Vermeintlich unmoderne Tischware ist noch verdammt wertvoll. Und einiges in Sachen Geschirr bleibt immer zeitgemäß. Warum das so ist, erklären wir mit Expertinnen-Hilfe.
Und, noch alte Tassen im Schrank?Erbstücke, Kellerschätze: Expertin erklärt, wann Porzellan und Co. richtig was wert sind

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Ganz viel Keramik (ja, auch Porzellan zählt zur Keramik) auf einem Tisch versammelt. Und es lohnt sich schon, auf Flohmärkten mal unter Untertassen, Tassen, Teller und Co. zu schauen.
Neulich in der Teeküche: Huch, diesen Teller kennst du doch! Gut, das Dekor ist nicht das modernste, die Farbkombi Jägergrün mit Orange und Rot ist – naja – auch gewöhnungsbedürftig. Aber genau das gleiche Geschirr hatten doch auch die eigenen Eltern daheim, oder nicht? Schnell mal gegoogelt.
Und siehe da: Die Serie „Tirol Bauernrose“ von Schramberg wird beim Kleinanzeigenhändler im Netz noch für 8 Euro pro Teller gehandelt! Was schlummert wohl noch so an Geschirr-Schätzen in den Büroküchen der Republik, und erst recht bei Muttis und Omis im Schrank, haben wir uns da gefragt. „Tirol“ hat wohl eher Liebhaberwert, da nur aus profanem Steingut.

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Unsere EXPRESS-Teeküchenfunde: „Tirol Bauernrose“ (links) und Winterling Markleuthen „Doppio Sergio“. Beide Teller werden noch für 8 bis 10 Euro gehandelt. Immerhin!
Aber Porzellan, das ist „weißes Gold“. Früher so kostbar, dass es beinahe in selbigem aufgewogen werden konnte – und auch heute erzielen manche Stücke aus klangvollen Manufakturen wie Meissen, KPM, Fürstenberg, Nymphenburg, Rosenthal und Co. gute Preise auf Auktionen.
Wir zeigen hier, wie sich Porzellan von Steingut unterscheidet und warum es sich lohnt, mal in der Teeküche oder in Omas Keller nach feinkeramischen Fundstücken zu fahnden. Außerdem erklärt die Porzellan-Fachexpertin und Gutachterin Andrea Müller-Fincker, was edles „Meissen“ mit Ikea-Tellern gemein hat und wie man als Laie herausfindet, ob Flohmarkt- oder Dachbodenfund etwas wert sind.
Porzellan surft voll auf der Nostalgiewelle
„Porzellan ist immer ein Kind seiner Zeit“, sagt Andrea Müller-Fincker, „im Barock beispielsweise war alles üppig, während in der heutigen Zeit eher schlichte Dekore angesagt sind.“ Das eine schließt das andere aber nicht aus, denn durch einen Eyecatcher wie eine aufwendig bemalte Gebäckschale, eine Sauciere mit Streublumendekor von Meissen oder eine Anrichteplatte mit Flora-Danica-Motiv von Royal Copenhagen, kombiniert zu weißem, schnörkellosem Service, wird jeder Tisch zur Tafel.
Aber auch sonst sind Tischwaren, Vasen, Gläser und Co. wie aus Omas Zeiten wieder schwer angesagt – Geschirr und Gläser im Vintage-Stil schwimmen zuoberst auf der Nostalgiewelle. Geradezu nachhaltig kommen da detailreiche Blümchendekore auf Kaffeetassen, strenge Bauhaus-Linien an Blumenvasen oder auch urige Steingut-Düppen, hübsch ausstaffiert mit Ranunkeln oder Grasnelken, daher. Grandios für die zünftige Frühlings-Grillparty: englisches Geschirr mit Landschaftsmotiven (davon aß man früher bei Oma nur sonntags die Rouladen).
Doch leider ist nicht jedes Stück, das ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, auch richtig was wert. Gerade bei Porzellan kommt es auf Erhaltungszustand, Seltenheitswert und Authentizität an. „Beispiel: Eine Figur von Meissen wurde 1735 entworfen und im gleichen Jahr ausgeformt – ein Mega-Treffer, ein echtes Spitzenstück“, erklärt die Porzellanexpertin. „Ist der Entwurf aber nicht deckungsgleich mit dem Zeitpunkt des Abgusses, wurde der 1735er-Entwurf erst 1930 ausgeformt, sind wir in ganz anderen Preiskategorien.“ Puh, da fühlt sich der Laie fast wie ein Elefant im Porzellanladen ...
Nach wie vor auf Auktionen gefragt sind klassische Porzellan-Dekore und Reliefs der namhaften Manufakturen (s. Bildergalerie), einige populäre Geschirr-Serien wie Wildrose oder Hahn & Henne erfreuen sich bei Kleinanzeigen großer Beliebtheit also bloß nichts achtlos wegwerfen, sonst wird unnötig Porzellan zerschlagen.
Porzellan, Steingut, Steinzeug: alles Keramik!
So viele Begriffe gibt es rund um Geschirr: Steingut, Steinzeug, Keramik, Porzellan – aber was ist was? Eins vorweg: Keramik ist alles!
- Porzellan ist ein Gemisch aus Feldspat, Quarz und Kaolin, das extrem hoch gebrannt wird bei bis zu 1450 Grad. „Es ist dadurch sehr dicht, dazu härter und robuster als Geschirr aus Steingut“, so Andrea Müller-Fincker, „Porzellan ist sehr weiß, bedingt durch das Kaolin, auch Porzellanerde genannt.“ Darf, sofern kein Golddekor, sogar in die Mikrowelle.
- Steinzeug: Hat ähnliche Eigenschaften wie Porzellan, ist aber aufgrund der Zusammensetzung der Tonerden grauer und hat nach dem Brennen bei ca. 1200 bis 1300 Grad eine raue Oberfläche. Darf auch unglasiert in die Spülmaschine.
- Steingut wird nicht so hoch gebrannt wie Porzellan; „nur“ bei bis zu 970 Grad. Es muss glasiert werden, weil es wasser-durchlässiger ist. „Es ist stoß-empfindlicher“, so die Expertin.
Porzellan: Ob das Teil wohl was wert ist?
Für den Laien ist es nicht einfach, zu bestimmen, ob ein Stück abseits der ideellen auch eine finanzielle Bedeutung hat. In Sachen Porzellan rät Andrea Müller-Fincker, unter das Stück zu schauen und anhand der aufgemalten Fabrikmarke herauszufinden, aus welcher Manufaktur es stammt. „Da können Sie zunächst einmal googlen, um Anhaltspunkte zu bekommen.“ Je tiefer man in die Materie eintauchen möchte, desto ratsamer ist es, sich fachliche Expertise zu holen.
Denn für die Wertermittlung spielen u. a. noch Erhaltungszustand, Seltenheit und Authentizität eine Rolle. Das Dechiffrieren der Porzellan-stempel ist nicht einfach, auch zwei gekreuzte Schwerter unterm Suppenteller sind nicht immer eindeutig Meissen zuzuordnen. „Die Marke mit den Meissener Kurschwertern ist fälschungsanfällig, es gab keinen Markenschutz. Um 1780 gab es erste Kopien des Logos in England, manche Manufakturen nutzten gekreuzte Lilien, die den Schwertern sehr ähnlich sehen.“