Interview

„In mir schlummert noch so einiges“Herbert Knaup über Ekelpakete, Kunst, Köln – und Tod auf der Bühne

Herbert Knaup, Schauspieler, fotografiert am 8.1.25 im Savoy Hotel Köln nach einem Talk mit Horst Stellmacher.

Schauspieler Herbert Knaup ist ungeheuer vielseitig und in unterschiedlichsten Rollen vom „Kluftinger“ bis zum Anwalt bei den Zuschauern sehr beliebt. Das Foto zeigt ihn am 8. Januar 2025 in Köln.

Schauspieler Herbert Knaup (68) hat mit EXPRESS.de über seine aktuelle Rolle als „Ekelpaket“, seine Herzensprojekte, Träume und seine Beziehung zu Köln gesprochen.

von Horst Stellmacher  (sm)

So viele Rollen gespielt, so viele Erfolge gehabt und doch immer noch neugierig: Herbert Knaup (68), der vor 30 Jahren vom Kölner Schauspiel aus seine Kino- und TV-Karriere startete. Aktuell sehen wir ihn in der Erfolgsserie „Die Kanzlei“ (dienstags, ARD), als „Kommissar Kluftinger“ (1. Februar, BR) und am 24. Januar in der neuen Folge von „Anna und ihr Untermieter“ (ARD).

Dort gibt er ein Ekelpaket der besonderen Art: Der egozentrische Familientyrann Horst Schulte-Bräucker versucht alles, um seine angehende Schwiegertochter von seinem Sohn fernzuhalten.

Herbert Knaup: „Wo die Liebe hinfällt, da darf sie ein Nest bauen“

Glauben Sie, dass es so einen wie den von Ihnen gespielten Horst noch gibt?

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Herbert Knaup: Ja klar gibt es diese Typen noch und ich glaube, der Autor hat die Realität sehr gut beschrieben. Aber sie werden zum Glück weniger. Ich fand diesen Mann zum Spielen sehr interessant – man sieht da ja auch, wie man solche Typen in den Griff kriegt.

Fällt es Ihnen schwer, solche Ekelpakete zu spielen?

Herbert Knaup: Es ist natürlich eine Herausforderung, so jemanden glaubwürdig darzustellen. Doch wenn das Buch stimmt, klappt es auch.

Horst möchte aber auch, dass es seinem Sohn gut geht und tut alles, damit der nicht in die „falsche Familie“ einheiratet. Sie sind selbst Vater – können Sie ihn da verstehen?

Herbert Knaup: Nein. Ich halte nichts von Vorurteilen und vermeintlicher Überlegenheit. Hochmut kommt vor dem Fall. Und wo die Liebe hinfällt, da soll sie ihr Nest bauen dürfen.

Anna und ihr Untermieter mit Herbert Knaup

Herbert Knaup in „Anna und ihr Untermieter“ (24. Januar, ARD). Als Horst Schulte-Bräucker versucht er in Anwesenheit seiner Frau Regine (Anke Sevenich, in Schwarz) die kulturelle Bildung von Werner (Ernst Stötzner) und Anna (Katerina Jacob) zu überprüfen.

Der Film wurde in Köln gedreht – Sie selbst haben hier vor etwa 30 Jahren gelebt, erste große Theater-Erfolge gefeiert, sind aber weitergezogen. Wenn Sie wieder hier sind, haben Sie da noch Heimatgefühle?

Herbert Knaup: Köln war schon eine besondere Zeit, obwohl ich die Stadt nie so richtig kennengelernt hatte. Ich war sehr beschäftigt, hatte bis zu 200 Vorstellungen im Jahr – da blieb nicht viel Zeit für das kölsche Leben. Als Theaterschauspieler lebst du anders: Du stehst auf, frühstückst, gehst zur Probe, hast abends Vorstellung und danach gehst du vielleicht in die Kantine oder Kneipe, um mit den Kollegen zu quatschen und abzusacken. Allerdings erinnere ich mich gern an viele feuchtfröhliche Nächte und die tolle Clique um Wally Bockmayer, Dirk Bach und Ralph Morgenstern.

