„Maischberger“Ex-Verteidigungsminister und Linken-Urgestein: Am Ende wird es persönlich

Sandra Maischberger diskutierte mit Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg und Linken-Politiker Gregor Gysi unter anderem über den gescheiterten Asylgipfel. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Sandra Maischberger diskutierte mit Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg und Linken-Politiker Gregor Gysi unter anderem über den gescheiterten Asylgipfel.

Die Zweiertalks in der ARD-Talkshow Maischberger im Ersten sind oft durch unterschiedliche Meinungen geprägt. Am Dienstagabend ist das anders. Da treffen sich zwei Freunde.

Im Bundestag lernten sie sich kennen. Sie respektieren sich: das Linken-Urgestein Gregor Gysi und der ehemalige CSU-Minister Karl Theodor zu Guttenberg. Vor gut einem Jahr trafen sie sich wieder und beschlossen, gemeinsam einen Podcast zu starten. Darin unterhalten sie sich über die Weltlage, obwohl sie in vielen Dingen verschiedener Ansicht sind. Sie lernen voneinander. Inzwischen sind sie Freunde geworden. Am Dienstagabend trafen sie sich bei Maischberger. Die Diskussion verlief freundlich, sie machten sich ein wenig über den anderen lustig. Und am Ende machte zu Guttenberg seinem Kollegen ein Riesenkompliment.

Doch zunächst wurde Tacheles geredet. Zum Beispiel über den gescheiterten Migrationsgipfel von Ampelkoalition und Union, den CDU-Chef Merz am Ende platzen ließ.

Gysi: „Ich verstehe das nicht“

Gysi holte aus: „Was ich nicht verstehe: Wenn ich wirklich an die Sache denke und nicht daran, wie ich im Wahlkampf da oder dort ankomme, hätte ich immer an der Stelle von Merz versucht, das meiste von dem zu erreichen, was er wollte. Dann wäre ich rausgegangen und hätte gesagt, das machen wir und das machen wir, aber das reicht uns überhaupt nicht. Wir wollen noch das, dies und jenes. Aber das konnte ich nicht durchsetzen. Das ist ja auch eine Art von Wahlkampf. Ich verstehe das nicht. Warum muss man so was vorführen, dass dann die beiden - Merz und Bundeskanzler Scholz - sich so beharken, sodass dann die Leute sagen, ich will weder den einen noch den anderen?“

Zu Guttenberg kritisierte die Brandmauer-Beschlüsse der Union: „Mir fehlt die intellektuelle Kraft, zu verstehen, wie man einerseits einen harten Brandmauerbeschluss gegen die Linke hat, und sich letztlich öffnen muss gegenüber dem BSW.“  (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Zu Guttenberg kritisierte die Brandmauer-Beschlüsse der Union: „Mir fehlt die intellektuelle Kraft, zu verstehen, wie man einerseits einen harten Brandmauerbeschluss gegen die Linke hat, und sich letztlich öffnen muss gegenüber dem BSW.“

Ein derartiges Verhalten sei zudem „vielleicht problematisch für unsere Gesellschaft“, erklärte der Linken-Politiker.

„Die etablierte Politik, von den Linken bis zur CSU, wird von einem wachsenden Teil der Bevölkerung abgelehnt. Das macht mir große Sorgen, weil das nicht begriffen wird: Es geht zum Teil um existenzielle demokratische Fragen. Und da müssen wir uns anders benehmen. Wir müssen wieder glaubwürdig werden gegenüber der Bevölkerung.“

Gysi kritisiert Friedrich Merz nach gescheitertem Asylgipfel

Zu Guttenberg fügte hinzu: „Wenn man eine Problemstellung oder eine Herausforderung hat wie die Migrationspolitik, die jetzt nicht seit vorgestern gegeben ist, sondern wo seit neun Jahren nichts anderes passiert, als dass man sich im Kleinklein zerlegt, und gleichzeitig ein fortschreitendes Konjunkturprogramm für die AfD schreibt, da fragt man sich, ob der Gong nicht gehört wurde. Jemand hat mal gesagt, Demokratie sei die Herrschaft über die Unbeherrschten. Wenn aber die Unbeherrschten mittlerweile die Regierenden sind, dann hat man wirklich ein Problem in diesem Land.“

Zu Guttenberg legte Linken-Politiker Gregor Gysi nahe, noch einmal für den Bundestag zu kandidieren. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Zu Guttenberg legte Linken-Politiker Gregor Gysi nahe, noch einmal für den Bundestag zu kandidieren.

