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„Freiwillig begebe ich mich nicht mehr in Gefahr“Wie der Tod ihres Bruders Bärbel Schäfer veränderte

Bärbel Schäfer moderiert "Notruf"

Wiederbelebung eines TV-Formats: Bärbel Schäfer moderiert montags bis freitags „Notruf“ (18 Uhr, Sat.1). Das undatierte Foto zeigt die Moderatorin vor einem Rettungswagen.

Moderatorin und Buchautorin Bärbel Schäfer hat mit EXPRESS.de über das Comeback der TV-Reihe „Notruf“, den tragischen Unfalltod ihres Bruders und die Lehren, die sie daraus gezogen hat, gesprochen.

von Horst Stellmacher  (sm)

Eine Frau für alle Fälle: Bärbel Schäfer (60) haucht seit einer Woche montags bis freitags der Sendung „Notruf“ (18 Uhr, Sat.1) neues Leben ein. Sie ist mit ihrem Bestseller „Eine Herde Schafe, ein Paar Gummistiefel und ein anderer Blick aufs Leben“ (Kösel Verlag, 22 Euro) auf Lesereise.

Sie führt jeden Sonntag einen Promi-Talk im Radiosender HR3. Sie stellt auf Youtube Bücher und Autoren vor. Und sie hat Familie. Über all das – und noch viel mehr – gibt sie Auskunft im großen EXPRESS.de-Interview.

Bärbel Schäfer moderiert Neuauflage von Hans Meisers „Notruf!“

Lassen Sie uns mit „Notruf!“ beginnen, den wir nun bei Sat.1 sehen. Viele Formate, die früher gut funktionierten, haben es heutzutage schwer. Was hat Sie bewogen, „Notruf“ aufzuwärmen?

Bärbel Schäfer: Ich habe viele andere Sachen abgelehnt – habe aber hier gesagt, dass das Thema passt. Denn gesundheitliche Probleme, Unfälle, Schocksituationen wollen wir alle überwinden, jeder kennt dafür die Nummer des Notrufs. Und wenn man das Format von heute mit dem von damals vergleicht, merkt man, dass da nichts aufgewärmt ist. Jetzt stellen wir echte Geschichten von echten Rettungssanitäterinnen, Sanitätern und Notfallärzten nach, die alle im normalen Alltag passiert sind.

Die Sendung wird täglich ausgestrahlt – gibt es genügend Fälle?

Bärbel Schäfer: Aber ja. Es geht ja nicht nur um Unfälle auf der Autobahn, die einem vielleicht zuerst einfallen. Da verletzt sich jemand beim Rasenmähen, ein Mann stürzt voller Wut aus dem Haus und erleidet beim Autofahren einen Herzinfarkt. Es kann sein, dass Frauen Hilfe brauchen, dass Kinder was verschlucken, es plötzlich im Kinderzimmer still wird. Ich habe so viele emotionale Bilder im Kopf, wenn ich an einen Notruf denke und im Laufe der Jahre viele Situationen erlebt, bei denen schnelle Hilfe wichtig war.

Am schlimmsten war für Sie sicher, als Ihr Bruder Martin vor über zehn Jahren auf der A9 tödlich verunglückte…

...ja, und vielleicht habe ich auch deswegen dieses Format angenommen. Ich weiß, wie es ist, wenn die Rettungshelfer versuchen, Leben zu retten. Seitdem habe ich einen ganz anderen Blick auf ihre Arbeit. Wenn ich jetzt auf der Autobahn im Stau stehe und sehe, dass vorne Blaulicht ist, drehe ich nicht durch und ärgere mich, dass ich zu spät zu meinem Termin komme, sondern ich weiß, dass da Menschen arbeiten und versuchen, Leben zu retten.

