Wenn 30 Erwachsene Katze spielen – dann sind wir bei den Proben fürs weltbekannte Musical „Cats“, das auch zu uns ins Rheinland kommt.
EXPRESS durfte hinter die KulissenSo schaut's aus, wenn weltberühmte „Cats“ schnurren

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Guck an! Die Choreografie wurde seit der Erstaufführung von „Cats“ nur wenig verändert. Jetzt kommt das Musical nach Düsseldorf – und danach nach Köln.
von Laura Schmidl
„Brrllllll“, „Pa-pa-pa“ diese Katzen machen komische Geräusche. Gehört aber zum Warm-up. So wie die Gelenke und Muskeln aufgewärmt werden wollen, bevor sie Höchstleistung bringen, müssen die „Jellicle Cats“ ihre Stimmbänder geschmeidig machen. Die Musical-Darsteller des Erfolgsmusicals „Cats“ trainieren sechsmal die Woche aktuell noch in einem unscheinbaren, backsteinernen Jugendzentrum im Süden von London. Bald kommen die Katzen aber ins Rheinland. EXPRESS durfte vorab schon bei den Proben spinksen.
Es könnte auch die wöchentliche Stunde Ashtanga-Yoga sein, die in dem atmosphärischen Gemäuer mit hohen, gebogenen Decken stattfindet. Schöne Menschen mit schönen Körpern sitzen verteilt auf dem Boden, dehnen sich. Dann beginnen sie zu singen – lässig im Spagat sitzend. Statt felliger Miezen-Outfits tragen die Darstellerinnen und Darsteller noch Trainings-Shorts und Jogginghosen. Daran, dass hier für das weltberühmte Musical „Cats“ geprobt wird, erinnern nur die handvoll Kostüme, die auf einer Kleiderstange in der Ecke hängen.
Proben für „Cats“: Was sich albern anfühlt, ist richtig
Das ändert sich, als sich die Truppe aufstellt und bereit macht: für den Prolog, die eröffnende Szene, „Jellicle Songs for Jellicle Cats“. Am Klavier begleitet, sitzt hier jeder Schritt, jeder Ton. Regisseurin und Choreografin Chrissie Cartwright schaut konzentriert, aber zufrieden auf ihren Cast. Das wird deutlich: Hier sind Profis am Werk. Profis im Katze-Spielen?
Russel Dickson – er spielt „Munkustrap“ – spricht aus, was die meisten denken, wenn sie erwachsene Menschen sehen, die durch den Raum scharwenzeln und fauchen, als wären sie Vierbeiner ein bisschen befremdlich eben: „Wenn man die Kostüme, das Make-up, die Perücken und das Set wegnimmt, sind wir 30 Erwachsene die so tun, als wären sie Katzen. Man fühlt sich unsicher“, sagt er. „Aber: Wenn es sich albern anfühlt, ist es wahrscheinlich richtig. Und wenn wir selbst an das glauben, was wir tun, wird es glaubhaft fürs Publikum.“ Und das liebt Andrew Lloyd Webbers Klassiker ebenso wie die Theaterkritiker. Sieben Tony Awards und drei Drama Desk Awards haben die Katzen bereits gewonnen.
„Es ist Eskapismus“, sagt Dickson, „nicht nur für das Publikum, sondern auch für uns.“ Und ein wahr gewordener Kindheitstraum, zumindest für Lucy May Barker, die „Cats“ einst als Achtjährige mit ihren Eltern anschaute und hellauf begeistert war. Vor allem die Eröffnungsszene ist ihr auch 24 Jahre später gut im Gedächtnis: „Ich erinnere mich sehr gut daran, dass die Katzen ins Publikum kamen und mit ihm interagierten. Davon habe ich ein sehr klares Bild“, erzählt sie.
Heute spielt sie als „Grizabella“ selbst diese Eröffnungsszene. „Es schließt sich ein Kreis.“ Und für die Original-Produktion des Andrew-Lloyd-Webber-Klassikers kommen nur die Besten infrage. In drei Castingrunden müssen sich die Bewerber beweisen, erzählt Regisseurin und Choreografin Chrissie Cartwright. Zunächst ein Vortanzen, dann ein selbst gewählter Song, dann mehrere Songs aus „Cats“ vorausgesetzt, man besteht die jeweils vorige Runde. Und die Anforderungen sind hoch: Anwärterinnen und Anwärter müssen „sehr gut singen und sehr gut tanzen können. Sie müssen eine Geschichte erzählen können. Man bekommt ein Gefühl dafür“.
Der „Funke“ muss überspringen, sagt Cartwright. Das ist etwa auch bei Michael Robert-Lowe passiert, mit dem Cartwright schon beim „Phantom der Oper“ und vorherigen Produktionen von „Cats“ gearbeitet hat. „In Cats gibt es lange Strecken ohne Text und Gesang mit viel Tanz. Es gibt also viel physisches Geschichtenerzählen. Wenn man anfängt, zu viel zu machen, wird es verwirrend fürs Publikum“, sagt er. Es geht also um Nuancen.
Nuancen, die sich von Produktion zu Produktion unterscheiden. „Das hält es frisch“, findet Robert-Lowe, der mit „Old Deuteronomy“ eine tragende Rolle als Anführer spielt. Regisseurin Cartwright sagt: „Das Musical entwickelt sich. Für mich wäre es sehr schwierig, wenn alles festgelegt wäre. Jeder neue Cast bringt etwas anderes mit sich.“ Dem Ursprung bleibt man trotzdem eng verbunden: „Das bedeutet nicht, dass sich die Choreografie ändert, auch die Geschichte und die Musik bleiben. Aber wir improvisieren zwischen den Songs“, sagt sie.
„Cats“: Eine Tournee wie eine sehr lange Klassenfahrt
Wenn eine Sache gibt, für die das Musical immer wieder kritisiert wird, dann ist es die dünne Geschichte. „Daran haben wir hart gearbeitet“, sagt Cartwright. „Es geht um Wiedergutmachung, um Akzeptanz und Toleranz. All das, womit wir in der heutigen Welt Probleme haben.“
„Grizabella“ Lucy May Barker sagt dazu: „Viele Menschen meinen, es ist nur eine Show, in der sich viele Katzen vorstellen und das ist wahr.“ Aber, betont sie, „sie stellen sich und ihre Persönlichkeiten vor und das, was sie zu dem macht, was sie sind. Es ist eine Show über das Feiern von Unterschiedlichkeiten.“ Schließlich akzeptieren sich die Katzen trotz aller Differenzen. Das ist auch für die Darstellerinnen und Darsteller untereinander abseits der Bühne wichtig. „Wie eine sehr lange Klassenfahrt“ sei es, wenn es auf Tournee geht, sagt Barker.