Das Chaos auf dem Flughafen in Kabul hat sich etwas gelichtet. Die Bundeswehr versucht jetzt weiter Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Am Tag zuvor landeten bereits die ersten Evakuierten in Deutschland.
KabulBundeswehr-Einsatz in Afghanistan läuft auf Hochtouren
Berlin. Die Evakuierung von Deutschen und afghanischen Ortskräften aus Kabul kommt auf Touren. In der Hauptstadt Kabul startete am Mittwoch (18. August) ein weiterer Militärtransporter mit etwa 180 Menschen an Bord.
Damit wurden vom deutschen Militär bereits mehr als 400 Menschen aus mehr als 15 Ländern ausgeflogen. Die Bundesregierung brachte zugleich die rechtliche Grundlage für den Einsatz auf den Weg. Nach dem vom Kabinett beschlossenen Mandatsentwurf sollen bis zu 600 Soldaten bis spätestens Ende September im Einsatz sein. Für die Operation werden etwa 40 Millionen Euro veranschlagt.
Afghanistan: Bundeswehr evakuiert Menschen aus Kabul
Der Einsatz hatte am Montag unter dramatischen Bedingungen begonnen. Die beiden Bundeswehrmaschinen vom Typ A400M konnten lange Zeit nicht landen, weil auf dem Flughafen chaotische Zustände herrschten. Hunderte Afghanen versuchten verzweifelt, von Flugzeugen der US-Streitkräfte mitgenommen zu werden und blockierten zeitweise das Rollfeld. Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt. Für Mittwoch sind vier Flüge zum Drehkreuz in der usbekischen Hauptstadt Taschkent geplant. Von dort geht es mit der Lufthansa weiter nach Deutschland.
Die ersten 130 Evakuierten kamen in der Nacht in Frankfurt am Main an. Alle ausgeflogenen Afghanen, die an Bord der Maschine waren, sollen zunächst in einer Aufnahmeeinrichtung nach Hamburg versorgt werden. Dies teilte ein Sprecher der Bundespolizei mit. Im ersten Flieger waren demnach 17 bis 19 Menschen mit afghanischem Pass.
Parlament stimmt über Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan ab
Über den vom Bundeskabinett beschlossenen Mandatstext soll der Bundestag nächste Woche abstimmen. Die Zustimmung gilt als sicher. Das Parlament muss jedem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zustimmen. In Ausnahmefällen ist das auch nachträglich möglich, vor allem, wenn Gefahr in Verzug ist. Das trifft nach Ansicht der Regierung auf die Evakuierungsaktion zu, bei der vor allem deutsche Staatsbürger und afghanische Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien ausgeflogen werden sollen.
„Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte duldet keinen Aufschub“, heißt es in einem Begleitschreiben von Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zum Mandatsentwurf, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Jedes weitere Zuwarten, bis der Deutsche Bundestag abschließend entschieden hat, könnte eine erfolgreiche Durchführung des Einsatzes der deutschen Kräfte in Frage stellen oder jedenfalls deutlich erschweren und damit auch Leib und Leben der zu schützenden Personen gefährden.“
Es handelt sich um ein so genanntes robustes Mandat, dass auch den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt, „insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe“.
Afghanistan-Einsatz: Bisher größte Evakuierungsmission der Bundeswehr
Zum Einsatz kommen für Evakuierungen ausgebildete Fallschirmjäger, die Eliteeinheit KSK, aber auch Feldjäger, Sanitäter und die Flugzeugbesatzungen der Luftwaffe. Der Einsatz gilt als bisher größte Evakuierungsmission der Bundeswehr.
Die militant-islamistischen Taliban hatten Afghanistan in rasantem Tempo unter ihre Kontrolle gebracht und am Sonntag faktisch die Macht in dem Land übernommen. Viele Länder - darunter Deutschland - versuchen so schnell wie möglich eigene Landsleute und Afghanen auszufliegen, die etwa für die Streitkräfte anderer Staaten oder internationale Organisationen tätig waren und nun Racheaktionen der Taliban befürchten.