Damals hatten Sie als Hitler im George-Tabori-Drama „Mein Kampf“ für eine Theatersensation gesorgt, waren junger Held der Rheinland-Theater-Szene. Als Sie Köln verließen, haben Sie viele der Theaterfans traurig zurückgelassen …

Herbert Knaup: Ja, es ging gut los, der Erfolg war riesig. Doch als 1993 das Angebot von Dominik-Graf für seinen Film „Die Sieger“ kam, habe ich Köln den Rücken zugekehrt. Und stimmt, als ich aufbrach, haben viele den Kopf geschüttelt: ‚Du kannst uns nicht verlassen, du bist doch verrückt ...‘.

Herbert Knaup – mit „Toter Winkel“ für den Emmy nominiert

Sie haben seitdem unglaublich viel gedreht. Welcher Film davon ist Ihr Herzensprojekt?

Herbert Knaup: Einen einzigen möchte ich da nicht nennen, es gibt viele. Ganz wichtig war natürlich „Die Sieger“, weil ich jemanden spielte, der ich nicht war: einen Superpolizisten, eine Kampfmaschine. Ganz wichtig auch „Agnes und seine Brüder“, „Eichmanns Ende“ und der Film „Toter Winkel“, der 2017 von Hans W. Geißendörfer produziert wurde, mit dem wir sogar für den Emmy nominiert waren.

Es war die Aufarbeitung der sogenannten NSU-Morde, die auch in Köln begangen wurde …

Herbert Knaup: Ja. Ich spielte einen Friseur, der plötzlich feststellte, dass sein Sohn Neonazi ist und der rechtsterroristischen Szene angehört. Es ging um eine ganz normale Familie – bis aus einer Ecke das Grauen kam. Ich glaube, der Film ist wieder aktuell – wir sollten sehr genau aufpassen!

Herbert Knaup und seine Frau Christiane bei der feierlichen Eröffnung der Internationalen Filmfestspiele.

Seit 2006 verheiratet: Herbert Knaup und Produzentin Christiane Lehrmann. Das Foto zeigt das Ehepaar 2020 auf der Berlinale.

Dazu kommen Reihen wie „Kommissar Kluftinger“, „Sarah Kohr“ und „Die Kanzlei“, in der Sie seit zehn Jahren an der Seite der Kölnerin Sabine Postel einen Anwalt spielen – die Serie ist fast jedes Mal Quotensieger. Zufrieden?

Herbert Knaup: Ja klar, die Zuschauer lieben es, und deswegen macht es mir Spaß, das weiterzumachen. Toller Autor, gutes Ensemble, spannende Fälle! Als Zuschauer und als Schauspieler lernt man was – auch wenn es nicht immer was mit der Realität zu tun hat, weil die Anwälte ihre Fälle ja immer gewinnen. Das wahre Leben sieht doch etwas anders aus.

Bitte mal ein Blick zurück: Was haben Sie gedacht, als Sie mit der Schauspielerei anfingen?

Herbert Knaup: Ich habe nicht groß drüber nachgedacht. Ich bin immer ein Spielkind gewesen, wollte beruflich nie was anderes werden, weder ein Unternehmer, noch ein Anwalt oder Polizist. Mir ging es nur ums Verwandeln, das hat mir Freude gemacht. Warum, das weiß ich nicht. Vielleicht war es sogar eine Flucht vor mir selbst.

Sind Sie am Ziel Ihrer Träume?

Herbert Knaup: Das kann ich so nicht sagen. Ich glaube, es schlummert noch einiges in mir, was noch geweckt werden muss. Ich habe immer noch viel vor und mache immer mehr unterschiedliche Sachen, die nichts mit Schauspielerei zu tun haben.

