Sturmtief „Nadia“ tobt über Norddeutschland. Besonders hart betroffen ist Hamburg, wo es eine Sturmflut gab. Eine Verschnaufpause gibt es nicht: Dem Deutschen Wetterdienst (DWD) zufolge soll der Sturm noch bis Sonntagvormittag andauern.
Sturmtief NadiaHunderttausende ohne Strom +++ erschreckende Bilder von Langeoog
Tief „Nadia“ hat dem Norden Deutschlands eine stürmische Nacht beschert. Umgestürzte Bäume, umherfliegende Gegenstände, verspätete Züge und eingestellte Fährverbindungen, zudem steht der Hamburger Fischmarkt unter Wasser – das sind die sichtbaren Folgen des angekündigten Sturmtiefs.
Auf der Nordsee mussten sich Seeleute bei Windstärke 10 auf einen Frachter abseilen. Das Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnt bereits vor der nächsten Sturmflut. Und ein Ende des Sturms ist noch nicht in Sicht.
Die aktuellen Sturm-Informationen im Überblick
- Auch die Nordseeinsel Langeoog blieb von Nadia nicht verschont. Aktuelle Bilder zeigen, wie die Sturmflut Tausende Tonnen Sand wegspülte. Für den Küstenschutz ist das eine Katastrophe.
- Auch in Polen hat Sturmtief Nadia für Verwüstung gesorgt. Rund 680.000 Haushalte waren zeitweise ohne Strom. Ein 27-jähriger Mann starb, als in Pommern ein Baum auf sein Auto stürzte.
- In Hamburg setzte nachts schon eine Sturmflut große Teile des Hafens unter Wasser. Nun droht bereits die nächste. So warnt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) besonders für die Bereiche an der ostfriesischen Küste. Besonders gefährlich soll es am Nachmittag werden.
- Mit Windgeschwindigkeiten von weit über 100 km/h fegte Nadia heute Nacht über Deutschland hinweg. Die höchste Geschwindigkeit wurde auf Hallig Hooge (Nordfriesland) gemessen. Hier lag das Tempo bei 127 km/h.
- Am Sonntagmorgen um 8.10 Uhr hat die Feuerwehr Berlin den Notstand Wetter ausgerufen. Bewohner der Stadt werden dazu angehalten, in ihren Wohnungen und Häusern zu bleiben.
- Der Bahnverkehr ist immer noch in weiten Teilen des Landes gestört. Dies würde vermutlich noch bis in die Mittagsstunden hinein dauern. Ob ihr Zug fährt, erfahren Sie bei bahn.de
- Auf der Nordsee mussten sich Seeleute bei Windstärke 10 auf einen Frachter abseilen.
- Im neubrandenburgischen Beelitz wurde ein junger Mann von einer Sturmböe erfasst. Er wurde von dem Metallgestänge eines Wahlplakats getroffen und erlag seinen schweren Verletzungen.
- Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Orkanböen der Stärke 11.
- In den letzten 24 Stunden wurde die Feuerwehr Hamburg zu 1.600 Einsätzen alarmiert, davon 450 wetterbedingte Alarmierungen. Das Notrufaufkommen erhöhte sich zeitweilig auf 320 Anrufe pro Stunde.
- Um 00:07 Uhr wurde der Hamburger Leitstelle ein PKW mit Insassen im Wasser in der Hafencity gemeldet. An der Einsatzstelle fanden die Kräfte 8 PKW im Wasser vor. Menschen befanden sich nicht an der Einsatzstelle.
- Um 21:29Uhr kollidierte eine Schute mit der Freihafen- Elbbrücke und verkeilte sich darunter. Die A255 musste kurzfristig gesperrt werden. Zwei Personen konnten vom Havaristen gerettet werden. Das Schiff wurde gegen 03:30Uhr vom Löschboot „Branddirektor Westphal“ freigeschleppt und zum Kirchenpauerkai verholt.
