TelefonphobieKurios: Jugend hat Angst vor dem Anrufen
Köln – Klingt kurios: Immer mehr Menschen – vor allem Jugendliche – fürchten sich vor Gesprächen am Telefon. Falls das Smartphone klingelt, erschrecken viele. Oder der Gesprächspartner wird lieber weggedrückt, als mit ihm zu sprechen. Ist ein Telefongespräch unumgänglich, bricht bei vielen schon der Angstschweiß aus. Und dieses Verhalten ist keine Seltenheit.
Laut Studien telefonieren Jugendliche äußerst ungern. Der Branchenverband Bitkom hat im Jahr 2017 festgestellt: „Telefonieren ist bei jungen Deutschen out. Stattdessen kommunizieren Kinder und Jugendliche lieber per Messenger oder SMS.“
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Auch die JIM-Studie 2018 (JIM = Jugend, Information Medien) belegt diesen Trend. So hat man festgestellt, dass sich heutzutage etwa 95 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren in Deutschland regelmäßig über andere Kommunikationsplattformen – wie beispielsweise über WhatsApp – austauschen. Jugendliche erhalten im Schnitt ungefähr 36 Textnachrichten pro Tag. Nur jeder Fünfte nutzt sein Smartphone zum Telefonieren.
Trend geht zur „Telefonphobie“
Laut einer aktuellen Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wächst die Anzahl der Jugendlichen sogar, die das Telefongespräch aktiv meiden und Hemmungen davor haben.
Begründung: Viele junge Leute haben Angst vor einem Telefonat, bei dem man spontan und sofort auf Fragen des Gegenübers antworten soll. Der Begriff dafür nennt sich „Telefonphobie.“
Das Phänomen verstehen
Die Heidelberger Psychiaterin Nadine Wolf erklärt die Ursachen dafür: „Angst, abgelehnt zu werden, Angst davor, sich am Telefon peinlich oder unsicher zu verhalten, oder einfach auch davor, dass man am Telefon ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und mit unbekannten Personen spricht.“
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Auch fühlen sich junge Leute bei der schriftlichen Kommunikation weniger angreifbar. So haben sie mehr Zeit eine Textnachricht zu verfassen und müssen nicht direkt reagieren. Laut Wolf kann die Telefonphobie zu einer neuen Ausprägung der Sozialphobie werden.
Telefonphobie kommt durch den digitalen Wandel
Die immer fortschreitende Digitalisierung spielt auch eine große Rolle bei der Telefonangst. So ist aus der JIM-Studie hervorgegangen, dass sich durch die neuen Kommunikationswege die Parameter der gegenseitigen Kommunikation grundlegend verändert haben, da Jugendliche mit einem breiten Medienangebot aufwachsen.
Fast alles ist in der heutigen Zeit auch ohne ein Telefongespräch durchführbar, wie beispielsweise online eine Pizza zu bestellen oder den Friseurtermin zu vereinbaren.
Anruf nur, wenn es nicht anders geht
Aber nicht nur ganz junge Menschen greifen immer seltener zum Hörer. YouTuberin Stephanie Cao (23) hat auf YouTube fast 4000 Abonnenten und im Internet keine Hemmungen ein mehrminütiges Video von sich zu posten.
Anrufe fallen der Berlinerin aber schwer. So telefoniert sie nur, wenn es unbedingt sein muss und das nur direkt nach dem Aufstehen: „Da bin ich noch sehr entspannt,“ gibt sie zu.
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Auch Studentin Jule V. (26) aus Köln leidet unter Telefonangst: „Ich weiß eigentlich nicht so richtig, woher diese Hemmungen kommen, aber alleine der Gedanke gleich mit jemandem am Telefon zu sprechen, stresst mich enorm.“ Auch gibt sie an, dass sie die Ängste bei Familienmitgliedern und Freunden nicht hat: „Bei Leuten, die ich kenne und die wissen, wie ich bin, habe ich das Problem nicht.“
Telefonieren neu erlernen
Die Symptome beim Telefonieren sind vielfältig: Betroffene können an Erröten, Zittern, Schwitzen, Stottern bis hin zum Erbrechen vor Angst leiden. Ein Arztbesuch sollte bei starker Telefonangst definitiv erfolgen.
Expertin Nadine Wolf sagt, dass das Telefonieren bewusst unter therapeutischer Anleitung neu erlernt werden kann. Nur wer sich seiner Angst stellt und ihr durch mehrfaches Üben entgegentritt, kann den Teufelskreis der Phobie durchbrechen.
Telefonangst? Tipps & Tricks
Schriftliche Fixierung: Für viele Betroffene ist es hilfreich, sich im Vorfeld eines Telefonats eine Art „Spickzettel“ zurechtzulegen. Dies kann helfen, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.
Übung macht den Meister: Je öfter man zum Hörer greift, desto angenehmer und routinierter werden zukünftige Telefonate.
Hilfe suchen: Es gibt zahlreiche Angebote, um gegen seine Ängste anzukämpfen: Coachings, Seminare und Trainings nutzen.
Positive Ausstrahlung: Ein Lächeln auf den Lippen macht direkt eine positivere Stimme. Auch der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung merkt und hört dies. Die Situation kann sich so schneller entspannen.
Video-Chat: Seit Corona und Homeoffice nicht mehr wegzudenken und eine gute Alternative zum Telefonieren: Die Face-to-Face-Kommunikation via Videocalls. So bekommt am vom Gesprächspartner auch nonverbale Signale mit.