Geht es mit der Regierungsbildung doch schneller als erwartet? Die Grünen haben auf ihrem kleinen Parteitag über die Koalitionsverhandlungen abgestimmt.
Ampel-BündnisVerhandlungen mit SPD und FDP – Votum der Grünen eindeutig
Berlin. Mit überwältigender Mehrheit haben die Grünen für formelle Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP gestimmt. Beim Länderrat am Sonntag (17. Oktober) in Berlin votierten lediglich zwei Delegierte gegen den Vorschlag der Parteiführung, Gespräche über eine Ampel-Koalition aufzunehmen. Es gab eine Enthaltung.
Nachdem sich die SPD bereits für Verhandlungen ausgesprochen hatte, muss nun noch die FDP-Führung zustimmen. Diese soll am Montag (18. Oktober) folgen. Erste Gespräche aller drei Parteien könnten dann in einigen Tagen beginnen.
Zuvor hatten Parteichef Robert Habeck und andere Mitglieder des Grünen-Sondierungsteams die Delegierten auf eine künftige Regierungsbeteiligung eingeschworen. „Wir werden Treiberin großer Transformationsaufgaben sein“, sagte Habeck, der um ein Mandat für eine „Fortschrittsregierung“ bat. Seine Partei stehe kurz davor, zum zweiten Mal Teil einer Bundesregierung zu werden. „Es ist tatsächlich so, dass wir gerade ein Stück weit grüne Geschichte schreiben.“
Robert Habeck betont Machtwillen der Grünen
Habeck betonte den Machtwillen der Grünen nach Jahren in der Opposition. Die Partei müsse nun beweisen, dass sie reif dafür sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. „Wir kommen aus der Defensive in die Gestaltung, in die Offensive.“ Die Grünen könnten nun mitgestalten. „Wir wollen diese Verantwortung“, betonte Habeck. „Wir wollen die Wirklichkeit gestalten.“
Das sah die Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag ganz offenbar ähnlich. Harsche Kritik war kaum zu hören. So merkte Cansin Köktürk aus Bochum an, sie haben den Eindruck, die FDP habe die Wahl gewonnen. „Wo steht in diesem Sondierungspapier die wahrhaftige Beseitigung der Armut in diesem Land?“, fragte sie. Andere hoben den Handlungsbedarf hervor, den es in einer künftigen Bundesregierung noch beim Klimaschutz und beim Kampf gegen Armut gebe.
Mehrere Delegierte mahnten an, dass in den nun bevorstehenden Koalitionsverhandlungen noch wichtige Details zu klären seien. So müsse deutlich werden, woher das Geld für notwendige Investitionen kommen solle, betonte die Hamburger Delegierte Anja Hajduk. Die Grünen müssten FDP und SPD in die Pflicht nehmen, um „diese 500 Milliarden für ein Investionens-Jahrzehnt“ zusammenzubekommen. Die Grünen wollen insbesondere in öffentliche Infrastruktur und Klimaschutz investieren.
Der Kieler Delegierte Lasse Petersdotter lobte die Einigung auf 12 Euro Mindestlohn als „Revolution“, warnte aber auch, die Vorhaben zum Klimaschutz müssten in den Koalitionsverhandlungen noch konkreter und ambitionierter werden. Die Grünen müssten aufpassen, „dass die FDP nicht Grenzen zieht, während wir Hoffnungen beschreiben“.
Klimaschutz-Vorhaben im Sondierungspapier festgehalten
Grünen-Chefin Annalena Baerbock erhielt insbesondere für die im Sondierungspapier festgehaltenen Klimaschutz-Vorhaben Applaus. Hier sei wahnsinnig viel erreicht worden zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Bei der Rente könne man nicht die nächsten Jahre so „dahinwurschteln“. „Wir wollen einen echten Aufbruch schaffen, auch für zukünftige Generationen.“
In den Koalitionsverhandlungen stünde aber auch noch einiges an Arbeit an, sagte Baerbock, die ankündigte, dass die europäische Außenpolitik eine große Rolle in den Verhandlungen spielen werde. In der Vergangenheit sei „eine Chance für die Menschenrechte in dieser Welt“ vertan worden. „Es wird immer wieder dazu kommen, dass wir auch bis in die Nacht heftig ringen“, sagte sie mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen voraus.
Während Sondierungsverhandlungen der noch unverbindlichen Erkundung von Gemeinsamkeiten und Differenzen dienen, haben die Partner bei Koalitionsgesprächen eine gemeinsame Regierung schon fest im Blick. Über den Koalitionsvertrag wollen die Grünen ihre Mitglieder in einer Urabstimmung entscheiden lassen. Erklärtes Ziel ist eine Regierungsbildung vor Weihnachten.
Am Freitag hatten die Unterhändler einer möglichen künftigen Ampel-Koalition ihr Sondierungsergebnis präsentiert. Dies nahm der kleine Parteitag der Grünen „zustimmend zur Kenntnis“. Es listet Themen auf, bei denen die drei Parteien eine „Vorfestlegung“ erzielen konnten. Einige Streitthemen sind bereits abgeräumt. So soll es keine Steuererhöhungen geben und die Schuldenbremse eingehalten werden. Der gesetzliche Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde steigen. Beim grünen Kernthema Klimaschutz ist unter anderem ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Kohleausstieg im Idealfall schon bis 2030 geplant.
Debatte über künftigen Finanzminister
Ein strittiger Punkt bei den Verhandlungen dürfte das Amt des Bundesfinanzministers sein. Sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Grünen-Vorsitzender Robert Habeck liebäugeln mit dem Posten.
Volker Wissing, Generalsekretär der FDP, erteilte einer Debatte darüber, wer der nächste Finanzminister werden soll, eine Absage. „Ressortfragen stellen sich für uns derzeit überhaupt nicht“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). „Solche Dinge klären wir am Ende erfolgreicher Koalitionsverhandlungen.“ Zurzeit seien ausschließlich inhaltliche Fragen relevant.
Zuvor hatten sowohl der FDP-Vize Wolfgang Kubicki als auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, erklärt, dass sie ihren eigenen Parteichef Christian Lindner für den besten Kandidaten für das Amt des Bundesfinanzministers halten.
Der Grünen-Finanzexperte und Europaabgeordnete Sven Giegold kritisierte gegenüber dem RND diese Äußerungen: „Was soll das?? Wir haben in einem guten Stil miteinander verhandelt. Das könnte man bis zum Ende fortsetzen.“ Posten würden nach demokratischen Mehrheiten und Verhandlungen vergeben und nicht nach Interviews. Sein Parteikollege, Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz, hat allerdings auch schon für den Grünen-Parteichef Robert Habeck als Bundesfinanzminister geworben. Er könne sich niemand besseren in diesem Amt vorstellen, schrieb Bayaz am Samstag bei Twitter. (dpa/afp)