- Um 18:20Uhr und 18:40Uhr kam es im Bereich Bergedorf und Hausbruch jeweils zu Störungen im Bahnverkehr durch umgestürzte Bäume auf Bahnstrecken und Oberleitungen.
- Seit 17:45Uhr (29. Januar 2022) ist der Betriebszustand „Ausnahme“ geschaltet. Neben Kräften der Berufsfeuerwehr waren 60 Freiwillige Feuerwehren und 4 Züge des THW im Einsatz.
Schwere Sturmflut: Fischmarkt in St. Pauli unter Wasser
Feuerwehren und die Polizei mussten Hunderte Male ausrücken. Allein in Hamburg habe es bislang rund 300 Unwetter-Einsätze gegeben, sagte ein Polizeisprecher am frühen Sonntagmorgen, 30. Januar 2022. Zuvor hatte eine schwere Sturmflut den Fischmarkt im Stadtteil St. Pauli unter Wasser gesetzt. Der Scheitel wurde nach BSH-Angaben gegen 0.17 Uhr erreicht. Der Wasserstand lag 2,84 Metern über dem mittleren Hochwasser, wie eine Sprecherin mitteilte. Das BSH hatte in Hamburg mit Wasserständen von bis zu 3 Metern über dem mittleren Hochwasser gerechnet. Wie ein dpa-Fotograf berichtete, zog es Hunderte Schaulustige zum Fischmarkt. Durch die Überflutungen wurden demnach mehrere Autos beschädigt.
Sturmflut: Gesamte deutsche Nordseeküste betroffen
In der Nacht zum Sonntag gab es nach Angaben des BSH auch an anderen Küstenabschnitten eine Sturmflut. „Zwar nicht überall eine schwere Sturmflut wie in Hamburg“, sagte die Sprecherin. Es sei aber die gesamte deutsche Nordseeküste betroffen gewesen. In Bremerhaven habe der Scheitelwert beispielsweise bei 2,14 Metern über dem mittleren Hochwasser gelegen.
An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen.
Sturmtief Nadia: Schiff fährt sich unter Brücke fest, Frachter treibt im Meer
In Hamburg und auf der Nordsee kam es außerdem zu zwei Vorfällen mit Schiffen: Im Hamburger Hafen fuhr sich ein Binnenschiff unter einer Brücke fest. Die Schute verkeilte sich unter der Freihafen- Elbbrücke. Die A255 musste kurzfristig gesperrt werden. Zwei Personen konnten vom Havaristen gerettet werden. Das Schiff wurde gegen 03:30Uhr vom Löschboot „Branddirektor Westphal“ freigeschleppt und zum Kirchenpauerkai verholt. Die Unfallursache war zunächst unklar. Es sei möglich, dass sich der Kapitän wegen des steigenden Wasserstandes der Elbe verschätzt habe.
Der zweite Vorfall ereignete sich 16 Seemeilen (ca. 30 Kilometer) vor der ostfriesischen Küste. Dort trieb ein unbeladener Frachter mehrere Stunden im Meer. Die 190 Meter lange „Vienna“ hatte wegen des Sturms erkennbar Probleme zu manövrieren, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven am Sonntagmorgen mitteilte. Die Maschine sei zu schwach gewesen, um das Schiff gegen Wind und Wellen zu halten. Daher wurden unter anderem Notschlepper zu dem Havaristen entsandt. Der Frachter sei nach etwa sechs Stunden gesichert worden.
«Hätten wir nicht eingegriffen, wäre das Schiff zu einem Risiko für die Küste geworden, sagte der Sprecher. Die 24 Crewmitglieder blieben nach ersten Erkenntnissen unverletzt. Der Frachter, der unter der Flagge der Marshallinseln fährt, wurde nicht beschädigt. Um die Schleppverbindung herzustellen, wurden demnach mehrere speziell ausgebildete Seeleute von einem Bundespolizei-Hubschrauber auf den Frachter abgeseilt. Das Sturmtief über der Nordsee habe den Einsatz aber erheblich erschwert. Bei Windstärke 10 seien die Wellen auf der Nordsee sechs bis sieben Meter hoch gewesen.