Viele Ihrer Kollegen beginnen im Alter zu fotografieren oder malen. Sie auch?

Herbert Knaup: Da habe ich keine Ambitionen. Aber ich liebe die Kunst. Ich bin in meinem Leben vielen großen Künstlern begegnet, bin mit Galeristen befreundet, besuche Galerien und habe eines Tages beschlossen, selbst Kunst auszustellen. Das habe ich schon einige Male gemacht, Arbeiten von Malern oder Fotografen, die ich kenne, und es erfüllt mich.

Sie sind bei Magenta TV in der Doku „Herbert (un)verbesserlich“ zu sehen, dafür haben Sie sich auf die Suche nach der besten Version Ihres Selbst begeben. Wie war's?

Herbert Knaup: Es hat Riesenspaß gemacht, allein schon, weil ich keinen Text lernen musste. Ich habe gelernt, dass es nie zu spät ist, sich neu zu entdecken und zu wachsen. So war ich in einem Shaolin-Kloster, wo mir ein Mönch aufzeigte, dass in einem Menschen viele Anlagen sind – man muss nur in sich reinschauen und versuchen, die rauszuholen. Da habe ich festgestellt, dass in mir mehr ist als nur die Schublade Schauspielerei.

Gibt's auch einfachere Erkenntnisse?

Herbert Knaup: Ja klar. So habe ich mir zum Beispiel das kalte Duschen am Morgen bewahrt. Und ich habe durch eine Hypnose neues Selbstvertrauen gewonnen. Ich hatte immer Probleme, wenn ich aufstehen und eine Rede frei halten musste. Am Tisch sitzen und reden – kein Problem. Aber aufstehen und dann reden – das ging kaum, da hatte ich Blockaden. Das geht jetzt.

Wären Sie gern noch mal so jung wie vor 30 Jahren, als Ihre Karriere richtig losging?

Herbert Knaup: Nein, ich bin immer im Jetzt. Ich kann damit gut umgehen, obwohl derzeit alles im Durcheinander und Chaos ist – man weiß nicht, wohin es politisch geht. Die Zeit, in der ich gelebt habe und lebe, war toll und spannend. Ich freue mich über meine Familie, die Kinder und versuche über meinen Beruf, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und die Leute aufzufordern, wach zu bleiben, sich nicht verführen zu lassen.

Können Sie sich vorstellen, auf der Bühne zu sterben?

Herbert Knaup: So mitten im Satz? Ich hätte nichts dagegen, ich glaube, das ist ein schöner Tod. Ich möchte mein Leben gern spielend beenden. Aber ich hoffe, dass ich noch im hohen Alter meinen Beruf ausüben werde, denn es macht mir Spaß. Bis 88 möchte ich gern weitermachen.

Herbert Knaup: Ein Leben facettenreich und voller Erfolge

Herbert Knaup (geb. 23. März 1956 in Sonthofen). Mittlere Reife, Wehrdienst, Otto-Falckenberg-Schauspielschule. Ab 1978 Theaterengagements . 1990-94: Schauspielhaus Köln (1990: „Mein Kampf“, Inszenierung von Torsten Fischer). 1994: Durchbruch als Filmschauspieler in „Die Sieger“ (Bayrischer Filmpreis). Seit 2009: Titelrolle der „Kommissar Kluftinger“-Filme. Seit 2014: ZDF-Krimireihe „Sarah Kohr“. (Staatsanwalt Anton Mehringer). Seit 2015: ARD-Serie „Die Kanzlei“ (Rechtsanwalt Markus Gellert).

Knaup war in den 1970er Jahren mit dem Model und der späteren Fotografin Ellen von Unwerth (70) liiert, lebte zwischen 1993 und 2001 mit der Schauspielerin Natalia Wörner (57) zusammen. Er ist seit 2006 mit der Produzentin Christiane Lehrmann verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Berlin. Er ist Mitinitiator des 2006 gegründeten Bundesverbands der Film- und Fernsehschauspieler.