Matthias Reim hat über seine neue Tour, die großen Höhen und Tiefen seiner Karriere und das Familienleben gesprochen. Dabei ließ er auch Unangenehmes nicht aus.
Matthias Reim ganz persönlich„Man kann kaum lauter aufs Maul kriegen als ich“
Es gab Zeiten, da bot sein wildes Privatleben mehr Gesprächsstoff als seine neuen Songs: Matthias Reim (66), Schöpfer des Ohrwurms „Verdammt, ich lieb dich“, hat nichts ausgelassen: turbulente Beziehungen, krachende Pleiten, schlimme Krankheiten.
Was ihn auszeichnet: Er hat sich nie ganz unterkriegen lassen, stand immer wieder auf, sang sich in neue Herzen. Auch jetzt ist er unüberhörbar, landete mit dem Album „Zeppelin“ in den Charts, ist auf Tour und am 27. Dezember Gast in der Kölner Lanxess-Arena.
Matthias Reim über sein Leben als „älterer Herr“
Diesmal nicht im Palladium, das Ihr Wohnzimmer geworden ist, sondern in der Arena. Keine Angst vor der Riesenhalle?
Matthias Reim: Warum das? Die Arena ist der absolute Burner. Besseres gibt es nicht. Für mich als älterer Herr, der langsam in die „Kultstar-Ecke“ rutscht, wird es Zeit, die Arena anzugreifen und zu zeigen, was ich kann. Dazu kommt, dass die Arena besser fürs Publikum ist: Die Bahn hält vor der Tür, es gibt genügend Parkplätze. Man kommt also trockenen Fußes hin und zurück.
Was werden wir von Ihnen hören? Die alten Hits? Die neuen Songs?
Matthias Reim: Die beste Matthias-Reim-Mischung. Etwa 80 Prozent sind die älteren Hits. Dazu natürlich Songs vom neuen Album, schon um zu zeigen, dass es bei mir immer weitergeht. Und es sind Neu-Entdeckungen dabei, Songs, die bei ihrem Start keine Hits wurden, inzwischen aber live gefeiert werden, zum Beispiel „Hallo, ich möchte gern wissen, wie's dir geht“. Kam 1997, als ich es geschrieben hatte, auf Platz 80 der Charts – jetzt singt jeder jeden Ton mit.
Sie sind einen Tag nach Weihnachten in Köln. Gibt es weihnachtliche Weisen?
Matthias Reim: Kein Stück. Ich bin die absolute Erholung von der Weihnachtsstimmung.
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Wichtiger Teil Ihrer Shows ist seit fast 35 Jahren „Verdammt, ich lieb dich“. War es nicht mal nervig, dass ohne diesen Song wirklich nix ging?
Matthias Reim: Stimmt, zu Beginn meiner Karriere war das wirklich nicht so toll. Ich konnte singen, was ich wollte, es war der einzige applaudierte Song, da konnte höchstens „Ich hab geträumt von dir...“ vom selben Album etwas mithalten. Das hat mich damals schon getroffen. Heute weiß ich, dass es einer der größten Glücksfälle meines Lebens war. Es ist immer noch die schönste Zugabe bei meinen Konzerten. Ich habe es schon tausende Male gesungen – und trotzdem freue mich immer wieder neu darauf, wenn ich „Ich ziehe durch die Straßen...“ singe, und das Publikum mitsingt.
Was hätten Sie vor 35 Jahren gesagt, wenn Ihnen jemand geweissagt hätte, dass Sie mit fast 70 immer noch auf der Bühne stehen?
Matthias Reim: Ich hätte diesen Jemand nur ausgelacht. Dieses ganz langsame, solide, aber manchmal auch mühselige Comeback, das ich durchlebt habe, hätte ich nicht für möglich gehalten. Das war überhaupt nicht selbstverständlich. In meinem Leben war so viel passiert: vom Superstar zum Superflop, pleite gegangen, langsam wieder aufgestiegen. Die vielen Dramen in der Liebe! Die meisten Leute, die so was durchmachen, versinken in der Versenkung.
Bei Ihnen war das anders ...
Matthias Reim: Ja, ich konnte immer wieder aufstehen und weiter emporsteigen. Ich glaube, dass mich die Leute mögen, weil ich mein Ding weiter durchgezogen habe. Sie wussten: Lauter und größer aufs Maul kriegen als ich, kann man kaum – und trotzdem kann man es schaffen ...
Waren Sie mal das Schwarze Schaf der Familie?
Matthias Reim: Nein. Ich hatte immer einen tierischen Familienrückhalt. Und schließlich war es mein Bruder, der mich nach meiner Pleite ins normale Leben zurückgeholt hat. Ohne mit der Wimper zu zucken hat er eine halbe Million genommen und gesagt: „Ich glaub' an dich! Ich bekomme das schon wieder!“ Als ich fragte „Und wenn nicht?“ antwortete er: „Dann war es eine Fehlinvestition. Aber ich habe in meinem Leben immer richtig investiert!“
Ihnen hat auch geholfen, dass der deutsche Schlager, der zu Beginn Ihrer Karriere am Boden lag, wieder Erfolge feierte. Woran liegt's?