Es ist sehr schwer, einen Bruder zu verlieren…

Bärbel Schäfer: Ja. Wir haben zusammen in Köln TV-Shows produziert, haben zusammen in einer WG gewohnt, waren besten Freunde, haben uns über alles unterhalten – und dann blieb mir eines Tages nur noch der Monolog. Wenn verwaiste Geschwister Erinnerungsinseln alleine betreten, ist das sehr schmerzhaft. Geschwister kennen noch das Nest, in dem sie behütet wurden, sie kennen noch die Eltern, sie haben eine eigene Sprache, eine eigene Komik oder vielleicht auch die eigene bescheuerte Tante, über die sie gemeinsam lachen. Alles vorbei.

Bärbel Schäfer und Horst Stellmacher

Gutes Gespräch: Moderatorin und Autorin Bärbel Schäfer mit EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher.

Was haben Sie durch diese schreckliche Erfahrung für sich gelernt?

Bärbel Schäfer: Dass ich mich nicht mehr freiwillig in Situationen begebe, die gefährlich sind. Dass ich mich heute anders von Menschen verabschiede – weil ich weiß, das alles kann von einer Sekunde zur nächsten zu Ende sein. Ich tauche intensiver ins Leben ein, bin dankbarer für das Glück, das ich habe: eine intakte, lebendige Beziehung, Familie und Freundschaften.

Das andere Thema, über das wir sprechen wollen, scheint weit entfernt von „Notruf!“ zu sein. Es geht um Ihre Erlebnisse bei einem Schäfer. Oder gibt es Verbindungen?

Bärbel Schäfer: In der Tat, es gibt eine Verbindung – das ist die des bedingungslosen Verantwortungsgefühls, das die Berufsgruppen in sich tragen.

Wie sind Sie gerade auf den Schäfer-Beruf gekommen? Wegen Ihres Namens?

Bärbel Schäfer: Das hat mit meinem Namen nichts zu tun. Wenn ich Fischer hieße, hätte ich nicht angefangen, mich für Fische zu interessieren, beim Namen Bienentreu wäre ich nicht zur Imkerin geworden. Ich führe zahlreiche Interviews bei HR3 zum Thema Erderwärmung, Klimawandel, wollte mich der Natur nähern, nicht nur am Laptop recherchieren.

Warum gerade Schäfer und Schafe?

Bärbel Schäfer: Ich war früher ein frischluftgestähltes Draußen-im-Matsch-Kind, war mit einem festen grünen Faden mit der Natur verbunden. Den habe ich im Laufe meiner Berufstätigkeit verloren, wollte ihn wieder aufnehmen und fest verknüpfen. Ich wollte dieses Erlebnis, das ich als Kind hatte, wenn ich mit den Großeltern auf sandigen Wegen in der Heide oder an Deichen oben in Norddeutschland war, wiederbeleben. Dazu eignen sich Schafe – die spielten für mich auf der Heide und dem Deich eine große Rolle.

Unser Spaziergänger-Blick verspricht uns Romantik, wenn wir einen Schäfer mit Herde sehen. Ist das angemessen?

Bärbel Schäfer: Nein, ich glaube, eher nicht. Für die Schäfer, die ich interviewt, und den, den ich begleitet habe, ist das vor allem harte körperliche Arbeit rund um die Uhr. Da ist nicht viel Romantik im Spiel – finanziell ist das nicht romantisch, die Verantwortung ist nicht romantisch, und das, was man für das Fleisch oder die Wolle bekommt, auch nicht. Bei meinem Schäfer gibt es keine Vier-Tage-Woche-Diskussion. Und seine Themen sind auch Regionalität, Klimawandel und immer weniger Weideflächen.

Hier gern an unserer EXPRESS.de-Umfrage teilnehmen:

Die Begegnung muss Sie sehr beeindruckt haben...

