Junge Menschen organisieren ihre Finanzen mit Bargeld in Umschlägen. Der Grundgedanke ist gut, die Umsetzung aber umständlich.
Neuer FinanztrendJunge Menschen setzen auf Bargeld – Experten sehen Methode kritisch
Immer häufiger zücken junge Menschen an der Kasse nicht mehr die Karte, sondern zahlen mit Bargeld. Dahinter steckt ein Trend, der sich auf TikTok und YouTube verbreitet: Cash Stuffing. Das ist eine Methode der Budgetplanung, die derzeit viele Nachahmer findet.
„Es ist prima, wenn sich junge Menschen über ihre Finanzen einen Überblick verschaffen und darüber nachdenken, wie sie sich das Geld einteilen“, sagt Josephine Holzhäuser, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz über diesen Trend. „Ob diese Methode dafür so geeignet ist, bezweifele ich allerdings.“
Neuer Trend: Cash Stuffing muss gut organisiert werden
Cash Stuffing, was übersetzt so viel wie „Bargeld stopfen“ bedeutet, ist eigentlich nur ein neuer Name für etwas ganz Klassisches, das schon die Großeltern gemacht haben: ein Haushaltsbuch führen und sich das Geld einteilen.
In kurzen Videos erklären meist junge Frauen, wie sie das machen. Dafür nutzen sie bunte Notizbücher, in denen sie Monat für Monat penibel auflisten, wie viel Geld sie einnehmen und wie viel Budget sie für welche Ausgaben planen. Sei es für fixe Kosten wie Miete und Telefon oder variable Posten wie Lebensmittel, Ausgehen oder Sparen.
Zukunftsängste befeuern den Trend zum Sparen
Zum Monatsanfang heben sie vom Konto ab, was sie brauchen – manche nur das Geld für die variablen Ausgaben, andere räumen das Konto komplett leer. Die Scheine sortieren sie dann entsprechend ihrer Aufteilung in kleine Umschläge und nutzen das Geld zum Bezahlen. Online gibt es längst schicke Budgetplaner für diese Methode zu kaufen.
Eine TikTok-Nutzerin zeigt, wie sie mit der Cash Stuffing-Methode arbeitet:
Althergebrachte Budgetplanung und Bargeld statt Karte – das mag verwundern. Schließlich verbinden einige mit jungen Menschen eher überzogene Konten statt Einschränkung oder gar Sparen. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ zeigt, dass jeder fünfte junge Mensch zwischen 14 und 29 Jahren Schulden hat.
Manche geben in den sozialen Medien mit ihren Schulden an, teilen Screenshots der negativen Kontostände online. Andere wollen genau das vermeiden. Holzhäuser erklärt sich den Trend zum Cash Stuffing deshalb so: „Viele haben angesichts der aktuellen Lage Zukunftsängste. Auch die hohe Inflation bereitet vielen Sorgen und nun wollen sie ihre Finanzen im Griff behalten.“
Fachleute sehen Qualität des Cash Stuffings kritisch
Das ist nicht immer einfach. „Wenn ich ein Produkt sehe, das ich kaufen möchte, wird im Gehirn das Belohnungssystem aktiviert. Das Kaufverlangen will befriedigt werden“, sagt Mira Fauth-Bühler, Professorin für Wirtschaftspsychologie und Neuroökonomie an der FOM Hochschule.
„Sparen bedeutet hingegen vorerst Verzicht und bringt deutlich weniger Freude. Deshalb fällt es vielen Menschen so schwer, ihre Finanzen im Griff zu behalten.“ Sparen ist also immer eine Frage der Kontrolle, die junge Menschen erst trainieren müssen. „Gerade bei ihnen ist das Kontrollsystem im Gehirn noch nicht voll entwickelt, das langfristiges Planen von Ausgaben ermöglicht“, sagt die Wirtschaftspsychologin.
„Das Budget einzuteilen und Bargeld auf Umschläge zu verteilen, entlastet dieses Kontrollsystem.“ Dabei hilft, dass Geld ausgeben wehtut. Diesen Schmerz spüren Menschen weniger bei der Kartenzahlung, mehr beim Bargeld, das aus dem Portemonnaie verschwindet. Impulskäufe sind bei Barzahlung weniger wahrscheinlich. „Wer Probleme mit dem Sparen hat, kann deshalb Cash Stuffing nutzen, um die Kontrolle zu erlernen“, so die Professorin.
Langfristig müsse man aber auch den Umgang mit elektronischen Zahlmitteln beherrschen. Auch Holzhäuser ist zurückhaltend, was den Erfolg des Cash Stuffings angeht. „Die Planung über die Umschläge ist sehr aufwendig und schwer händelbar. Ich habe die Sorge, dass manche den Überblick verlieren.“ Gerade wenn sie ihr gesamtes Geld vom Konto abheben – also auch das für die fixen Kosten.
„Das Geld etwa für die Miete muss wieder rechtzeitig eingezahlt werden, sonst kommt man in Verzug und rutscht in den Dispo“, warnt sie. Wer so plant, muss nicht nur organisiert sein, sondern auch beachten, dass bei vielen Banken Bargeldeinzahlungen nicht kostenlos sind.
Alternative ist das digitale Haushaltsbuch
Wer sein gesamtes Monatsbudget zu Hause aufbewahrt, sollte sich außerdem über die Sicherheit Gedanken machen. Die Gefahr von Einbruch oder Diebstahl besteht immer. Hausratversicherungen leisten bei gestohlenem Bargeld aber nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze, die zum Beispiel bei 1500 Euro liegen kann.
Unterwegs sollten auch niemals alle Umschläge mitgenommen werden, sondern nur ein Teil des Bargelds. „Wer bislang keinerlei Überblick und Ausgabendisziplin besitzt, kann sie mit Cash Stuffing lernen. Wenn der Umschlag leer ist, kann ich nichts mehr ausgeben – das ist schon hilfreich“, sagt Holzhäuser. Sie würde diese Methode am ehesten zum Einstieg empfehlen – mit der Einschränkung, nur das Geld für die variablen Kosten in den Umschlägen aufzubewahren.
Also das Budget für den täglichen Einkauf, Kleidung, Kinobesuche oder spontane Ausgaben. Langfristig empfiehlt sie, auf sicherere Wege umzustellen. Das heißt: Das Geld bleibt auf dem Konto, den Überblick kann man mit einem digitalen Haushaltsbuch per App oder einer einfachen Excel-Liste behalten. Manche Banken bieten auch an, Ausgaben zu kategorisieren.
„Für die Rücklagen sollte man außerdem ein Tagesgeldkonto einrichten“, so Holzhäuser. „Der Sparbetrag kann direkt am Monatsanfang darauf überwiesen werden. Auch das diszipliniert.“ Und ein paar Zinsen gibt es neuerdings auch wieder darauf. (dpa/eg)