Profiler über True Crime-Fall„Barbie und Ken“: Warum das Gruselpaar foltert, vergewaltigt und mordet

Misha Collins und Laura Prepon im Film "Karla"

Über den grausigen Fall der „Barbie und Ken“-Serienmorde wurde 2006 auch ein Film („Karla“) gedreht. Misha Collins (l.) spielt die Rolle des Paul Bernardo, Laura Prepon die von Karla Homolka.

In den 1990er Jahren sorgt eine Vergewaltigungs- und Mordserie in Kanada für Entsetzen. Ein junges Ehepaar wird gemeinsam zu Tätern. Stoff für einen packenden True-Crime-Roman.

von Alexandra Miebach  (mie)

Kanada, 1993. Nachdem ihr Mann Paul Bernardo sie krankenhausreif geprügelt hat, stellt sich die damals 22-jährige Karla Homolka der Polizei. Sie gibt zu, gemeinsam mit ihrem Ehemann Mädchen entführt, gefoltert, vergewaltigt und ermordet zu haben – stellt ihn aber als treibende Kraft hinter den Gräueltaten dar.

Von den Medien werden die beiden „Ken and Barbie of Murder and Mayhem“ genannt. Ein junges Ehepaar, das gemeinsam mordet: Das klingt nach spannendem Stoff. Das dachten sich auch Profiler Axel Petermann und Autorin Petra Mattfeldt.

„Barbie und Ken“: Profiler erklärt ihre finsteren Seelen

Paul Bernardo (heute 59) ist das jüngste Kind von Kenneth Walter Bernardo und seiner Frau Marilyn Elizabeth. Der Vater vergeht sich vor den Augen der ganzen Familie mehrfach an Pauls älterer Schwester Debra – und wird später wegen Voyeurismus und Pädophilie angeklagt. Trotz der schwierigen Familienverhältnisse präsentiert sich Paul als glückliches Kind, entwickelt dann aber in der Jugend pyromanische Neigungen und dunkle sexuelle Fantasien.

Im Laufe seines Lebens wird der Sadist zum brutalen Serienvergewaltiger und -killer werden. „Dass solche Fantasien entstehen, kann viele Gründe haben“, erklärt Profiler Axel Petermann im Gespräch mit EXPRESS.de. „Es kann an negativen Erlebnissen in der Kindheit liegen. Täter können diese Gedanken nicht kontrollieren; sie wachsen einfach und bleiben lebenslang.“

Paul Bernardo 19933

Paul Bernardo nach seiner Festnahme im Jahr 1993.

1981 erfährt Bernardo, dass er das Ergebnis seiner außerehelichen Affäre seiner Mutter, und Kenneth folglich gar nicht sein leiblicher Vater ist. Daraufhin ist er so angewidert von seiner Mutter, dass es zum Bruch kommt.

Zu College-Zeiten gibt er sich als Frauenheld, reißt junge Frauen in Bars auf und hat Spaß daran, diese in der Öffentlichkeit zu erniedrigen. Er findet Freunde an aggressivem Analverkehr und droht seinen Partnerinnen damit, sie umzubringen, wenn sie den Missbrauch offenlegen. Zwischen 1987 und 1990 vergeht sich Bernardo an etlichen Frauen. Die Medien nennen den brutalen unbekannten Serienvergewaltiger den „Scarborough Rapist“.

Am 20. November 1990 wird er im Zusammenhang mit den Vergewaltigungen von der Polizei verhört. Er gibt freiwillig eine DNA-Probe ab, die aber erst im Dezember 1992 untersucht wird – es gibt damals zu wenige Labore, die das können.

Im Oktober 1987 lernt der damals 23-Jährige die 17-jährige Karla Homolka (heute 54) kennen. Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Homolka fördert sein sadistisches Sexualverhalten. Die junge Beziehung wird von der Tatsache belastet, dass Karla zum Zeitpunkt des Kennenlernens keine Jungfrau mehr ist, was Bernardo wichtig ist.

Um ihren Partner zu beschwichtigen, macht Homolka ihm zu Weihnachten 1990 (das junge Paar lebte damals bei Karla Homolkas Familie in St. Catharines) ein perverses Geschenk: die Jungfräulichkeit ihrer 15-jährigen Schwester Tammy.

Am Abend des 23. Dezembers betäubt sie die Teenagerin mit Schlafmitteln in einem Drink. Bernardo vergewaltigt das bewusstlose Mädchen. Um sicherzugehen, dass Tammy nicht aufwacht, hält Homolka ihrer Schwester während der Tat ein mit Betäubungsmitteln getränktes Tuch vor Mund und Nase. Sie vergeht sich ebenfalls an ihrer Schwester.

Profiler Axel Petermann: „Gewalt in der Familie ist weit verbreitet“

Doch noch während der grausigen Tat erstickt Tammy an ihrem Erbrochenen – und wird so ungeplant zum ersten Todesopfer des Killer-Paares. Tammys Tod wird als Unfall eingestuft. Offizielle Version: Sie habe sich im Alkoholrausch übergeben. Vermutet wird später, dass ihr Tod durch die Betäubungsmittel herbeigeführt wurde.