Afghanistan: Dritter Evakuierungsflieger in Kabul gelandet
Die Bundeswehr hatte am Dienstag mit einer Luftbrücke zur Rettung von Deutschen und Afghanen begonnen. Mit einem Transportflugzeug wurden 129 Menschen von Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent geflogen. Von dort ging es mit einem gecharterten Lufthansa-Airbus nach Frankfurt. Die nach dpa-Informationen rund 130 Menschen landeten dort am frühen Mittwochmorgen.
In Kabul startete am Dienstagabend ein dritter Evakuierungsflug der Bundeswehr mit 139 Menschen an Bord. Von Taschkent aus sollen sie am Mittwoch per Lufthansa nach Deutschland gebracht werden. An diesem Mittwoch seien vier weitere Flüge nach Kabul vorgesehen, um einen am Vortag nicht durchgeführten Flug zu kompensieren, teilte die Bundeswehr via Twitter mit. Momentan sei die Flughafenfeuerwehr in Kabul nicht verfügbar.
Am Dienstagabend hatte bereits Außenminister Heiko Maas (SPD) im „heute journal“ des ZDF gesagt, eine weitere Maschine stehe bereit. Derzeit seien die Tore am Flughafen aber geschlossen, sobald sie geöffnet seien, werde der Betrieb fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium schrieb auf Twitter: „Und wir evakuieren, solange es geht weiter.“
Afghanistan: Kabinett beschließt Mandat zu Evakuierungseinsatz
Erste evakuierte Mitarbeiter der Botschaft in Kabul waren nach dpa-Informationen bereits am Dienstagnachmittag mit einer Linienmaschine auf dem Berliner Flughafen Schönefeld gelandet. In der Nacht zu Montag waren sie unter den ersten 40 deutschen Staatsbürgern, die mit einem US-Flugzeug nach Doha im Golfemirat Katar ausgeflogen worden waren.
Die Bundesregierung am Mittwochvormittag hat den Einsatz von bis zu 600 Bundeswehrsoldaten bei der Evakuierungsaktion im afghanischen Kabul beschlossen. Das Kabinett billigte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen den Entwurf für ein entsprechendes Bundestagsmandat. Darüber soll voraussichtlich in der kommenden Woche im Parlament abgestimmt werden.
Mit der Lage in Afghanistan wollen sich am Mittwoch auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages (13.00 Uhr) und der Auswärtige Ausschuss (11.30 Uhr) befassen. Die Opposition hatte in den vergangenen Tagen die Bundesregierung heftig kritisiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) räumten ein, die internationale Gemeinschaft habe die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt und ihre Ziele bei dem Einsatz nicht erreicht.
Afghanistan: Kramp-Karrenbauer will aus Einsatz Lehren ziehen
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will als Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen. „Wir müssen aus diesem Einsatz unsere Lehren ziehen. Deshalb werden wir die anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr dahingehend überprüfen, ob wir gut aufgestellt sind und was wir möglicherweise besser machen müssen“, sagte die CDU-Politikerin der „Rheinischen Post“ (Mittwoch).
Der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, sagte der Zeitung: „Wir werden nach einer ehrlichen und selbstkritischen Analyse partnerschaftlich in der EU und mit den USA darüber sprechen müssen, welche Konsequenzen zu ziehen sind.“ Grünen-Chef Robert Habeck sagte der „Rheinischen Post“, die extreme Geschwindigkeit der Machtübernahme der Taliban sei in dieser Dimension möglicherweise nicht vorhersehbar gewesen.
„Aber dass die Lage sich dramatisch verschlechtert und extrem brisant wird, darauf hätte man sich vorbereiten können und müssen“, sagte Habeck. Dies gelte für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerien Außen, Innen und Verteidigung. (dpa)