Die sechste Runde des Castings von „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL) war geprägt von Größenwahn und Selbstüberschätzung. Und bot am Ende doch einen goldenen Hoffnungsschimmer.
DSDS 2022Jurymitglied fasziniert von Schnodderschnauze: „Darauf habe ich gewartet“
„Das war Wahnsinn! Darauf habe ich gewartet: auf eine Stimme wie deine!“ Wenn DSDS-Jurymitglied Toby Gad hin und weg ist, dann hat das was zu sagen. Der Mann hat immerhin – das muss nicht nur RTL immer wieder betonen – schon mit Madonna, Jon Legend und Beyoncé gearbeitet. Und demnächst tut er es vielleicht mit Emine Knapczyk.
Von der 18-jährigen Berlinerin mit ebensolcher großer Schnodderschnauze („Ich berühre die Menschen mit meiner einzigartigen Stimme!“) war der Produzent derart begeistert, dass er ihr nach ihrer wahrlich sensationellen Performance (Florian Silbereisen: „So macht das ein echter Star!“) seine persönliche Gold-CD überreichte.
DSDS: Schnodderschnauze überzeugt Jury-Mitglied Toby Gad
Früher war diese Gold-CD so besonders wie die Stimme von Emine. In der 19. Staffel, beziehungsweise in dem, was gesendet wird, spielt sie absolut keine Rolle. Klar: Emine bekam sofort ihre Ticket für den Italien-Recall und musste nicht erst zum Inland-Recall antreten wie acht andere Talente der Episode der Quoten-schwächelnden Talent-Show.
Nur: Davon bekommt das TV-Publikum überhaupt nichts mit. In 15 Minuten am Ende der Sendung wird schnell und lieblos hingerotzt, dass sich die acht Qualifikanten neu in Schale geschmissen haben. Aber von dem zweiten Auftritt bekam man kaum was mit, da nahm noch die Entscheidung der Jury mehr Raum ein: „Ihr habt es uns verdammt schwer gemacht.“
Wenn man schon die Recall-Leistungen bei RTL so gering schätzt, dann kann man sich doch den Zinober mit der Gold-CD echt sparen. Motto: Stell dir vor, du kriegst Gold, aber es ist eigentlich egal.
Rat an den Gescheiterten: „Behalte deinen Humor!“
Ansonsten lebt DSDS, das wurde diesmal einmal mehr deutlich (und das ist ein Lob an die Redakteure und den Schnitt), von den krassen Gegensätzen. Irgendwie scheinen sich zwar mit Dieter Bohlen auch die extremen Kandidatencharaktere verabschiedet zu haben, aber auf der Skala der Gesangsqualität gibt es halt immer noch vieles zwischen „zu Tode betrübend“ und „zum himmelhoch Jauchzen“.
Dabei sind die unterschiedlichen Selbstwahrnehmungen bei den Scheiternden immer wieder erstaunlich (und unterhaltsam). Und die Art, wie sie mit dem Scheitern umgehen. Tuan Phung (29) etwa singt zwar für sein Leben gern, schon deshalb, weil er vietnamesische Wurzeln hat und „jeder Vietnamese mindestens Karaoke singt“. Dann war es für ihn auch nicht wirklich ein Weltuntergang, dass seine Leistung (zurecht) als genau das – Karaokeniveau – eingestuft wurde. „Behalt dir deinen Humor“, war Toby Gads Rat.
DSDS: Beyoncé wird übel malträtiert
Andere nehem ihr Aus gelassen bis cool, die meisten sind traurig, dass es nicht gereicht hat. Und dann gibt es noch die, die regelrecht entsetzt sind - einfach weil sie bis vor ein paar Minuten vor dem Juryurteil davon überzeugt waren, dass ihr Organ mindestens das zweitbeste unter dieser Sonne sei.