Sturmtief Nadia: Einsätze in Schleswig-Holstein und Bremen
Zu weiteren Einsätzen kam es etwa auch in Schleswig-Holsteins. Allein im Norden des Landes mussten die Feuerwehren etwa 120 Mal ausrücken. Das sagte ein Sprecher der Regionalleitstelle, die unter anderem für Flensburg, Schleswig und Husum zuständig ist.
Die Feuerwehr in Bremen war nach Angaben eines Sprechers in der Nacht mehr als 40 Mal im Einsatz. Im Kreis Aurich in Ostfriesland wurde die Feuerwehr rund 25 Mal zu Hilfe gerufen.
Der Sturm bescherte auch Feuerwehr und Polizei in Mecklenburg- Vorpommern viele Einsätze. In Schwerin und Umgebung sei man knapp 200 Mal ausgerückt, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch in Stralsund berichtete das Lagezentrum, dass man alle Hände voll zu tun habe.
Massive Probleme im Bahnverkehr wegen Sturmtief Nadia
Wegen Sturmschäden kam es in Norddeutschland außerdem zu massiven Problemen im Bahnverkehr. Am frühen Samstagabend stellte die Deutsche Bahn den Fernverkehr in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen für etwa 50 Minuten ein. Betroffen waren insbesondere die ICE-Strecken zwischen Hamburg und Bremen sowie zwischen Hamburg und Berlin. Dort komme es auch weiterhin zu großen Beeinträchtigungen, wie ein Sprecher sagte
Im Regionalverkehr gibt es laut Bahn ebenfalls Zugausfälle und Verspätungen. Reisende und Pendler sollten sich vor Fahrtantritt über die Webseite, die App oder telefonisch informieren, ob ihr Zug wie geplant fährt. Wann die Züge wieder wie geplant fahren, hänge vom weiteren Verlauf des Sturms ab, sagte der Bahnsprecher.
Fährverbindungen nach Unwetterwarnung gestrichen
Wegen der Unwetterwarnungen wurden auch zahlreiche Fährverbindungen am Wochenende gestrichen. An der Nordsee fielen alle Verbindungen der Hallig-Linie am Wochenende aus, wie die Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) mitteilte. Auch Verbindungen ab Föhr, Amrum und Dagebüll waren betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern wurde der Fährverkehr auf der Ostsee zwischen Rostock und Gedser auf der dänischen Insel Falster eingeschränkt. Nach Angaben der Reederei Scandlines fielen mehrere Verbindungen von Samstagnachmittag bis Sonntagmorgen aus. Der reguläre Fahrplan solle am Sonntag wieder aufgenommen werden.
Windgeschwindigkeiten von bis zu 122,8 km/h
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte am Samstag vor Sturm bis hin zu Orkanböen gewarnt. Am Kieler Leuchtturm seien Windgeschwindigkeiten von bis zu 122,8, in Greifswald von bis zu 118,1 Stundenkilometern gemessen worden, sagte eine DWD-Sprecherin in der Nacht zum Sonntag. Die Warnlage im Norden soll noch bis Sonntagvormittag andauern. Es seien auch weiterhin einzelne Orkanböen möglich.
Nach BSH-Angaben droht den norddeutschen Ländern zudem bereits die nächste Sturmflut: Am Sonntag werden das Vormittag- beziehungsweise Nachmittag-Hochwasser an der deutschen Nordseeküste 1,5 bis 2 Meter und im Weser- und Elbgebiet 2 bis 2,5 Meter höher als das mittlere Hochwasser eintreten. Für die Ostseeküste sei bis Sonntagmorgen noch die Niedrigwasserwarnung in Kraft. Die Experten erwarten aber, dass die Wasserstände im Verlauf des Tages bis zu 130 Zentimeter über den mittleren Wasserstand steigen. (dpa)