Paulina Krasa erreicht mit ihrem Podcast „Mordlust“ Millionen von Hörerinnen und Hörern. Im exklusiven Interview spricht die Journalistin über das Phänomen True Crime und Gespräche mit Tätern.
„Mordlust“-StarPaulina Krasa über wahre und spannende Fälle: „Der Täter hat sich bei uns gemeldet“
Podcasts über wahre Verbrechen sind zu einem echten Erfolgsformat geworden. Mit bis zu fünf Millionen Hörerinnen und Hörern pro Monat gilt der Podcast „Mordlust“ als der erfolgreichste True Crime-Podcast seiner Art. Das Erfolgsrezept: Gemeinsam mit ihrer Kollegin Laura Wohlers (31) spricht Journalistin Paulina Krasa (33) über echte deutsche Kriminalfälle, lädt Expertinnen und Experten ein und bezieht auch die Angehörigen der Opfer mit ein.
Zusammen haben sie die Produktionsforma „Partner in Crime“ gegründet, über die sie ihren Podcast selbst produzieren und bald sogar auf große Stadion-Tournee gehen. Im exklusiven Interview mit EXPRESS.de spricht Paulina Krasa über das Phänomen True Crime, ihre schlimmsten Fälle und Gespräche mit Tätern.
Paulina Krasa: Deutschlands erfolgreichste True Crime-Podcasterin
Was macht True Crime-Podcasts so erfolgreich? Warum hören sich Millionen von Hörerinnen und Hörern regelmäßig Fälle von Gewalt an Kindern, Serientätern und grausamen Morden an?
Paulina Krasa: Das Bedürfnis, mehr über solche Taten zu erfahren, gibt es schon lange. „Aktenzeichen XY“ ist ja schon sehr lange eines der erfolgreichsten Formate im deutschen Fernsehen. Das Phänomen True Crime hat durch Podcasts auch einen Schub bekommen, weil Podcast ein sehr intimes Medium ist. Von unseren Hörerinnen und Hörern bekommen wir das Feedback, dass sie wissen möchten, was eigentlich passieren muss, damit es zu so einer Tat kommt. Wie sind die Biografien der Täterinnen und Täter? Welche Situation war ausschlaggebend dafür, dass sie diese Tat begangen haben? Mit welchen Problemen hat die Familie des Opfers zu kämpfen?
Sind True-Crime Podcasts damit mittlerweile der „Tatort“ für die junge Zielgruppe?
Krasa: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Nur, dass der Tatort natürlich fiktiv ist und es sich bei uns um echte Kriminalfälle handelt. Mein Empfinden ist, dass unser Podcast nicht allein der Unterhaltung dient, sondern wir in jeder Folge ganz viel Wissen vermitteln. Wir behandeln bei „Mordlust“ sehr viele gesellschaftlich relevante Themen, die teilweise auch sehr politisch sind.
Über 80 Prozent eurer Hörerinnen und Hörer sind weiblich. Warum interessieren sich gerade Frauen für die schrecklichen Verbrechen?
Krasa: Wir haben das Feedback bekommen, dass sich die Frauen eher für die psychologischen Hintergründe von Kriminalfällen interessieren. Einige Untersuchungen legen mittlerweile nahe, dass Frauen in solchen Erzählungen nach Hinweisen zu Verhaltensweisen von Täterinnen und Tätern suchen, um herauszufinden, wie sie sich selbst in so einer Situation verhalten müssten, um aus dieser wieder gut herauszukommen.
Die Podcast-Branche wurde lange von Männern dominiert. Gerade wurdet ihr mit dem Deutschen Podcastpreis in der Kategorie Wissen ausgezeichnet. Hast du trotzdem noch das Gefühl, dass zwei junge Frauen in der Branche oft nicht ernst genommen werden?
Krasa: In der Branche wissen eigentlich alle, was wir für Abrufzahlen haben und wie stark unsere Hörerinnen und Hörer mit uns verbunden sind. Das Gefühl haben wir eher bei medienfernen Leuten. Zwei junge Frauen, die über ein so ernstes Thema sprechen und dann steht da keine große Marke hinter, die als Qualitätsmerkmal steht – da sind einige Interviewpartner- und -partnerinnen erstmal skeptisch. Für viele ist es auch neu, dass man qualitativ hochwertige, journalistische Inhalte über seinen eigenen Kanal veröffentlichen kann. Dazu kommt: Podcast ist ein sehr junges Medium. Die Chance, dass uns Leute zwischen 20 und 30 kennen, ist natürlich viel höher als bei Leuten, die zwischen 50 und 60 sind.
Bevor du mit dem Thema True Crime erfolgreich wurdest, hast du sechs Jahre lang beim Sat.1-„Frühstücksfernsehen“ vor der Kamera gestanden. Dort hast du auch deine Kollegin Laura Wohlers kennengelernt. Wie kam es zu der Entwicklung von seichter TV-Unterhaltung zur Aufarbeitung von Kriminalfällen?
