Nach Corona-InfektionLänger krank: „Ist das schon Long Covid?“ Arzt klärt jetzt auf

Kranke Frau liegt im Bett und schaut auf ihr Handy

Eine Frau liegt krank im Bett. Menschen fragen sich aktuell, wie lange die Erholungsphase nach einer Corona-Erkrankung dauern „darf“. Doc Esser klärt auf.

„Ist das schon Long Covid?“ Menschen, die aktuell an Corona erkranken, wundern sich über lange Erholungsphasen. Doch in welchen Fällen muss man sich Sorgen machen? TV-Arzt Doc Esser klärt auf.

von Madeline Jäger  (mj)

„Nach Karneval hatte ich Corona-Patienten ohne Ende“, sagt Doc Esser. Die steigenden Zahlen vor allem im Rheinland beschäftigen auch den Lungenfacharzt.

Immer mehr Menschen erkranken momentan am Coronavirus und haben Erkältungssymptome – das Robert Koch-Institut meldet schon länger jeden Tag Neu-Infektionen im sechsstelligen Bereich.

Nach Corona: Genesene fühlen sich lange nicht topfit

Der Krankheitsverlauf ist zwar oft mild, doch in den Augen vieler Erkrankter dauert die Erholungsphase länger als erwartet. Immer wieder fühlen sich Genesene auch nach Wochen noch nicht wieder topfit.

Auch EXPRESS.de-Leser und Leserinnen machen sich Sorgen und wenden sich mit der Frage an die Redaktion: „Ist das schon Long-Covid?“

Dr. Heinz-Wilhelm Esser (48), bekannt als TV-Arzt „Doc Esser“, erklärt im Interview mit EXPRESS.de, worauf Genesene in der Erholungsphase und vor dem ersten Sport achten sollten und was Warnsignale im Hinblick auf „Long-Covid“ sein können, aber nicht müssen.

Genesene mit Fragen zu „Long Covid“ – „Doc Esser“ klärt auf

Doc Esser bietet aktuell eine „Long Covid“-Sprechstunde an. Die geplanten Lockerungen sieht der Lungenfacharzt kritisch. Denn in letzter Zeit behandelt er immer wieder junge Menschen, die am Post-Covid-Syndrom leiden.

„Es handelt sich durchgehend um 25 bis 45-Jährige, die vorher total leistungsstark waren. Mit Blick auf diese Klientel habe ich schon Sorge, dass wir nochmal einen dramatischen Anstieg verzeichnen und viele Corona-Verläufe haben werden, die zwar als mild gelten, aber „Long-Covid“-Symptome nach sich ziehen“, warnt Esser im Gespräch mit EXPRESS.de.

Herr Esser, wann können Erkrankte nach einer Corona-Erkrankung mit Erkältungssymptomen und Fieber wieder Sport treiben?

Doc Esser: Meine dringende Empfehlung ist, erst zehn Tage nach vollständiger Genesung wieder langsam anzufangen. Genesene sollten sich auch nicht den Terminkalender sofort wieder vollpacken und von Termin zu Termin hetzen und gleich wieder mit dem gewohnten Sportprogramm starten. Besser ist es insgesamt alles erst einmal ruhiger angehen zu lassen und vor dem ersten Sport erst einmal nur spazieren zu gehen. Wichtig: Nach der ersten körperlichen Betätigung unbedingt in den Körper hinein horchen und sich dann langsam steigern.

Sollte man sich vorab ärztlich beraten lassen, wenn man wieder Ausdauersport treiben möchte?

Doc Esser: Jeder, der ganz normal wieder ins Sportprogramm einsteigen will, sich aber noch nicht hundertprozentig fit fühlt, der sollte auf jeden Fall vorher zum Hausarzt gehen. Dort wären ein Belastungs-EKG und eine kleine Untersuchung ausreichend.

Wer aber schon wieder richtig auf Leistung gehen und von 0 auf 100 will, der sollte sich umfangreicher untersuchen lassen und sogar eine MRT-Aufnahme des Herzens in Erwägung ziehen, um eine Herzbeteiligung komplett ausschließen zu können. So wird es auch im Spitzensport mittlerweile gehandhabt.

Genesene mit Fragen zu „Long Covid“ – was sind erste Warnzeichen?

Was ist eine längere Erholungsphase und was sind die ersten Warnzeichen für „Long Covid“?

Doc Esser: Wir sprechen mittlerweile vom „Post-Covid“-Syndrom, und das wäre nach ungefähr zwei bis drei Monaten gegeben. Wenn man sich dann immer noch schlapp fühlt oder Patienten immer noch Symptome haben, dann sollte man einen Arzt aufsuchen.

Wer ist momentan hauptsächlich von „Post Covid“ betroffen?

Doc Esser: Das Erschreckende ist, dass es vor allem junge Frauen betrifft. Obwohl diese Gruppe einen milden Corona-Verlauf hatte oder sogar gar keine Symptome, stellen sie dann plötzlich fest, dass ihnen zum Beispiel die Brust schmerzt.

Oft bemerken sie auch ein „Herzstolpern“, also Herzrhythmusstörungen, Luftnot oder fühlen sich erschöpft. Solche Symptome können auch nach der Grippe (Influenza) auftreten, aber mit einer solchen Dauer und in solcher Vielfalt kennen wir das von anderen Erkrankungen nicht.

Lungenschäden oder auch länger anhaltende Müdigkeit nach einer Covid-Erkrankung – woran leiden Betroffene beim Post-Covid-Syndrom?

Doc Esser: Das Post-Covid-Syndrom besteht aus Symptomen, die nach einer Covid-19-Infektion aufgetreten sind und mehr als 12 Wochen nach der Erkrankung vorliegen. Betroffene können sich die Symptome nicht durch andere Erkrankungen erklären. Patienten klagen über:

  1. Das Erschöpfungssyndrom (Müdigkeit, Abgeschlagenheit)
  2. Lufthunger (eine Form der Atemnot)
  3. Kognitive Verluste, wie die Riech-und Geschmacksstörung
  4. Hirnnebel (Schwindel, Stimmungsschwankungen, Gedächtnisverlust)

Wer diese Symptome bei sich bemerkt und keine andere Erklärung dazu findet – der sollte dazu einen ärztlichen Rat einholen.

Erkranken Geimpfte seltener am Post-Covid-Syndrom?

Doc Esser: Auf jeden Fall. Geimpfte und Geboosterte erkranken deutlich seltener am Post-Covid-Syndrom oder nur kurzfristig. Aber: Komplett ausschließen lässt es sich nicht. Ich rate immer noch jedem dazu, sich impfen zu lassen, um das Risiko einer Langzeiterkrankung zu verringern.