Ob die Forderungen zu hoch gewesen seien, die Friedrich Merz gestellt habe, wollte Moderatorin Maischberger wissen. Zu Guttenberg antwortete, dass es zunächst okay sei, Maximalforderungen zu stellen. „Die Problematik beginnt dann, wenn man nicht konsensfähig ist.“

Gysi geht davon aus, das Verhalten von Friedrich Merz sei von der kommenden Bundestagswahl beeinflusst. „Aber wenn die so nahe liegt, wenn die nur noch ein Jahr entfernt ist, kann man doch Kompromisse machen. Merz könnte rauskommen und sagen, ich habe nicht alles erreicht, aber in einem Jahr können wir ja andere Mehrheiten wählen. Und dann würden wir versuchen, mehr durchzusetzen. Aber nein.“

Zu Guttenberg: „Wahl zwischen Hühnerauge und Fußpilz“

Wichtiges Thema in diesen Wochen waren die möglichen Koalitionsverhandlungen in Thüringen und Sachsen. In beiden Bundesländern hat die Linke deutlich verloren. Einer der Wahlsieger in beiden Bundesländern ist das Bündnis Sahra Wagenknecht. Er habe gewusst, dass die Ex-Linke bei den drei Wahlen in Ostdeutschland Erfolg haben werde.

„Aber ich glaube nicht, dass das auf Dauer hält“, sagte Gysi. Das BSW mache eine Flüchtlings- und Europapolitik wie die AfD, eine Wirtschaftspolitik wie die CDU in den 1960-ern und eine Sozialpolitik wie die Linken. „Und sie geht davon aus, man addiert die Stimmen. Das funktioniert auch eine Weile, dann aber nicht mehr, weil die einen sie aus dem einen Grund nicht wählen, die anderen aus einem anderen Grund.“

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Zu Guttenberg kritisierte in diesem Zusammenhang die Brandmauer der Union: „Mir fehlt die intellektuelle Kraft, zu verstehen, wie man einerseits einen harten Brandmauerbeschluss gegen die Linke hat, und sich letztlich öffnen muss gegenüber dem BSW. Das übersteigt meine Kapazitäten.“

Bundespolitische Themen dürften nicht eine Koalitionsbildung einer Landesregierung beeinflussen. Gleichzeitig dürfe als Ergebnis einer komplizierten Wahl nicht die Unregierbarkeit zweier Bundesländer stehen. „Das ist ein bisschen die Wahl zwischen Hühnerauge und Fußpilz“, so zu Guttenberg.

Wie lange macht es Gysi noch?

Zum Schluss wurde es persönlich; Wie es mit ihm in der Politik weitergeht, wisse er noch nicht, erklärte Gysi. Die Entscheidung mache er von dem Linken-Parteitag im Oktober abhängig, sagt er. Zu Guttenberg sah das anders. Er wisse, dass Gregor Gysi noch einmal zur Wahl für den Bundestag antreten werde. Dann sei er Alterspräsident, und der dürfe die Eröffnungsrede im Bundestag halten. Und da dürfe er so lange reden, wie er wolle.

Gysi gefällt die Idee augenscheinlich: „Wenn der Bundestag aufsteht, wenn ich reinkomme, ist das schon eine nette Geste.“ „Ich rate ihm, anzutreten“, sagte zu Guttenberg. Und das meinte er ernst: „Dem Bundestag tun Köpfe gut, die über solche intellektuellen Kapazitäten verfügen, und die gleichzeitig noch die Gabe des Humors haben und sich nicht erschüttern lassen von so manchem Wind, der ihnen entgegenbläst. Ich würde es mir wünschen.“ (tsch)