Mit ihrem Song „Nein (Du kannst mir nicht wehtun)“ sorgt Katha Rosa für Aufsehen. Das Lied widmet sie allen Betroffenen von Missbrauch. Sie will Leidensgenossen Mut machen! Bei uns erzählt sie ihre emotionale Geschichte.
Katha RosaDebüt-Song „Nein“ sorgt für Furore – die schlimme Geschichte dahinter
Köln. Sexueller Missbrauch – leider immer noch ein Tabu-Thema mit einer großen Dunkelziffer an Betroffenen. Eine, der dieses Thema besonders am Herzen liegt, ist Sängerin Katha Rosa (28).
Sie wurde als Kind jahrelang vom eigenen Stiefvater missbraucht – und traute sich selbst lange nicht, davon zu erzählen, geschweige denn Hilfe zu holen.
Sängerin Katha Rosa erzählt ihre Missbrauchsgeschichte
„Nein (Du kannst mir nicht wehtun)“ heißt ihre Debüt-Single, mit der Katha gerade für Furore sorgt. Mit dem Song will sie anderen Betroffenen Mut schenken, den sie selbst lange nicht hatte. In einem emotionalem Gespräch erzählt sie EXPRESS.de: „Bei mir war es eine Kombi aus Manipulation und Erziehung.“
Jahrelang missbrauchte ihr Stiefvater sie, bläute ihr ein, dass sie niemandem davon erzählen dürfe. „Wir durften zuhause nicht laut sein, wollten wir auch gar nicht, denn derjenige von uns Kindern, der zu laut durchs Treppenhaus gelaufen war, musste unserem Stiefvater das Bier ans Bett bringen – und dann wurde man auch direkt ins Bett gezogen. Ich habe gelernt, ganz leise, wie ein Ninja, durchs Treppenhaus zu schleichen“, so die Sängerin.
Katha Rosa: In der Schule wurde sie gemobbt
In der Schule wurde Katha gemobbt, weil sie immer nach Zigarettenqualm roch und sehr ruhig und in sich gekehrt war – aus Angst vor ihrem Stiefvater. Erst mit 16 erzählte sie ihrer Mutter von dem Missbrauch. Vorbild dafür war ihr älterer Bruder, der sich einige Monate zuvor, an Weihnachten, gegen die Schläge des Stiefvaters gewehrt hatte.
Nachdem Katha sich offenbart hatte, alarmierte die Mutter die Polizei, setzte den Stiefvater vor die Tür. Doch damit war Kathas Hölle noch lange nicht vorbei.
Katha Rosa: Prozess gegen den Stiefvater ging an die Nerven
Nach einer Anzeige gegen ihren Stiefvater folgte ein langer, nervenaufreibender Gerichtsprozess. „Es war schrecklich, immer wieder über das alles bis ins kleinste Detail zu reden.“ Ein Urteil wurde erstmal nicht gesprochen, immer wieder wurde der Prozess vertagt, schließlich einfach vergessen. Jahrelang wartete Katha darauf, endlich abschließen zu können.
Heftig: Weil so lange kein Urteil gesprochen worden war, bekam der Stiefvater Strafmilderung. Resultat: Zwei Jahre auf Bewährung und 3000 Euro Schmerzensgeld. Eine Strafe, mit der die Musikerin nicht zufrieden ist. „Das war meiner Meinung nach keine gerechte Strafe und überhaupt nicht abschreckend“, so Katha. Das Schmerzensgeld zahlte ihr Peiniger in Raten ab. „Das heißt, ich hatte jeden Monat seinen Namen auf meinem Kontoauszug.“
Katha Rosa rät Missbrauchs-Betroffenen: Werdet laut!
Heute hat Katha mit ihrer traumatischen Kindheit abgeschlossen, so gut es geht. „Ich hatte lange damit zu kämpfen, wollte nicht mehr leben und habe mich gefragt, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn das alles nicht passiert wäre. Inzwischen habe ich aber meinen Frieden gefunden.“
Ihr Rat an Betroffene: „Gebt nicht auf. Werdet laut, erzählt jedem davon: Lehrern, Freunden, den Eltern von Freunden.“ Auch Hilfsportale wie das Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 116 111) seien eine sehr gute Adresse.