Matthias Reim: Ja, vorher wurde Distanz zum Schlager gepredigt: „Das ist alles Mist, Scheiße! So etwas hört man nicht an! Schämt euch!“ Das hat sich von Grund auf geändert. Die, die es damals gesagt haben, lassen diese Musik heute mit einem Lächeln zu: „So schlecht ist das doch nicht!“ Damals war vieles amerikanisiert. Was die Sprache angeht, gibt es heute ein anderes Selbstbewusstsein. Auch, weil die Texte besser geworden sind – das ist zum Teil Musikern der Ex-DDR zu verdanken, die bis zur Wiedervereinigung nur deutschsprachige, dafür aber sehr gute Texte schreiben konnten.
Matthias Reim über seine Wurzeln – im Schlager liegen sie nicht
Sie selbst wollten früher nie mit Schlager, immer nur mit Rockmusik in Verbindung gebracht werden ...
Matthias Reim: ... und etwas davon ist bis heute geblieben. Ich mache was dazwischen. Meine Wurzeln sind im Rock der 70er, das hört man an meinem Song-Writing. Natürlich höre ich mir auch moderne Popmusik an, aber ich schreibe ganz anders – Musik aus einer anderen Zeit. Ich mache es so, wie ich es gelernt habe, als Kind der 70er, dem bin ich auch auf dem neuen Album„ Zeppelin“ treu geblieben. Die neuen Stücke enthalten klassische Rockelemente.
Ihre Fans wissen, dass Sie in Ihren Texten immer sehr persönlich sind. Welcher Song ist auf dem neuen Album am persönlichsten?
Matthias Reim: Ganz klar „Radio“. Da beschreibe ich, wie ich den Tod meines Vaters aufgenommen habe. Ich habe ihn über alle Maßen geliebt, umgekehrt war es auch so. Papa war Oberstudiendirektor, in seinem Beruf sehr ernst – aber in seiner Familie war er ein wunderbarer Kindskopf. Er ist 94 geworden, es war zu erwarten, dass es zu Ende ging, eigentlich waren wir darauf vorbereitet – aber als es passierte, hat es uns den Boden unter den Füßen weggerissen.
Sie selbst haben sieben Kinder, Ihre jüngste Tochter ist zwei Jahre alt. Sind Sie Ihr ein besserer Familienmensch als früher?
Matthias Reim: Ich glaube, ja. Ich weiß inzwischen, was mir meine Frau, meine Kinder und vor allem mein Baby bedeuten. Ich bin mir dessen viel bewusster als vor 20 Jahren. Die Familie spielt inzwischen eine größere Rolle als die Karriere, das war nicht immer so.
Denken Sie manchmal daran, dass Sie mit Ihrer kleinen Tochter wahrscheinlich nicht mehr so viel Lebenszeit verbringen werden, wie mit Ihren anderen Kindern?
Matthias Reim: Natürlich ist mir das klar. Wer weiß, wie lange es mich noch gibt, ich hoffe, es werden noch 30 Jahre. Ich möchte die Kleine natürlich aufwachsen sehen, aber ich weiß, dass ich nicht mehr da bin, wenn sie 50 wird. Das belastet mich aber nicht. Für die Kleine nehme ich mir sehr viel Zeit. Das war bei den anderen nicht so, die hatten nicht so viel von mir. Bei ihnen war ich noch getrieben: Als sie klein waren, war ich finanziell in der sehr schlechten Situation, aus der ich rauskommen wollte. Heute möchte ich möglichst viel Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern verbringen.
Was würden Sie sagen, wenn Sie den 30-jährigen Matthias träfen?
Matthias Reim: Ich würde ihm die Leviten lesen, ihn anbrüllen: „Hör auf zu spinnen! Hör auf zu träumen! Mach deinen Job, lass die Nase unten, konzentriere dich auf das, was du kannst!“
Was antwortet der junge Matthias?
Matthias Reim: Ich hätte gesagt: „Ach, Alter, lass mich in Ruhe. Ich mache mein Ding, so wie ich es machen möchte. Wird schon irgendwie klappen!“
Matthias Reim: Vier Ehen, sieben Kinder
Matthias Reim (geboren am 26. November 1957 in Korbach) brach sein Anglistik- und Germanistik-Studium in Göttingen ab, veröffentlichte 1984 seine erste Solo-Single „Von fernen Sternen“. Er war Komponist für Bernhard Brink, Roy Black, Jürgen Drews und Tina York. 1990 dann der Mega-Hit „Verdammt, ich lieb dich...“ und sein erstes Album „Reim“. Veröffentliche mit Ex-Lebensgefährtin Michelle (52) die Hit-Singles „Idiot“ (2002) und „Nicht verdient“ (2018).
Er hat sieben Kinder, fünf stammen aus seinen vier Ehen. Sohn Bastian (geboren 1987) aus seiner Ehe mit Miriam Reim starb 2022. Aus der Ehe mit Margot „Mago“ Scheuermeyer stammt Sohn Julian Reim (24), der Schlagersänger geworden ist. Aus der Beziehung mit Michelle stammt Tochter Marie Reim (24), die auch Schlagersängerin ist. Mit seiner vierten Ehefrau, Schlagersängerin Christin Stark (35), hat er eine Tochter (2). Die Familie wohnt in Stockach (nahe Bodensee).