Prozessbeginn„Sexy Cora“ – Chronik einer verpfuschten Schönheits-OP
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„Sexy Cora“ 2010 auf der Erotikmesse Venus in Berlin
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Hamburg – Als „Sexy Cora“ verdiente Carolin Wosnitza ein Vermögen im Porno-Business. Für ihre Schönheit gab sie selbiges auch aus.
Die verhängnisvolle Brust-Operation, die sie schließlich das Leben kostete, war bereits ihre fünfte.
Ihre langjährigen Ärzte rieten ihr im Vorfeld davon ab. Nun verklagt ihr Witwer die Alsterklinik auf eine Million Euro. Neben einem Schmerzensgeld zu Coras Gunsten will er eine Entschädigung für entgangene Einkünfte haben.
Die Chronik der tragischen OP – und was danach geschah:
Herzstillstand bei OP
11. Januar 2011
Wosnitza begibt sich in die Hamburger Alsterklinik am Rothenbaum. Hier will sie sich ihre Brüste von Körbchengröße 70F auf 70G vergrößern lassen.
Das Silikon soll links und rechts jeweils von 500 auf 800 Gramm aufgestockt werden. Doch die OP geht schief.
Es kommt zu einem Herzstillstand. „Sexy Cora“ muss reanimiert werden.
Die 23-Jährige wird auf die Intensivstation ins UKE verlegt. Sie schwebt in akuter Lebensgefahr und liegt im künstlichen Koma.
Als ihr Mann und Manager, Tim Wosnitza, seine Frau nach der OP abholen will, erhält er auf dem Parkplatz der Schönheitsklinik einen Anruf vom Arzt: „Er sagte, das mit dem Abholen hätte sich erledigt. Bei der Operation sei es zu Komplikationen gekommen und Cora sei nun im UKE. Mehr wollte mir der Arzt nicht sagen – er tat beschäftigt und wimmelte mich ab.“
12. Januar 2011
Beamte des Landeskriminalamtes sichern Spuren in der Schönheitsklinik. Die OP ist jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft: „Wir werden ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung einleiten, weil wir dem Verdacht eines möglichen Behandlungsfehlers nachgehen“, so Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.
Die Ermittlungen richten sich gegen den plastischen Chirurgen und die Anästhesistin. Nach Angaben der Geschäftsführung der Klinik "liegt seitens der Ärzte kein Behandlungsfehler vor". Die Ärzte schätzen ihre Überlebenschancen auf 50 Prozent.
20. Januar 2011
Ehemann, Mutter und Schwester der 23-Jährigen versammeln sich am Vormittag an Coras Bett, um Abschied zu nehmen.
Der Blutdruck wird immer schwächer, die Körperfunktionen setzen nach und nach aus.
Um 14.30 Uhr hört das Herz von Carolin Wosnitza auf zu schlagen. Sie stirbt an einer Hirnlähmung. Nach ihrem Tod wird ihre Leiche obduziert.
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Blonde Mähne, Tattoos, XXL-Busen: So kannten und liebten ihre Fans Porno-Star „Sexy Cora“.
23. Januar 2011
Ein Gutachten zeigt: „Sexy Cora“ starb durch einen Ärztepfusch. Eine falsche Beatmung durch die Anästhesistin war für den Herzstillstand verantwortlich. Aber auch bei der Wiederbelebung sollen der operierende Arzt und die Anästhesistin schwere Fehler gemacht haben. Statt einer Herzdruckmassage kam ein Defibrillator (Stromstoß-Gerät) zum Einsatz.
2. Februar 2011
„Sexy Cora“ wird auf dem Friedhof Ohlsdorf in einem rosa Sarg beigesetzt – im Kreise ihrer Familie, Freunde und Verwandten.
14. Februar 2011
Wosnitzas Ehemann verscherbelt im Internet beim Auktionshaus Ebay den Nachlass seiner Frau.
Neben Kappen, Hüten und einer Louis-Vuitton-Stola auch ein „absolutes Einzelstück“ für satte 2990 Euro: Einen goldenen und signierten Gipsabdruck ihrer Brüste.
Mit Echtheitszertifikat – und einem Video, das zeigt, wie der Abdruck Mitte 2010 angefertigt wurde.
Von vielen Fans wird Tim Wosnitza dafür kritisiert. Doch der Porno-Witwer verteidigt sich. Ihm seien durch den Tod seiner Frau auch eine Menge Kosten entstanden.