Krasa: Wir haben uns dort kennengelernt, als Laura dort gerade ihre journalistische Ausbildung gemacht hat. Ich habe im Frühstücksfernsehen immer schon eher die Sparte bedient, die nicht unbedingt mit fröhlicher TV-Unterhaltung zu tun hatte, sondern mit ernsteren Themen, die ich heute teilweise in den Podcast mit einbinden kann. Ich habe mit dem Podcast genau das gefunden, was ich wirklich machen will, weil ich es gesellschaftlich für wahnsinnig relevant halte, über Verbrechen zu reden.
Dürfen echte Mordgeschichten anderen zur Unterhaltung dienen?
Krasa: Es kommt immer darauf an, in welchem Ausmaß das passiert. Wir identifizieren uns überhaupt nicht mit Formaten, die möglichst brutal sind, wo möglichst viel Blut fließt, die voyeuristische Bedürfnisse befriedigen und man vergisst, dass es eigentlich um das Schicksal echter Menschen geht. Wir beschreiben unseren Podcast als Infotainment-Format. In jeder Folge ordnen wir Fälle in ein übergeordnetes Thema ein, das gesellschaftliche Probleme aufzeigt. Demnächst sprechen wir zum Beispiel über Reichsbürger. Es benötigt viel Recherchearbeit, um über solche Szenen aufzuklären und einzuordnen. Für uns ist es kein Unterhaltungsformat, aber ich kann natürlich nicht beeinflussen, aus welchen Motiven heraus Menschen unseren Podcast hören.
Paulina Krasa: „Manche Themen nehmen einen emotional sehr mit“
Wie reagieren eure Hörerinnen und Hörer? Hast du schon mal böse Nachrichten von euren Podcast-Fans erhalten, die durch das Hören Albträume oder Angstzustände bekommen haben?
Krasa: Es gibt Leute, die uns schon geschrieben haben, dass sie pausieren müssen. Das kann man auch verstehen. Wenn man sich jetzt alle Folgen von uns innerhalb von drei Monaten anhört, kann man den Eindruck bekommen, dass diese Verbrechen in Deutschland häufiger passieren, als das eigentlich der Fall ist. Mord und Totschlag passieren natürlich viel zu oft, aber statistisch gesehen nicht so häufig, dass man tatsächlich Angst haben muss, selbst Opfer dieser Straftaten zu werden.
Gibt es Verbrechen, die dich besonders mitgenommen haben?
Krasa: Natürlich, manche Themen nehmen einen emotional einfach sehr mit. Es gibt Menschen, die sich beispielsweise überhaupt keine Fälle anhören können, in denen Kinder die Opfer sind, weil sie das auf ihre eigenen Kinder beziehen. Bei mir war es der Fall des Bottroper Apothekers, der Krebsmedikamente gepanscht hat. In mir hat es so einen Schmerz ausgelöst, dass er etlichen Menschen die Chance auf Heilung genommen hat, nur um sich finanziell zu bereichern. Es ist natürlich nicht immer einfach, aber es schleicht sich auch eine gewisse Professionalität ein. Wenn ich immer stark von den Themen belastet wäre, die ich recherchiere, könnte ich den Job auch nicht machen.
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Haben sich schon mal Täter oder Angehörige der Opfer bei dir gemeldet?
Krasa: Einmal hat sich das Umfeld eines Täters gemeldet, das mit der Berichterstattung nicht zufrieden war. Es ist natürlich keine Überraschung, dass die Täterinnen und Täter das selbst alles ganz anders erlebt haben, als ein Gericht es festgestellt hat. Ein anderes Mal hat sich der Täter selbst bei uns gemeldet, der uns seine Sicht auf die Tat erklärt hat. Dabei handelte es sich aber nicht um einen kaltblütigen Mörder, sondern um einen Raser. In einem Fall hat sich die Tochter eines Entführers bei uns gemeldet, die froh war, dass wir den richtigen Namen ihres Vaters nicht genannt haben. Die Tat war schon lange her und fällt heute trotzdem noch auf sie zurück. Nachrichten von Angehörigen gab es schon häufiger. Bisher haben wir dahingehend aber noch keine unangenehmen Erfahrungen machen müssen.
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Im September bist du mit dem Format „Schuld & Sühne“ bei ZDFinfo im TV zu sehen. Worauf können sich die Zuschauerinnen und Zuschauer freuen?
Krasa: Im Unterschied zu „Mordlust“ können sich die Zuschauerinnen und Zuschauer bei „Schuld & Sühne“ die Orte des Geschehens selbst ansehen. Wir haben mit den Menschen gesprochen, die sich im Umfeld der Tat bewegt haben, um sehr nah an die Opfer heranzukommen. Somit hört man viele Stimmen von Betroffenen und Freundinnen und Freunden der Opfer. Wir haben eine gute Mischung aus Fallerzählung und Wissensvermittlung hinbekommen. Wir ordnen die Taten gesamtgesellschaftlich ein und jeder Film gibt einem etwas mit, worüber man sich noch länger Gedanken machen sollte.