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„Steuern auf kritischen Punkt zu“Nach kurzzeitiger Entlastung: Nächster Blutspende-Engpass in Sicht

Blutabnahme während einer Blutspende-Aktion.

Eine Person bekommt Blut abgenommen. In Deutschland gehen zu wenige Menschen regelmäßig zum Blutspenden.

Jeder Mensch kann irgendwann auf eine Blutspende angewiesen sein. Problematisch wird es, wenn nicht genügend Blutreserven zur Verfügung stehen, weil zu wenige Menschen regelmäßig Blut spenden.

Wenn Krankenhäuser Blutkonserven ordern, dann kämpfen Patientinnen und Patienten oft mit dem Tod. Doch die Lager der Blutspendedienste waren zuletzt immer wieder mal gefährlich leer. Die Bereitschaft zur Blutspende sinkt seit Jahren – vor allem die junge Generation sei schwer zu erreichen, sagen Fachleute.

„Wir steuern da wirklich auf einen kritischen Punkt zu“, warnt Patric Nohe vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Beim Weltblutspendetag stehen deshalb diesmal die jungen Leute im Fokus. Sie sollen mit Kampagnen in sozialen Netzwerken erreicht werden. Denn Blut lässt sich in der Medizin bislang durch nichts ersetzen.

Blutspende: DRK will mehr junge Menschen gewinnen

„Ohne Blut hätten jeden Tag mehrere Tausend Menschen in Deutschland keinerlei Überlebenschance“, betont Nohe. In der Generation der Babyboomer habe es noch viele treue Spenderinnen und Spender gegeben, die viermal, fünfmal oder sogar sechsmal im Jahr einen halben Liter Blut gespendet hätten. Doch diese Generation wird älter. Zwar gibt es seit März keine strikte Altersgrenze mehr, die Seniorinnen und Senioren von der Blutspende ausschließt. Aber viele Ältere hätten eben Krankheiten, bräuchten Medikamente und seien deshalb als Spenderin oder Spender nicht geeignet. „Aus treuen Blutspendern werden plötzlich Blutempfänger“, sagt Nohe.

Damit das System auch in Zukunft funktionieren kann, müssten dringend mehr junge Menschen zu regelmäßigen Blutspenderinnen und -spendern werden, mahnen Experteninnen und Experten. Dass der Generationenwechsel gelingt, ist letztlich eine Frage von Leben und Tod. Denn für Unfallopfer und Krebspatienten werde es noch lange Zeit keine Alternative zum Spenderblut geben, betont Professor Holger Hackstein, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie.

Zwar werde seit Jahrzehnten versucht, die lebenswichtigen Blutbestandteile im Labor herzustellen. Aber es sei „komplett unrealistisch“, sich davon in absehbarer Zeit eine Entlastung für die Patientenversorgung zu erwarten, so Hackstein. „Unser Blut hat die Natur schon auf eine einzigartige Weise hinbekommen.“

Also müssen neue Blutspenderinnen und -spender gefunden werden. Vor allem junge Menschen. Doch das gelingt viel zu selten. Es sei gar nicht so, dass junge Leute nie zum Blutspenden kämen. „Wenn wir warnen, dass die Situation schwierig wird, dann erleben wir eine große Welle der Solidarität – das funktioniert zum Glück“, sagt Nohe. Aber viele junge Menschen kämen dann nur einmal und nicht regelmäßig. Deshalb sind nach den letzten Hilferufen zum Jahreswechsel die Blutspendelager im Moment auch gut gefüllt – aber der nächste Engpass zum Ende der Sommerferien schon in Sichtweite.

Die Branche setzt auf eine Mischung aus Information und zunehmend auch auf Emotion – und auf die sozialen Netzwerke. Das DRK als mit Abstand größter Blutspendedienst in Deutschland erzählt in den sozialen Netzwerken Geschichten von jungen Menschen, denen die Blutspende das Leben gerettet hat. Zum Weltblutspendetag hat das DRK Promis wie Motsi Mabuse, Laura Wontorra und Mats Hummels gewonnen, die bei ihren Texten in den sozialen Netzwerken auf die Buchstaben A, B und O verzichten wollen – für die Blutgruppen A, B und 0. Der Slogan dazu: „Erst wenn's fehlt, fällt's auf.“

Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage zum Blutspenden teil:

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert über die Voraussetzungen und den Ablauf einer Blutspende, und darüber, wie aus dem Blut verschiedene Produkte für Unfallopfer und Krebspatientinnen und -patienten werden. Die Blutspendedienste arbeiten auch daran, die Spenderinnen und Spender zu informieren, wenn ihr Blut eine Patientin oder einen Patienten erreicht hat. „Ich will ja gerne sehen, was mit meinem Blut passiert ist“, sagt Transfusionsmediziner Hackstein. So eine Information mache den Nutzen der Blutspende anschaulich.

Finanzielle Anreize für Blutspenderinnen und -spender sind hingegen umstritten. 25 Euro Aufwandsentschädigung dürfen Spenderinnen und Spender laut Gesetz in Deutschland maximal erhalten. Doch viele Blutspendezentren schöpfen selbst diesen Betrag nicht aus. Die DRK-Blutspendedienste zahlen überhaupt kein Geld. „Eine Blutspende sollte nicht unter finanziellen Zwängen passieren. Und es stimmt auch nicht, dass junge Leute nur gegen Geld etwas machen“, sagt DRK-Sprecher Nohe.

Insgesamt spenden weniger als drei Prozent der Menschen in Deutschland regelmäßig Blut. In den Städten ist der Anteil noch einmal deutlich niedriger als auf dem Land. Das könnte schon in den kommenden Wochen wieder für einen akuten Engpass sorgen, wenn viele Spenderinnen und Spender im Urlaub sind oder lieber ins Freibad gehen. „Es ist beinahe so, als könnte man in der Ferne schon wieder dieses Gewitter sehen, das sich zusammenbraut“, so Nohe.

Wer gesundheitlich in der Lage sei, solle unbedingt zum Blutspenden gehen, appelliert BZgA-Direktor Martin Dietrich. Alle fürchten eine Notlage wie im vergangenen Jahr, als Krankenhäuser etwa in Nordrhein-Westfalen nicht mehr in vollem Umfang mit den benötigten Blutkonserven beliefert werden konnten. Dietrich betont: „Wir alle können in eine Situation kommen, in der wir auf Blutprodukte angewiesen sind.“ (dpa)