Taylor Swifts „The Eras Tour“ macht gerade Halt in Deutschland. Gelsenkirchen stellte sogar kurzum Schilder mit dem neuen Namen „Swiftkirchen“ auf. Und obwohl die Künstlerin scheinbar die ganze Welt in ihren Bann zieht, gibt es immer wieder Gegenstimmen. Warum diese jedoch einen sauren Beigeschmack haben? Ein Kommentar.
Wenn Frauen Erfolg habenDie Doppelmoral hinter der Kritik an Taylor Swift
An ihr kommt momentan niemand vorbei: Taylor Swift. Für viele ist sie nicht weniger als der größte Popstar der Welt – denn die Künstlerin bricht mit ihren elf Alben und der gigantisch aufgezogenen „The Eras Tour“ alle Rekorde. Doch das scheint nicht allen zu gefallen: Die Hass-Welle gegen Swift ist besonders online extrem groß.
Sämtliche Social-Media-Kanäle, die über Taylor Swift berichten, werden geflutet von Menschen, die den Hype nicht verstehen, ihre Musik nicht mögen, die „Swifties“ (so nennen sich die Fans der Künstlerin) nervig, und Swift als Person sowieso langweilig und überschätzt finden.
Das Phänomen Taylor Swift: Warum eine Frau so polarisiert
Oder wie Tara-Louise Wittwer so smart in ihrer „Spiegel“-Kolumne anmerkt: „Manche Menschen ab 45 denken noch immer, es ist ein origineller Witz, unter einen Bericht von mehrfachen Grammy-Gewinnerinnen in die Kommentarspalte ‚Wer?‘ oder ‚Nie gehört‘ zu schreiben, als sei es ein cooler Move, so uninformiert über die Welt zu sein, dass man selbst die berühmtesten Musikerinnen nicht kennt.“
Doch wie kann es sein, dass eine Frau, die mittlerweile die wahrscheinlich größte Fangemeinde in der Popmusik-Branche besitzt und die am meisten gestreamte Künstlerin weltweit auf Spotify ist, trotzdem noch so vielen Menschen negativ aufstößt?
Die Antwort ist simpel: internalisierte Misogynie. Also die unterbewusste Frauenfeindlichkeit, die Abwertung von Frauen und all dem, was als „feminin“ gilt. Frauen, die Erfolg haben, mit etwas, das in erster Linie andere Frauen (oder in TikTok-Sprache: die girls, gays and theys) anspricht, denen wird ihr Erfolg abgesprochen – insbesondere, weil dieser Erfolg mit Themen oder Ästhetiken verbunden ist, die als „weiblich“ gelten.
Und dahinter steckt die klassische Doppelmoral: Denn alles, was vor allem Frauen und Mädchen abfeiern, wird als „cringe“, „uncool“, „nervig“ abgestempelt, die Fans seien „hysterisch“, „fanatisch“ und „übertrieben“, weil sie zu Tausenden auf Konzerte von Boybands laufen oder halt bunte Freundschaftsarmbänder für ein Taylor-Swift-Konzert basteln.
Im Gegensatz dazu wird der Hype um männliche Künstler selten hinterfragt. Coldplay und auch Travis Scott begeisterten erst vor kurzem auf massiv aufgefahrenen Konzerten tausende Fans in Nordrhein-Westfalen. Und auch hier reisen die Besucherinnen und Besucher von weit her an, bezahlen dicke Ticketpreise und fiebern darauf hin, ihre Idole auf der Bühne zu sehen. Ihre Erfolge werden meist als legitim angesehen und ihre Fans nicht als „übertrieben“ beschrieben.
Ähnlich verhält es sich bei Superhelden-Filmen. Blockbuster mit männlichen Hauptfiguren, wie „The Avengers“ oder „Spider-Man“, die meist ohne viel Diskussion als große Erfolge gefeiert werden.
Wenn dann ein Film mit einer weiblichen Heldin veröffentlicht wird (beispielsweise „Wonder Woman“ oder „Captain Marvel“), gibt es häufig die Diskussion, ob dieser Film tatsächlich so erfolgreich ist oder ob der Hype nur durch geschicktes Marketing künstlich verstärkt wurde. Auch hier wird die Leistung von Frauen in diesen Rollen oft pauschal niedriger bewertet, unabhängig von der tatsächlichen Filmqualität.
Man kann durchaus berechtigte Kritik an Taylor Swift üben, wie die Auswirkungen ihrer Konzerte auf die Umwelt oder die hohen Ticketpreise. Und trotzdem richtet sich die vermeintliche Kritik viel zu oft an Taylor als Person, an die Swifties als Fangemeinschaft.
Bei keinem anderen Künstler wird jedoch so oft gefragt, ob die Person den Hype verdient hat oder nicht. Statt Energie darauf zu verwenden, den Erfolg und den Einfluss einer Frau zu schmälern, die offensichtlich eine ganze Generation bewegt und inspiriert, sollten wir uns fragen, warum wir uns in der Kritik so oft an Frauen festbeißen. Vielleicht ist es an der Zeit, die Doppelmoral zu erkennen und abzulegen, die Erfolg und Leidenschaft bei Frauen abwertet, während sie bei Männern so oft gefeiert wird.
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Denn letztendlich ermutigt Taylor Swift nun einmal so unfassbar viele Fans, sich selbst treu zu bleiben und ihre Stimmen zu erheben – und einfach mal laut „Fuck the Patriarchy“ (dt.: „Scheiß auf das Patriarchat“, aus dem Song „All Too Well“) mitzuschreien. Und das geht nur, weil die 34-Jährige „Safe Spaces“ errichtet, in denen sich ihre Fans sicher fühlen.
Man muss die Sängerin nicht toll finden, man muss ihre Musik nicht hören – denn da sind Geschmäcker halt verschieden. Allerdings kann man sich überlegen, ob man es in dem Zuge nicht auch einfach lassen kann, anderen Personen ihren Spaß an einem Konzert, an einer Erfahrung, die Millionen von Menschen zusammenführt, abzusprechen.