Aber wie kommt ein Mensch dazu, seiner eigenen Schwester so etwas anzutun? Axel Petermann: „Gewalt in der Familie ist weit verbreitet. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Vermutlich war Karla Homolka von Paul Bernardo abhängig und wollte ihm gefallen. Und sie wollte wohl entscheiden, an wem er seine Fantasien ausleben kann. Diese Wünsche hat sie über das Leben ihrer Schwester gesetzt.“

Anfang 1991 ziehen Bernardo und Homolka in ein Haus in Port Dalhousie, einem Stadtteil von St. Catharines. Dorthin lädt Karla auch eine Freundin ihrer verstorbenen Schwester ein, die das Paar ebenfalls betäubt und vergewaltigt. Die Teenagerin überlebt den Vorfall, ohne sich daran zu erinnern.

Am 15. Juni 1991 verschleppt Bernardo die 14-jährige Leslie Mahaffy und bringt sie in das Haus des Paares. Tagelang vergewaltigen und foltern sie das junge Mädchen. Als Bernardo keine Lust mehr auf Mahaffy hat, erdrosselt Karla Homolka die Schülerin. Mit einer Motorsäge zerstückeln sie die Leiche, gießen die sterblichen Überreste in Beton und versenken die Blöcke im Stausee Lake Gibson.

14 Tage nach der Entführung, am 29. Juni 1991, heiraten die beiden. Zur selben Zeit werden Leichenteile von Leslie Mahaffy in dem Stausee gefunden, weil sich der Wasserspiegel gesenkt hat. Am 16. April 1992 entführt das Ehepaar die 15-jährige Kristen French, als diese auf dem Rückweg von der Schule ist. Auch sie halten sie mehrere Tage gefangen, foltern und vergewaltigen sie, bevor sie das Mädchen töten und die Leiche im Straßengraben entsorgen. Grausig: All ihre Taten nehmen Karla Homolka und Paul Bernardo auf Video auf.

Blankes Entsetzen nach dem Gerichtsurteil

Warum machen Täter sowas? Axel Petermann: „Die Täter sind der Meinung, dass sie da gerade etwas Großes machen und filmen das als Andenken.“ Am 27. Dezember 1992 verprügelt Paul Bernardo seine Frau so heftig, dass zahlreiche blaue Flecken zurückbleiben. Besorgte Arbeitskollegen informieren am 4. Januar 1993 Homolkas Eltern, die ihre Tochter in eine Klinik bringen, wo sie Anzeige gegen ihren Ehemann erstattet.

Im Zuge dessen gesteht sie die grausigen Taten, die das Ehepaar gemeinsam begangen hat, stellt aber Bernardo als treibende Kraft hinter all dem dar und drückt sich selbst in die Opferrolle. Schlechtes Gewissen oder Kalkül? „Ich glaube nicht, dass sie ein schlechtes Gewissen gegenüber den Opfern hatte. Sie hat die Gunst der Stunde genutzt, um einen Deal mit den Ermittlern auszumachen und eine möglichst milde Strafe zu bekommen“, vermutet der Profiler.

Und ihre Rechnung geht auf: Karla Homolka wird am 5. Juli 1993 wegen Totschlags zu zwölf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt – die sie komplett absitzt. Am 4. Juli 2005 wird sie aus dem Gefängnis entlassen – in Kanada herrscht blankes Entsetzen. Sie heiratet später den Bruder ihres Anwaltes „fraglich, wie es dazu kommen konnte“, findet Axel Petermann. Das Paar hat einen Sohn und soll auf der karibischen Insel Guadeloupe leben.

Paul Bernardo wird am 17. Februar 1993 verhaftet. Die Auswertung der DNA-Analyse hat ihn als den gesuchten Scarborough Rapist entlarvt. Die Aussagen Homolkas belasten ihn ebenfalls schwer. Vor Gericht sagt sie als Kronzeugin gegen ihn aus. Der Polizei erzählt sie auch, dass er damit geprahlt habe, bis zu 30 Frauen, doppelt so viele, wie die Polizei vermutet hatte, vergewaltigt zu haben.

Im September 1994 finden Ermittler dann die Videoaufnahmen der grausamen Taten des Ehepaares. Darauf ist klar zu sehen, dass Homolka (entgegen ihrer Aussage) aktive Täterin war. „Das ist das Besondere an dem Fall“, so Petermann. „Es ist ungewöhnlich, dass hier nicht nur ein Mann seine sadistischen Fantasien auslebte, sondern das gemeinsam mit einer Frau tat, die nicht nur die Opfer besorgte. Karla Homolka hat sich selbst am Leid der Opfer ergötzt. Dass Frauen sadistisch motiviert sind, ist eher selten.“

Weil aber nach kanadischem Recht eine erneute Verurteilung wegen derselben Straftat auch auf Grundlage der neuen Beweise nicht möglich war, blieb es bei der milden Strafe für die Serienkillerin. Paul Bernardo wird im Sommer 1995 in Toronto unter großem öffentlichen Aufsehen der Prozess gemacht – die Aussage seiner Ex-Frau und die Videoaufnahmen der grausamen Taten können bei seinem Prozess verwendet werden. Urteil: lebenslange Freiheitsstrafe und die Einstufung als gefährlicher Straftäter, was eine Entlassung aus der Haft nahezu ausschließt. Er sitzt noch hinter Gittern.