Seit Jahrzehnten schwelt der Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland um die Ägäisinseln – jetzt hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Drohung ausgesprochen, die alle bisherigen übertrifft.
„Wir kommen plötzlich über Nacht“Erdogan droht mit Invasion: Tobt bald der nächste Krieg?
Es sind Worte, die selbst nationalistische Erdogan-Anhängerinnen und Anhänger überrascht haben. Am Wochenende hat Erdogan bei einem Besuch einer Technikmesse in Samsun am Schwarzen Meer unverhohlen mit einem militärischen Angriff gedroht – radikaler denn je. Er stimmte die Türkei und einen „schweren Kampf“ ein und stellte die griechische Souveränität über Inseln in Ägäis und Mittelmeer infrage.
Seit Jahrzehnten streiten Athen und Ankara um Hoheitsrechte in der Ägäis, in den vergangenen Wochen und Monaten spitzte sich der Konflikt immer weiter zu. Die Türkei tritt immer aggressiver gegenüber Griechenland auf – das Säbelrasseln wird immer lauter.
Erdogan droht Griechenland mit Angriff
Es geht um Ansprüche auf Inseln im östlichen Mittelmeer, um Seegrenzen, um Anrechte auf Bodenschätze wie Öl und Gas. Mehrmals in den vergangenen Jahrzehnten waren die beiden Länder deswegen haarscharf an einem Krieg vorbeigeschrammt – zuletzt eskalierte 2020 die Situation.
Dabei sind sowohl die Türkei als auch Griechenland Mitglieder der Nato.
Doch die Beziehungen sind konfliktreich, der Ton wird immer schärfer. Beide Seiten werfen sich regelmäßig Verletzung der Grenzen und Vertragsbruch vor, fast jeden Tag fliegen Aufklärungsflugzeuge von beiden Seiten um die griechischen Inseln nahe der türkischen Küste. Militärexpertinnen und -experten befürchten schon länger, dass es bei den „Dogfights“ zwischen griechischen und türkischen Jets zu einem Zusammenstoß kommen könnte, der dann zu einer Eskalation führt.
Erdogan in Richtung Athen: „Wir können plötzlich über Nacht kommen“
In Samsun warf Recep Tayyip Erdogan Griechenland am Samstag (3. September) vor, es halte die ostägäischen Inseln „besetzt“, berichtet der Nachrichtensender „CNN Türk“. Das sei nicht akzeptabel. Erdogan knallhart: „Wenn die Zeit kommt, werden wir tun, was nötig ist.“ Er drohte: „Wir können plötzlich über Nacht kommen.“
Ankara hatte Griechenland bereits vor über einer Woche eine „feindliche Aktion“ gegen türkische Kampfflieger vorgeworfen, die Streitkräfte sollen diese mit dem Zielradar eines Luftabwehrsystems verfolgt haben. Erdogan warf Athen vor, es versuche, die Türkei mit dem Raketensystem „S-300 zu bedrohen“. „Wenn Du weiter gehst, wirst Du einen hohen Preis zahlen“, sagte Erdogan in Richtung Griechenland.
Griechenland reagiert auf Erdogans Drohung
Athen wiederum reagierte noch am Samstagabend mit einem Statement: Man werde der Türkei „nicht auf dem Weg der täglichen Drohungen folgen“, hieß es. Man werde Partner und Verbündete über „provozierende Erklärungen“ der türkischen Seite unterrichten, „damit klar wird, wer den Zusammenhalt der Nato in dieser besonders gefährlichen Phase gefährdet“.
Griechenland dementierte auch die Darstellung Erdogans, das Luftabwehrsystem genutzt zu haben.
Die Provokationen halten seit Wochen an: Im Juni probten türkische Streitkräfte die Einnahme eines Küstenabschnitts durch Landungstruppen – direkt gegenüber der griechischen Insel Samos, nur wenige Kilometer entfernt. Die Übung wurde live übertragen, Erdogan hielt damals eine aggressive Rede direkt vor dieser Drohkulisse am Strand. Ankara stellt die griechische Souveränität über eine ganze Reihe von Inseln in der östlichen Ägäis infrage, darunter auch Samos.
Im August schickte der türkische Staatspräsident das Gas-Bohrschiff „Abdülhamid Han“ in die Ägäis begleitet von der türkischen Marine.
Erdogans Säbelrasseln: Nur innenpolitische Show?
Expertinnen und Experten analysieren: Dass Erdogan immer mehr die Eskalation sucht, ist vor allem der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Türkei geschuldet. Im kommenden Jahr finden in dem Land Parlaments- und Präsidentenwahlen statt – Erdogan könnte sie zum ersten Mal seit 20 Jahren verlieren.
Es scheint, als würde Erdogan alles daran setzen, diese Wahlen für sich zu entscheiden. Im Juni sagte Erdogan, er werde erneut für das Amt kandidieren. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, er könnte die Wahlen vorziehen und dafür einen Vorwand suchen – etwa einen militärischen.
Droht der nächste Krieg, mitten in Europa? Türkei-Experte Günter Seufert sagte gegenüber der „Deutschen Welle“ bereits vor einigen Tagen, die Lage sei durchaus sehr bedenklich.
Erdogans Infragestellung der Souveränität großer griechischer Ägäis-Inseln sollte man ernst nehmen, vor allen Dingen mittel- und langfristig berge dies Konfliktpotential. Kurzfristig sehe er allerdings keine Gefahr für einen Krieg.