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11. April 2011
Witwer Tim Wosnitza will die Alster-Klinik auf vier Millionen Euro verklagen. Das sei die Summe, die seine Ehefrau in den kommenden Jahren mit Hardcore-Videos hätte verdienen können.
Diesen Ausfall will der Pornoproduzent ersetzt haben, schließlich sei seine Frau ihm gegenüber unterhaltspflichtig gewesen.
7. Mai 2011
Ein zwei Meter hoher Marmor-Engel ziert jetzt das Grab von „Sexy Cora“. Flankiert wird der Engel von zwei schwarzen Marmorplatten mit Gold-Rand, auf denen ein Porträt von „Sexy Cora“ zu sehen ist.
Kosten des Gesamtkunstwerks: mehr als 15.000 Euro. Den genauen Preis will der Porno-Witwer nicht verraten.
Doch die Platten sind der Friedhofsverwaltung ein Dorn im Auge. Wosnitza muss sie nur zwei Tage später wieder entfernen lassen. Sie würden nicht ins Allgemeinbild des Friedhofes passen, heißt es.
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Das Grab von „Sexy Cora“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
26. Mai 2011
Tim Wosnitza tritt jetzt selber als Pornodarsteller auf. Er wolle damit der Kritik entgegen treten, er lebe auf Kosten seiner verstorbenen Frau, lässt der geschäftstüchtige Unternehmer verlauten. Auch in den Filmen seiner Frau hatte er gelegentlich seinen Mann gestanden.
20. Juni 2011
Erste Ergebnisse aus der Untersuchung von Gewebeproben liegt vor. Carolin Wosnitza hatte keine Drogen, keine Wachstumshormone und keine Medikamente im Blut.
Das Gutachten zu den rätselhaften Todesumständen hat ein auswärtiger Chefarzt für Anästhesie im Auftrag der Hamburger Staatsanwaltschaft erstellt.
Die Ärzte der Alsterklinik hatten nach dem Tod ihrer Patientin gemutmaßt, dass die junge Frau einen Herzstillstand erlitten habe, weil sie möglicherweise illegale Substanzen im Blut hatte.
12. August 2011
Es gibt Zoff um das Erbe von „Sexy Cora“. Coras Schwester Anne-Marie schreibt auf der Facebook-Seite ihres Schwagers Tim Wosnitza: „Du hast mich unter Druck gesetzt, dass ich Mutti und Papa bequatschen soll, dass sie dir das Erbe überschreiben. Hast mir geschrieben, dass du dir gleich einen Strick nehmen kannst, wenn sie dir das Erbe nicht überschreiben. Mutti und Papa wollten in Ruhe Abschied von ihrer Tochter nehmen, aber du hast nicht aufgegeben, bis sie nachgegeben haben.“
Wosnitza streitet ab, seine Schwiegereltern übers Ohr gehauen zu haben. „Die Eltern haben ganz schön abgesahnt“, erklärt er auf Nachfrage.
Auf der nächsten Seite - die Ermittlungen gegen den Schönheitschirurgen werden eingestellt
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
11. Januar 2012
Dutzende Fans pilgern an ihrem ersten Todestag zum Grab von „Sexy Cora“, legen Blumen und Kränze nieder.
23. März 2012
Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Narkoseärztin wegen fahrlässiger Tötung. Die Ermittlungen gegen den Schönheitschirurgen werden eingestellt. Er habe zwar Fehler bei der Wiederbelebung gemacht, habe dabei aber nur als „Assistent“ der Anästhesistin gehandelt.
Für die fatalen Hirnschäden sei die Anästhesistin verantwortlich, so die Ankläger, weil sie nicht bemerkt habe, dass die Patientin während der Narkose zu wenig Sauerstoff durch die Maske bekam.
Als sie den Herzstillstand bemerkte, habe der Chirurg mit einer Herzdruckmassage begonnen.
Auch ein Stromstoßgerät kam zum Einsatz. Ein Gutachter stellte später fest, dass nach der missglückten Narkose auch bei der Wiederbelebung massive Fehler gemacht wurden.
Dennoch wird der Schönheitsarzt nicht angeklagt: „Die Verantwortung für die Reanimation liegt allein bei der Narkoseärztin“, so die Staatsanwaltschaft.
1. November 2012
Um sechs Uhr morgens bekommt Tim Wosnitza in seiner Wohnung in Rahlstedt Besuch von der Polizei.
