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Expertin sagtWir sind alle zu müde zum Einschlafen – wie kann das sein?
Köln – Kleine Kinder, die ins Bett sollen und eigentlich völlig übermüdet sind, drehen abends oft noch mal richtig auf. Sie schaffen es dann nur schlecht herunterzukommen und sich zu beruhigen. Mit zunehmendem Alter geht diese Phase vorüber und wir lernen, abends abzuschalten und Körper und Geist für eine erholsame Nachtruhe herunterzufahren. So sollte es jedenfalls sein.
Angeknipst im Bett liegen, nicht einschlafen können und immer wieder wach werden, dieses Problem betrifft aber zunehmend auch Erwachsene. Forscher sind überzeugt, daran ist unsere Lebensweise schuld. Unser Gefühl, ständig erreichbar und immer online sein zu müssen. Der Grund: Unser Gehirn verlernt das bewusste Abschalten.
Die britische Schlafpsychologin Nerina Ramlakhan erklärt im Guardian: „Wir sind eine Gesellschaft, die niemals verschnauft. Wir stellen hohe Anforderungen an uns selbst, selbst wenn wir abends zu Bett gehen. Rituale und Pausen, die uns im Alltag herunter kommen und abschalten lassen, haben wir abgestellt.“
Pausen werden nicht als solche genutzt und verdaddelt
Unsere Tagesabläufe seien heute eng durchgetaktet und wenn sich mal eine kurze Pause auftut, nutzen wir sie nicht als solche. Ramlakhan erklärt das am Beispiel eines Supermarktbesuchs: „Wenn wir früher einkaufen gegangen sind, waren wir spätestens in der Kassenschlage zum Warten und Langweilen verurteilt. Heute füllen wir jede noch so kleine Lücke mit dem Blick auf das Smartphone, der Beantwortung von E-Mails oder durchstöbern unseren Amazon-Account.“
Was nach einem harmlosen Zeitvertreib klingt, sei aber durchaus gefährlich für unser Gehirn. Denn das brauche Pausen im Alltag, besonders zwischen anspruchsvollen Tätigkeiten. Wenn das Gehirn konstant mit Informationen bombardiert wird, nimmt es an, dass wir in Gefahr sind und geht in den „Überlebensmodus“: Es veranlasst die Ausschüttung von Adrenalin und verlangt nach ungesunden Süßigkeiten, die schnell abrufbare Energie versprechen.
Gehirn verlernt das Abschalten
Eine weitere Folge ist die Gewöhnung an andauernde Aufgaben, dadurch verlernt das Gehirn abzuschalten. Das betrifft auch unseren Schlaf in der Nacht sowie die Einschlafphase. „Wir verlernen die Fähigkeit loszulassen.“ Das Einschlafen ist ein Akt, der mit Loslassen aber auch mit Vertrauen zu tun hat, so Ramlakhan. Es sei ironisch, so die Psychologin, dass wir als Teil unserer fortschrittlichen, schnellen Lebenswelt zu einem Verhalten zurückkehren, das wir eigentlich von Kleinkindern kennen und bewerten, aber als Erwachsene scheinbar nicht ablegen oder damit umgehen können.“
Auch andere Experten warnen vor diesem Phänomen. So sagt zum Beispiel Volker Busch, psychosozialer Stress- und Schmerzexperte an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Regensburg, gegenüber dem RBB, man solle nicht vernachlässigen, dass das Hirn auch Ruhephasen brauche. In diesen Auszeiten würden die gesammelten Reize und Informationen verarbeitet und so neue Ideen generiert.
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Wir gönnen uns weder im Job noch im Sozialleben mal eine Auszeit
HNO-Arzt Vik Veer hat beobachtet, dass viele seiner Patienten nicht organisch krank sind sondern schlichtweg übermüdet. „Besonders Menschen im Alter zwischen 30 und 40 sind anfällig für Übermüdung“, so der Mediziner im Guardian, der sich auf Patienten mit Schlafapnoe (Atemaussetzer im Schlaf) spezialisiert hat.
Sie seien so eingespannt und hätten das Gefühl, gebraucht zu werden, dass sie sich keine Pause gönnen könnten. „Sie haben höchste Anforderungen an ihr Sozialleben als auch an die berufliche Karriere. Ein anstrengender Tag im Büro wird mit einem anstrengenden Abend mit Freunden im Restaurant oder der Bar abgeschlossen.“
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Selbst wenn diese Menschen abends oder nachts ins Bett fallen, würden sie noch an die TV-Sendung denken, die sie am Abend verpasst haben, über die aber alle Kollegen am nächsten Morgen reden werden. Die Folge: sie schauen die komplette erste Staffel der Serie auf DVD an, dann die zweite. „Und bevor sie dann das Licht ausschalten, checken sie noch schnell die neusten Nachrichten auf dem Smartphone.“
Schlafbedingungen sind so gut wie nie
Besonders paradox ist, dass wir uns so gute Schlaf-Bedingungen schaffen wie noch nie: Teure Betten, die besten Matratzen ergonomische Kissen. Und trotzdem finden immer weniger Menschen erholsamen Schlaf. Was lässt sich dagegen tun? Die klinische Psychologin Dr. