Keine Frage: Die Gaskrise in Europa sorgt für Anspannung bei den Politikerinnen und Politikern. In der Bundesrepublik ist eine Debatte über längere AKW-Laufzeiten ausgebrochen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verlor bei dem Thema im ZDF-„heute journal“ am Montag die Nerven und ging den Moderator an.
„Nein, nein, nein, nein!“Ministerpräsident schreit plötzlich ZDF-Moderator an
Deutschland droht ein Energieengpass, sollen deshalb die Laufzeiten der Atomkraftwerke hierzulande verlängert werden oder nicht? In Deutschland ist die Debatte zu dieser Frage längst heiß gelaufen, auch wenn keine schnelle Entscheidung laut Regierung zu erwarten ist. Bundeskanzler Olaf Scholz, so sagt er, wolle erst die Ergebnisse eines zweiten Stresstests zur Sicherheit der Stromversorgung abwarten.
Am Montagabend (25. Juli) ging es auch im ZDF-„heute journal“ um den möglichen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Deutschland. In einem Interview mit Moderator Christian Sievers zeigt sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) irgendwann dermaßen genervt, dass er seinen Gesprächspartner anschrie.
Russland drosselt das Gas weiter
Russland hat das Gas weiter gedrosselt, muss in Deutschland deshalb zumindest vorübergehend die Kernenergie weitermachen? Weder die Grünen noch andere demokratische Parteien wollten zurück zur Atomkraft, erklärt Kretschmann. Lediglich eine vorübergehende Laufzeitverlängerung werde sorgfältig geprüft, das Ergebnis des Stresstests müsse abgewartet werden.
Sievers ging anschließend auf den ersten Stresstest vom März bis Mai ein. Sowohl das Umwelt- als auch das Wirtschaftsministerium, beide grün geführt, kamen zum Ergebnis, dass ein Weiterbetrieb nichts bringe.
Energiekrise in Deutschland: Muss Atomkraft verlängert werden?
Wird eine neue Prüfung, wie von Kretschmann angekündigt, ein anderes Ergebnis bringen? „Man macht ja einen Stresstest, um ein Ergebnis zu haben und dann fällt man eine Entscheidung“, entgegnet Kretschmann. „Vorher herum zu spekulieren halte ich jetzt für nicht so vernünftig.“
Sievers aber ließ sich nicht abfrühstücken, erklärte, dass so ein Stresstest den Grünen ja auch die Gelegenheit geben könnte, eine 180-Grad-Wende zu vollziehen, denn „Atomkraft? Nein danke“ sei ja so etwas wie das Gründungsmotto der Partei. „Davon werden wir auch nicht abrücken“, so Kretschmann. „Ich sehe auch gar niemand in der Bundesrepublik, außer der AfD, die wieder zurück zur Atomkraft will.“ Der Ministerpräsident bekräftigte, dass es nur um eine eventuelle zeitlich begrenzte Verlängerung gehe. „Das werden wir sehr nüchtern und rational prüfen und entscheiden.“
ZDF-„heute journal“: Ministerpräsident verliert die Nerven
Wie solle man denn den Menschen erklären, dass eher die Kohle weitermachen darf als die Atomkraft, will Sievers im ZDF-„heute journal“ weiter wissen. Kretschmann rollt mit den Augen. „Weil das sehr viel einfacher ist. Kohlekraftwerke gehen schon aus der Reserve raus.“ Atomkraftwerke seien eben keine Stereoanlage, die man aus- oder anschaltet. Das Problem sei nur lösbar, wenn man Öl- oder Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nimmt.
„Herr Kretschmann, Sie sind ja Politprofi“, leitete Sievers seine nächste Frage ein. „Wenn Sie jetzt bei einer klaren Ablehnung von verlängerten Atomkraftlaufzeiten bei den Grünen bleiben, dann...“. Doch plötzlich fiel Kretschmann dem Moderator laut ins Wort. „Nein, nein, nein, nein, nein ...“, schrie der Ministerpräsident. „Das habe ich nicht behauptet.“
ZDF-„heute journal“: „Keiner will zurück zur Atomkraft“
Sievers hakte nach: „Keine klare Ablehnung?“ Kretschmann brachte ein weiteres mehrfaches „Nein“ hervor und rollte abermals genervt mit den Augen. „Ich habe gesagt, weder die Grünen noch sonst eine demokratische Partei will zurück zur Atomkraft in Deutschland“, wiederholte er. Es werde geprüft, ob man sie eine Zeit lang weiterlaufen lasse.
„Aber durch Ihr sehr engagiertes ‚Nein, nein, nein‘ gerade eben kann ich doch annehmen, dass diese Prüfung am Ende durchaus so ausfallen könnte, dass wir Ende des Jahres erst mal zumindest weiter auf Atomkraft auch setzen?“ Sievers blieb hart, Kretschmann biss sich auf die Zunge und erklärte nach einer Pause langsam, dass man auf das Ergebnis warten müsse. „Es macht keinen Sinn, da jetzt rumzuspekulieren.“
Sollen die drei Atomkraftwerke in Deutschland länger am Netz bleiben?
Bereits im März schloss Kretschmann eine Verlängerung der Laufzeiten für Kohle- und Atomkraftwerke nicht aus. Es dürfe keine Denkverbote geben, sagte er damals. „Wir müssen jetzt kurzfristig Lösungen finden – und mittelfristig führt kein Weg daran vorbei, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter forcieren, um uns unabhängig von fossilen Brennstoffen zu machen.“
Auch auf Bundesebene ist die Debatte über eine Laufzeitverlängerung entbrannt, die FDP als Koalitionspartner der Ampel-Regierung im Bund ist für einen Weiterbetrieb der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland über das Jahresende hinaus.