Die Beamten haben eine Durchsuchungsbefehl und entdecken diverse Anabolika in Küche, Bade- und Gästezimmer. Außerdem finden sie ein Pistolenmagazin.
Die gefundenen Dopingmittel übersteigen die erlaubte Menge um das 39-fache.
Lesen Sie auf der nächsten Seite - Prozessbeginn gegen die Narkoseärztin
„Ich will zu meiner Verantwortung stehen“
28. Januar 2013
Vor dem Hamburger Landgericht beginnt der Prozess gegen die Narkoseärztin. Die war bislang wegen einer schweren Depression nicht verhandlungsfähig.
Die Anklage wirft ihr vor, sie habe bei der Operation nicht für eine ausreichende Beatmung gesorgt. Die damals 56-Jährige nimmt die ganze Schuld auf sich: „Ich will zu meiner Verantwortung stehen“, verkündet sie gleich zum Prozessauftakt.
Den Herzstillstand von Wosnitza habe sie zu spät bemerkt, weil an einem Gerät ein Alarmton ausgeschaltet war.
Den Signalton habe sie vor der tödlichen OP nicht überprüft.
Fahrlässige Tötung
5. Februar 2013
Das Urteil gegen die Narkoseärztin fällt. Die Medizinerin wird der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden.
Das Gericht verurteilt sie zu 14 Monaten Haft auf Bewährung. Die Kammer wertet den Fehler der Ärztin als „Ausnahmeversagen“.
„Es war ein einmaliger, allerdings furchtbarer Fehler, den Sie hier begangen haben“, heißt es. Ein Berufsverbot wird nicht verhängt.
Doch die Ärztin hat eine Rentenantrag gestellt, will nicht mehr als Narkoseärztin arbeiten.
Der Richter erhebt jedoch schwere Vorwürfe gegen die Schönheitsklinik. Vermutlich aus Gewinnmaximierung sei dort an Ausstattung und Personal gespart worden.
8. August 2013
Weil die Ärztin bei Abschluss ihrer Haftpflichtversicherung falsche Angaben gemacht hat, besteht kein Deckungsschutz.
Witwer Tim Wosnitza bekommt keinen Cent von der Versicherung. Wosnitza muss unter anderem die Behandlung seiner Frau auf der Intensivstation bezahlen.
Kosten: 34.000 Euro.
Die Kosten für die Busen-OP seien ihm von der Schönheitsklinik ebenfalls nicht zurückgezahlt worden.
Wosnitza spricht von mehr als 100.000 Euro Krankenhaus-, Anwalts-, Gerichts- und Beerdigungskosten, die er insgesamt durch den Tod seiner Frau zu begleichen habe.
Das gemeinsame Haus in Rahlstedt, das das Paar kurz vor dem Tod des Pornostars gekauft hatte, bietet er für 1,1 Millionen Euro zum Verkauf an.
25. Oktober 2013
Tim Wosnitza, der aus der Bodybuilder-Szene kommt, muss sich wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht verantworten.
Über seinen Verteidiger lässt er erklären, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er mit der bei ihm gefunden Menge an Dopingmitteln die Grenze des Erlaubten überschreite.
„Über einen langen Zeitraum hat sich einiges angesammelt“, sagt sein Verteidiger. „Und die Munition hat er einfach nicht mehr auf dem Zettel gehabt.“
Wosnitza selbst: „Ich habe in der Zeitung mal gelesen, dass jemand angezeigt wurde, weil er eine gefundene Waffe zur Polizei gebracht hat, da hatte ich Angst bekommen.“
Der Richter zeigt sich gnädig und verhängt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 120 Euro, die auf ein Jahr Bewährung ausgesetzt wird. Zahlen muss Wosnitza nur, wenn er sich in dieser Zeit etwas zuschulden kommen lässt.
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Witwer Tim Wosnitza zieht offenbar erneut vor Gericht.
9. März 2016
Wosnitza verklagt die Alsterklinik auf eine Million Euro Schadenersatz. Außer einem Schmerzensgeld zu Coras Gunsten will er eine Entschädigung für entgangene Einkünfte haben.
Über ein gemeinsames Unternehmen sei er geschäftlich mit seiner Frau verbunden gewesen. Sie hätten sich langfristig in der Porno-Branche halten können.
Der Zivilprozess vor dem Hamburger Landgericht beginnt am 11. März.