Bärbel Schäfer: Natürlich. Ich bin in eine andere Welt eingetaucht. Ich habe erlebt, was Menschen leisten, die eine Verantwortung für Tiere, für eine Herde haben. Während wir unseren Sommerurlaub oder eine Auszeit planen oder über unsere Work-Live-Balance grübeln, tragen sie permanent eine Verantwortung. Dieses enorm hohe Pflichtbewusstsein hat mich beeindruckt.

Man sagt, Schafe stinken – wie sind Sie damit klargekommen?

Bärbel Schäfer: Ich hatte damit kein Problem. Für mich ist das kein Gestank. Ich glaube aber, dass diejenigen, die ich ab und zu mit meinem Auto mitgenommen habe, eher damit zu kämpfen hatten.

Ein schönes Wort für das, was ganz privat im Leben von zwei Menschen passiert, ist „Schäferstündchen“. Woher weiß der Schäfer, wann seine Schafe das erleben?

Bärbel Schäfer: Mein Schäfer hat einen Trick. In der Paarungsphase, wenn der Bock zu den Schafen kann, sprüht er den Rücken des Weibchens mit Farbe ein. Wenn der Bock am nächsten Morgen die Farbe am Bauch hat, weiß der Schäfer, dass da was gelaufen ist und kann mit Zuwachs planen.

Fernsehmoderatorin Bärbel Schäfer auf einem undatierten Foto aus den 1990er Jahren

Ihre tägliche TV-Talkshow war in den 90ern Kult: Bei „Bärbel Schäfer“ gab es auch öfter mal Krawall unter den Gästen.

Im Titel Ihres Buches schreiben Sie auch, dass Sie einen anderen Blick aufs Leben gewonnen haben – was hat sich verändert?

Bärbel Schäfer: Natürlich hat sich mein Leben nicht komplett geändert hat, da bin ich zu realistisch. Aber ich bin sensibler für die Natur geworden. Ich habe gemerkt, dass es Dinge gibt, die Zeit brauchen. In diesen Details eine Ruhe und Schönheit zu entdecken – das ist das, was ich mitnehme. Eine Folge davon ist, dass ich im Sommer eine Alpenüberquerung starte zu Fuß.

Letzte Frage: Sie sind im Dezember 60 geworden. Berührt Sie Alter?

Bärbel Schäfer: Boomer-Birthday. Das Leben ist so intensiv und so reich, und es gibt noch so viel zu sehen, zu lernen. Ich frage mich, was ich noch an Begegnungen mitnehmen kann, ohne hektisch zu werden. Ich weiß aber auch, dass es ein Geschenk ist, hier im Westen kriegsfrei aufgewachsen zu sein. Man hätte ja an einem anderen Ort geboren werden können!

Bärbel Schäfer: Von der Hotelfachfrau zur Talkshow-Lady

Bärbel Schäfer (geboren am 16. Dezember 1963 in Bremen) war 1980/81 mit einem Highschool-Stipendium in den USA. 1984 machte sie ihr Abi in Bremen, daran schloss sich eine Ausbildung zur Hotel-Fachfrau in Köln an (im Europa-Hotel am Dom). Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, arbeitete bei der Galerie Christel Schüppenhauer in Köln. Anfang der 1990er war sie dann Aufnahme- und Kabelhilfe beim WDR, wo sie auch ein Praktikum machte.

Es folgte die Moderation u. a. von „Hollymünd“. 1995 bis 2002 hatte sie ihren Daily Talk „Bärbel Schäfer“ (RTL). 2000 die RTL-Show „Ihr seid wohl wahnsinnig“ (mit Kalle Pohl). 1998 gründete sie mit ihrem Bruder Martin Schäfer (1966-2013) die Produktionsfirma „Couch Potatoes“. Seit 2009 hat sie ein Talk-Format beim Radiosender HR3 (sonntags, 10 Uhr). Seit Oktober 2023 macht sie den Bücher-Talk „Book: deluxe“ auf Youtube. Sie ist seit 2004 mit dem Publizisten Michel Friedman (68) verheiratet. Die beiden haben zwei Söhne.