Kino-Punk im InterviewWarum Wotan Wilke Möhring sich tagelang von Bier ernährte
Er wird zwar bald 50, aber macht uns trotzdem den Oberpunk.
Wotan Wilke Möhring (49) war in seiner Jugend Punk - jetzt spielt er im Film „Happy Burnout“ (aktuell im Kino) selbst einen. Der Film ist für ihn Ehrensache und Herzensprojekt, weil er mit seiner eigenen Vergangenheit verknüpft ist.
Die Spielfreude des „Tatort“-Kommissars macht die locker-leichte Komödie mit Tiefgang zu einem Erlebnis. Im Interview spricht der beliebte Kölner Schauspieler über Punk, seine Mittel gegen Burnout, seine junge Freundin Cosima Lohse (30) und seine Kids.
Ja, total! Da hat alles gepasst. Erstens bekommt man die ja auch nicht mehr ewig angeboten. Das kann ich mit 60 nicht mehr spielen. Zweitens ist es genial, so jemanden zu spielen, in einer Welt, die ich kenne oder zumindest kannte, sie hat sich ja auch verändert. Außerdem kannte ich das ganze Film-Team schon von „Das Leben ist nichts für Feiglinge“. Es ist ein Geschenk, wenn man sich so gut kennt.
Wie viele Connections in die Punkszene haben Sie noch?
Die Szene ist, so wie ich sie kenne, aus dem Straßenbild verschwunden, auch weil es heute andere Formen der Rebellion und des Aufbegehrens gibt. Heute färbt sich jeder die Haare und jeder dritte Fußballer hat einen Iro, zumindest wenn er einen Berater hat.
Ich höre noch viel Punkmusik. Die ganzen alten Sachen. Government Issue oder Hüsker Dü, aber auch Billy Talent. Aktiv bin ich nicht mehr, das ist ja der große Unterschied zwischen mir und „Fussel“ im Film. Der ist auf seiner Insel der Provokation sitzen geblieben. Das habe ich mir erspart.
Wie haben Sie den Ausstieg gefunden?
Es hat mich einfach mit 20 oder 21 nicht mehr interessiert. Und dann bin ich weitergezogen. Ich bin ein anderer Mensch als Fussel im Film, ich habe rechtzeitig die Kurve gekriegt. Für ihn war sein Kind ja auch erst mal eine Belastung, für mich sind Kinder die reine Freude.
Muss man da als junger Mann den Absprung schaffen?
Das Schöne im Leben ist ja: man muss gar nichts. Wenn man das Gefühl hat, es ist das Richtige, kann man auch sein Leben lang Punk sein. Man sollte sich nur nicht zu lange in etwas einrichten, das nicht gut für einen ist.
Alles eine Frage der Bewertung. Als ich entdeckt habe, dass ausgerechnet in dieser Randgruppe Regeln aufgestellt werden, musste ich weiterziehen. Als es zum Beispiel hieß, Punks fahren nicht in den Urlaub, fand ich das grotesk. Meine Einstellung war immer, dass alles erlaubt ist.
Haben Sie noch Kontakt zu alten Weggefährten von damals?
Tatsächlich, ja. Der Schlagzeuger meiner früheren Punkband „Störaktion“ ist einer meiner besten Freunde, nach wie vor. Mit den anderen habe ich auch noch Kontakt. Der eine ist erfolgreicher Fotograf, der andere ist Arzt geworden.
Die haben ihren Weg in die Gesellschaft gefunden, sind sich aber selber treu geblieben. Wenn wir uns jetzt wieder treffen, sind wir in einer ähnlichen Konstellation wie früher, was immer ganz schön ist. Wir fühlen uns dann wieder wie die Jungs von damals.
Sie essen im Film Nutella pur zum Frühstück und rauchen dazu einen Joint. Wie war Ihr Frühstück damals?
Ich kam trotzdem aus einem bürgerlichen Haushalt, da gab's natürlich auch normales Frühstück. Aber ich kann mich zum Beispiel an einen Ausflug nach Berlin in den 80ern erinnern, dabei sind wir getrampt, da haben wir vier Tage lang nur von Bier gelebt. Da war unsere Nahrung also flüssig.
Haben Sie schon mal Selbstzweifel gehabt?
Ja, bis heute. Die begleiten einen immer, gerade im kreativen Bereich. Wir Schauspieler kehren immer das Innerste nach außen, machen eine Seelenschau. Bei vielen Projekten legen wir unser Herz auf den Tisch, ich mache das hier auch.
Wenn ich das dieser großen Öffentlichkeit aussetze, zweifle ich immer. Aber gleichzeitig hat es einen Heidenspaß gemacht, gerade dieses latente Provozieren. Das hat richtig gebockt, wie wir früher gesagt hätten.
Was unternehmen Sie, um einen Burnout zu vermeiden?
Ich halte inne und höre in mich hinein. Dann weiß ich rechtzeitig, was ich wann brauche. Aber natürlich ist das ein riesiges Phänomen in unserer beschleunigten Gesellschaft. Viele finden: Wer wenig schläft, schafft mehr.
Das Gegenteil ist natürlich der Fall: Wer wenig schläft, schafft weniger. Schlaflosigkeit ist so ein Signal wie Hunger oder Durst. Darum plane ich mir meine Freizeiten bewusst ein. Meine Ferien sind immer geplant, meine Kinderzeiten geblockt. Und: Einen Beruf zu haben, der mir Spaß macht, ist auch gute Burnout-Prävention. Meine Aufgabe befriedigt und erfüllt mich. Das ist positive Erschöpfung. Dafür bin ich auch dankbar und demutsvoll.
Sie werden in drei Wochen 50. Wie feiern Sie?
Gar nicht! Das ist ein Wochentag, da werde ich für den „Tatort“ drehen. Ich werde das mit der Familie irgendwie nachholen, aber auch nicht so bombastisch. Partys feiere ich lieber, wenn ich frei habe. Das ist mir dann egal, ob ich Geburtstag habe oder nicht.
Bei Ihnen sind viele überrascht, dass Sie schon 50 werden. Ist das ein Kompliment?
Das versteht man in unserer Gesellschaft so. Aber auch das ist mir nicht so wichtig.
Hält eine junge Freundin jung?
Keine Ahnung, das kann ich nicht beurteilen. Der Altersunterschied spielt für unsere Beziehung auch keine wirkliche Rolle. Wir sind so alt, wie wir sind. Aber glücklich sein hält jung, das merke ich.