„Ich war auf dem Musikkonservatorium für begabte Stimmen und kann stimmlich mit Beyoncé mithalten“, sagte etwa Catarina Avelar (20). Das kann sie mitnichten, wie sie dann verdeutlichte, indem sie „Listen“ von besagter Toby-Gad-Freundin malträtierte. „Das war eine Katastrophe!“ Schlimm, dass sie das nicht wahrhaben wollte und trotz des Flehens der Jury stur mit einem zweiten Titel beginnen wollte. Sie wurde kurzerhand abgeurteilt ("Dreimal Nein!") und des Feldes verwiesen: „Du hörst nicht zu, also kannst du auch nichts lernen.“
Antonia Schmolla (26) aus Berlin ging freiwillig, aber auch in den Grundfesten erschüttert. Sie hatte hohe Ziele ("Live-Shows!") formuliert, war dann aber gesanglich tief gefallen. Chef-Juror Florian Silbereisen: „Du hast die Töne gesucht, aber keinen gefunden.“
Rapper haut bei DSDS daneben: „Kamma nix machen: verkackt!“
Leandro Bojani (21) aus Haar bei München wiederum hatte nichts Geringeres vor, als „hier mit Rap Geschichte zu schreiben .Was ihm beinahe gelang: Kaum ein anderer hat bei DSDS jemals weniger Töne getroffen als er. Das aber, so Toby Gad, gehöre auch beim Rappen "ab und zu“ dazu. Immerhin, Leandro nahm es wie ein Mann: „Kamma nix machen: verkackt!“
Und dann gibt es eben auch diese Momente, in denen man „DSDS“ liebhaben muss, weil die Kandidaten einfach so süß, so überraschend und vor allem so gut sind. Und davon gab es diesmal eine ganze Reihe, sodass sich am Ende gleich acht Kandidaten im Recall für eins der raren Tickets für den Auslands-Recall in Italien bewerben durften. Und von denen werden drei das Goldkehlchen Emine begleiten.
Silbereisen ist hin und weg: „Kann man nicht besser machen!“
Als Tizian Hugo (22) aus Freiburg drinnen im Glaskubus inbrünstig „No Matter What“ von Calum Scott schluchzte, weinte draußen seine Mama vor Rührung - und die Jury tat es ihr beinahe gleich. Vor allem bei Toby Gad herrschte Tränenalarm, denn er hat den Song geschrieben. Und er war von Tizians Leistung absolut begeistert. „Tizian war bisher einer der Besten, befand auch Country-Star Ilse DeLange und Florian Silbereisen stimmte ein: "Alter Falter, was für eine Performance. Toll im sanften Bereich, in der Kopfstimme brillant. Das kann man nicht besser machen.“
Richtig gut war auch Anna Rückemann (28) aus Mannheim. Die war für Silbereisen zwar „schon eine Heldin“, weil sie Anästhesie- und Intensivkrankenschwester ist, aber sie hat auch stimmlich enorm was auf dem Kasten. Vor allem der Schlagerstar und „Traumschiff“-Kapitän war angetan: „Du hast alle angestrahlt. Ich kann mir echt vorstellen, dass ich mal in ein Konzert von dir gehe.“ Auch Toby Gad wollte unbedingt sehen, „wie du dich weiterentwickelst“. Also: ab nach bella Italia!
DSDS: Stimmwunder Amber auf den Spuren ihrer Schwester
Dort wird auch Amber van den Elzen (20) am Start sein. Der blonde Engel verzückte vor allem Ilse DeLange. Erstens, weil Amber Landsfrau (aus Eindhoven) ist, und zweitens, weil Amber ein riesiger Ilse-Fan ist: „Ilse ist in Holland ein Superstar“, schwärmte die Kandidatin mit kindlicher Piepsstimme. Die hat sie nunmal, sagte sie. Früher sei es doof gewesen, dass man sie „Micky Maus“ nannte, jetzt sieht sie ihre Stimme einfach als besonders. Und außergewöhnlich wird sie, wenn Amber zu singen beginnt. Dann nämlich wandelt sich das herzige Mädchen zur Bühnenpräsenz.
Für „House Of The Rising Sun“ zog sie wirklich alle nur möglichen Gesangsregister. „Ich wär fast vom Stuhl gefallen“, stammelte Silbereisen, fast sprachlos über den „Rohdiamanten“. „Du bist etwas Besonders“, bescheinigte auch Toby Gad und Landsfrau DeLange jubelte nur „Ja! Ja! Ja!“
Amber ist übrigens erblich vorbelastet. Die Tatsache, dass die DSDS-Zweite (hinter Sieger Prince Damien) von 2016, Laura van den Elzen (24), Ambers Schwester ist, wurde von manchen Medien riesig aufgeblasen. RTL war es in der Sendung keinerlei Erwähnung wert. (tsch)