Russland und die Ukraine haben im großen Stil Gefangene ausgetauscht – kurz nach Putins TV-Ansprache, in dem er über die Teilmobilisierung informierte. Unter den Freigelassenen sind auch ukrainische Kämpfer, die das Asowstal-Werk in Mariupol gegen russische Angreifer verteidigt hatten. Eine Szene, die Kreml-Anhänger vor Wut kochen lässt.
Kurz nach Putins TV-AnspracheSzene am Abend lässt russische Kreml-Anhänger vor Wut kochen
von Yuliia Dysa (yd)
Ein durchaus weiteres auffälliges Ereignis am Mittwoch (21. September), das von der von Putin angekündigten Teilmobilisierung in Russland geprägt war, ist ein Gefangenenaustausch am Abend. Es war der größte Gefangenenaustausch seit Kriegsstart, wie Kyjiw erklärte.
Russland hat ukrainische Soldaten befreit, darunter Kämpfer, die die Verteidigung des Stahlwerks Asowstal in Mariupol angeführt haben. Auch Kommandeure des Regiments Asow waren dabei, die von Russland als Nationalisten und blutrünstigste Kämpfer wahrgenommen werden.
Ukraine: Hunderte Gefangene am Abend befreit, Kreml-Anhänger sauer
Rechte Patrioten und Kreml-Anhänger forderten in zahlreichen aggressiven Aufrufen immer wieder ihre Verurteilung zum Tode.
Im Mai noch verkündete der Sprecher der Staatsduma der Russischen Föderation, Wjatscheslaw Wolodin, die Unzulässigkeit der Rückführung von Gefangenen in die Ukraine, indem er sie als „Naziverbrecher“ bezeichnete – ein in Russland beliebter Ausdruck für Mitglieder des Asow-Bataillons. Es erübrigt sich zu sagen, dass er mit seinen Worten auf allen öffentlichen Ebenen breite Unterstützung fand.
Und in der Tat hatte man das Gefühl, dass so gut wie nichts zu solch einem Gefangenenaustausch führen kann, obwohl der ukrainische Präsident Selenskyj die ganze Zeit darauf bestand, dass alles getan werden solle, um solch einen Austausch erfolgreich zu organisieren. Und das haben sie getan – ein weiterer großer Sieg der ukrainischen Diplomatie im Besonderen und der ukrainischen Gesellschaft im Allgemeinen ist.
Doch in Russland änderten bekannte Kreml-Anhänger wie Moderator Wladimir Solowjow, Moderatorin Margarita Simonjan oder Reporter Yevgeny Poddubny, die so vehement forderten, die Kämpfer vor die russische Justiz zu bringen, ihre Meinung drastisch, indem sie nun einfach sagten: „Spuckt auf den Imageverlust.“
Russland: Kreml-Anhänger verstecken Wut mit blumigen Worten
In der aggressiv-patriotischen russischen Community kursieren nun eine ganze Reihe von Verschwörungstheorien, die zu erklären versuchen, wie dies geschehen konnte.
Zunächst versuchen sie, es irgendwie sich selbst zu erklären, da die russische Regierung wieder einmal bei der Erklärung dessen versagt. Das wiederum ruft allmählich heftige Unzufriedenheit, Wut und Verratsvorwürfe unter Putins Ideologen hervor. Diese Wut aber wird mit schönen blumigen Worten darüber versteckt, wie nötig das alles war und welche Vergünstigungen jetzt kommen.
In seiner gestrigen 14-minütigen Mobilisierungsrede verwendete Putin, so zählte es die unabhängige russische Journalistin Ksenia Turkowa, ganze 14-mal das Wort „Nationalisten“. Diese sollten, erklärt Putin weiter, in der Ukraine besiegt werden. Später am Tag dann gab Moskau die „schlimmsten ukrainischen Nationalisten“ an Kyjiw zurück. Ein Zeichen dafür, wie gespalten Russlands Bewusstsein derzeit ist?