Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo verschärft sich. Nach einer Kommandoaktion outet sich ein Günstling der Belgrader Regierung als Milizführer. An der Grenze marschiert das serbische Militär auf.
Konflikt in Europa verschärft sichGroßer Militäraufmarsch an Grenze zum Kosovo – USA besorgt
Die US-Regierung beobachtet nach eigenen Angaben einen „großen“ serbischen Militäraufmarsch an der Grenze zum Kosovo. Es beinhalte ein „beispielloses“ Aufgebot von Artillerie und Panzern, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington. „Wir fordern Serbien auf, diese Truppen an der Grenze abzuziehen.“
Die US-Regierung sei besorgt über die Situation und beobachte sie seit etwa einer Woche, sagte Kirby. Er bezeichnete das serbische Militäraufgebot an der Grenze als „destabilisierend“. Über die Absicht könne er derzeit keine Aussage treffen. Man dränge die Serben auch über diplomatische Kanäle, die Truppen zurückzuziehen.
Kosovo-Serbe Radoicic bekennt sich zu Überfall
Zuvor hatte sich der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoicic zum Überfall eines bewaffneten Kommandotrupps im Nord-Kosovo vor fünf Tagen bekannt. „Ich habe mich zu dieser Tat entschieden, weil alle bisher angewandten Widerstandsmethoden keine Verbesserung des Lebens des serbischen Volkes (im Kosovo) brachte“, schrieb er in einer Erklärung, die sein Anwalt vor der Presse in Belgrad verlas.
Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.
Am vergangenen Sonntag hatte ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica Stellung bezogen und sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. In seiner Erklärung behauptete Radoicic, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Zugleich teilte er mit, als Vize-Vorsitzender der Serbischen Liste, der Partei der Kosovo-Serben, zurückzutreten.
Pristina: Waffen direkt aus den Arsenalen der serbischen Armee
Der Aufenthaltsort von Radoicic ist unbekannt. Nach Angaben des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic befindet er sich in Serbien. In der Vergangenheit hatte Vucic über Radoicic und die Serbische Liste die Politik der Kosovo-Serben bestimmt. Er werde sich den serbischen Behörden für Befragungen zur Verfügung stellen, kündigte Radoicic in seiner Erklärung an.
Ziel der Aktion sei es gewesen, die Serben im Kosovo dazu zu ermutigen, „sich dem Terror des Kurti-Regimes zu widersetzen“. Die Regierung des kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti verfolge die Serben im Kosovo, um das Land „ethnisch zu säubern“. „Wir sind keine Terroristen, sondern Kämpfer für unsere eigenes Volk.“
Die Regierung in Pristina hält es für ausgeschlossen, dass Radoicic auf eigene Faust handelte. Die kosovarische Polizei stellte im Anschluss an die Kämpfe zum Teil fabrikneue, schwere Waffen wie Granatwerfer und Panzerabwehrrohre sowie militärische Fahrzeuge sicher. Diese stammten direkt aus den Arsenalen der serbischen Armee, hieß es.
Nato verstärkt Schutztruppe KFOR
Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Organisation, genehmigte indessen die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland, wie das Bündnis in Brüssel mitteilte. Über die Zahl der zusätzlichen Soldaten machte es keine Angaben.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte die Verstärkung von Großbritannien gestellt werden. Das Verteidigungsministerium in London hatte erst vor wenigen Monaten mitgeteilt, dass das Vereinigte Königreich noch bis mindestens 2026 einen „entscheidenden Beitrag“ zur Schutztruppe leisten wolle.
Die KFOR ist seit 1999 für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Derzeit gehören ihr nach jüngsten Angaben etwa 4500 Soldaten aus insgesamt 27 Nato-Ländern und Partnerstaaten an. Deutschland nahm zuletzt mit rund 80 Soldaten am KFOR-Einsatz teil.
Bereits im Mai hatte das Bündnis eine Aufstockung seiner Präsenz im Kosovo um 700 Mann beschlossen. Damit hatte es auf schwere Ausschreitungen serbischer Mobs gegen KFOR-Soldaten im Nord-Kosovo reagiert. Damals hatten 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben Verletzungen erlitten. (dpa)