimmt nicht überein.

Beispiel: „Der Fall von Tristan sorgt zwar für Aufsehen“, so Schulte, „weil er noch ein Junge war, als er ermordet wurde.“ Doch hier sei die Wahrscheinlichkeit, dass S. der Täter war gerade „nicht sehr hoch“.

Tristan war ein Junge, keine Frau. Die Leichenteile, die entfernt wurden, deuteten eher auf einen homosexuell-pädophil veranlagten Täter.

Tristans Schuhe wurden auffallend sorgfältig nebeneinander auf den Beinen des toten Jungen abgestellt. Nur in einem weiteren Fall wurde ähnlich auffällig „aufgeräumt“.

Allerdings haben die Ermittler sowohl im Fall Tristan als auch bei den Frauen-Morden, die Manfred S. mit höherer Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden können, Spuren gefunden, die auf einen Mittäter hindeuten.

Software gegen Serientäter

Beim Vergleich der Vorgehensmuster können die Ermittler auf eine spezielle Software zurückgreifen: VICLAS (Violent Crime Linkage Analysis System).

„Sie basiert auf einem Fragebogen, der in Kanada entwickelt wurde“, erläutert Petermann, der jetzt Bestseller schreibt („Der Profiler“, Heyne Verlag). Jeder Mord wird anhand von 168 Fragen genau beschrieben und in VICLAS registriert.

Ein Doppelleben braucht Freiräume

In allen Fällen, die Manfred S. zugeordnet werden, wurden grausame, sexuelle Gewalt-Fantasien bis hin zum Kannibalismus ausgelebt. Doch LKA-Sprecher Schulte bestätigt auch: „Bis zu seinem Tod ist er niemals polizeilich aufgefallen.“ Seine Familie ahnte nichts von dem Doppelleben.

„Serientäter versuchen natürlich, ihre Taten und mögliche Vorbereitungen zu verbergen“, so Petermann. „Oft sind es Sonderlinge, die schon als Kind abseits standen, Tiere gequält, keine Empathie entwickelt haben.“

Gebe es eine Familie, so brauche der Serientäter einen Freiraum: „Das kann ein Raum sein, den niemand betreten darf. Das kann aber auch eine Arbeit sein, die es ermöglicht, oft unterwegs zu sein.“ S. war freiberuflich tätig, als Entrümpler und Gärtner.

Fassaden-Ehe

Fast alle Menschen behalten ihre sexuellen Neigungen und Vorlieben auch nach Einschätzung des Sexualpsychologen Christoph Joseph Ahlers weitgehend für sich.

„Wir wissen von der Sexualpräferenz der Menschen in unserer Umgebung herzlich wenig, sogar von der unserer Partnerin oder unseres Partners“, sagte der Mitbegründer und wissenschaftliche Leiter des Instituts für Sexualpsychologie in Berlin. „Viele Menschen mit ungewöhnlichen oder abweichenden Sexualpräferenzen leben in Fassaden-Ehen.“

Jeder vierte Mann hat sexuelle Macht-Fantasien

Eine leichte Ausprägung von sexuellem Sadismus hätten viele Menschen, so Sexualpsychologe Ahlers. „Da geht es um Dominanz und Unterwerfung, um „Shades of Grey“, Fessel- und Rollenspielchen.“

Es gebe auch Leute, für die das ein „richtiges sexuelles Reizmuster“ sei, das sie bräuchten, um sexuell erregt zu werden. Wenn aus destruktiven Fantasien aber verletzende Handlungen würden, lasse sich sexueller Sadismus nicht mehr einvernehmlich ausleben.

Bis zu einem Viertel aller Männer hätten Untersuchungen zufolge, Vorstellungen und Fantasien, bei denen es um Macht, Dominanz, Ausgeliefertheit und Unterwerfung eines anderen gehe, so Ahlers. „Damit stellt sexueller Sadismus nach Voyeurismus und Fetischismus die dritthäufigste abweichende Sexualfantasie dar.“

Familie will sich täuschen lassen

Dass die Familie nichts bemerkt, hält auch Ex-Profiler Petermann für möglich: „Serienmorde sind selten. Und man vertraut den Menschen, die einen umgeben.“ Also bringe man selbst bei Ungereimtheiten den Menschen nicht mit solchen Taten in Verbindung.