Katha: „Versucht es immer weiter, bis Ihr Hilfe bekommt. Schämt Euch nicht dafür. Missbrauch ist kein Grund, sich zu schämen. Sich einzugestehen, dass man missbraucht wird, zeigt nicht, dass Ihr schwach seid. Sich darüber im Klaren zu werden und Hilfe zu holen, zeigt unglaubliche Stärke. Nur die Starken lassen sich helfen.“
Katha Rosa: Missbrauch darf kein Tabu-Thema mehr sein
Was die Sängerin stolz macht: Auf Instagram hat sie, seitdem ihr Song veröffentlicht wurde, schon etliche Nachrichten bekommen, in denen andere Betroffene ihr ihre Geschichten erzählen. „Manche haben geschrieben, das mein Lied ihnen geholfen hat, ihren Peiniger endlich anzuzeigen oder mit Familie oder Freunden darüber zu sprechen, was ihnen passiert.“
Katha sagt: „Viele Täter kommen einfach davon.“ Die Strafen fallen – wie im Fall von Kathas Stiefvater – leider immer noch oft sehr milde aus. Darum hofft sie: „Die Strafen für solche Menschen müssen viel härter und abschreckender werden. Der Täterschutz ist im Vergleich zum Opferschutz viel zu hoch. Aber auch die Familien müssen viel wachsamer werden, z. B. wenn ein Kind sich auf einmal nicht mehr pflegt und einfach unattraktiv sein will. Das hat etwas zu bedeuten.“
Sie appelliert: „Missbrauch darf kein Tabuthema mehr sein. Schon in den Schulen muss viel mehr darüber aufgeklärt werden, weil viele Kinder leider denken, dass das, was ihnen passiert, normal ist.“ Das dachte Katha auch. Heute weiß sie: Das ist es ganz und gar nicht!
An wen wende ich mich als Betroffene/ als Betroffener von Missbrauch?
Betroffenen von sexuellem Missbrauch rät Expertin Martina Huxoll-von Ahn vom Deutschen Kinderschutzbund, sich an spezialisierte Beratungsstellen zu wenden. Im Raum Köln gibt es z. B. das Kinderschutzzentrum vom Kinderschutzbund (Bonner Straße 151, 50968 Köln). Auch in Düsseldorf und Bonn ist der Kinderschutzbund ansässig (Posener Str. 60, 40231 Düsseldorf sowie Eifelstr. 7, 53119 Bonn).
„Dort kann man sich Rat und Hilfe suchen.“ Grundsätzlich ist auch eine Anzeige bei der Polizei möglich, dieser Schritt sollte mit der Beratungsstelle abgeklärt werden. Leider sind Strafverfahren noch immer nicht ausreichend kindgerecht. „Daher muss abgewogen werden, was für das betroffene Kind in seiner Lebenssituation das Wichtigste ist und ob es ein Strafverfahren durchstehen kann.“
Die spezialisierten Beratungsstellen bieten auch präventive Maßnahmen an Schulen an und sind als Ansprechpartner an den Schulen aktiv. Die Nummer gegen Kummer (Tel.: 0800 111 0 333) hilft ebenfalls, weitere Schritte zu gehen.
Was kann ich als Außenstehender tun, um zu helfen?
Wie merkt man als Außenstehender, dass ein Kind missbraucht wird? Gar nicht so einfach, weiß Frau Huxoll-von Ahn vom Deutschen Kinderschutzbund-Bundesverband. „Es gibt keine eindeutigen Anzeichen für Kindesmissbrauch. Atypisches Verhalten der Kinder, z. B. ein Leistungsabfall in der Schule oder im Sport, kann theoretisch ein Anzeichen sein. Dadurch nicht gleich auf einen sexuellen Missbrauch schließen. Es kann dafür viele andere Gründe geben.
Aber wenn sowas passiert, sollte man eben genauer nachhaken.“ Als Außenstehender kann man sich an Beratungsstellen, z. B. das Hilfetelefon (Tel.: 0800 2255530) wenden und seine Beobachtungen schildern. Dort bekommt man auch Tipps, wie man weiter vorgehen kann.
WICHTIG: Das Kind sollte man selbst NICHT auf seine Vermutungen ansprechen. „In aller Regel ist es so, dass Kinder, die sexuellen Missbrauch erleben, zur Geheimhaltung gezwungen werden oder denken, dass das, was mit ihnen passiert, normal sei“, sagt Martina Huxoll-von Ahn. „Man kann sich als Gesprächspartner für das Kind zur Verfügung stellen und auf eventuelle Andeutungen achten, aber nicht gezielt nachfragen. Das kann Kinder verschrecken.“ Auch das örtliche Jugendamt kann ein Ansprechpartner sein.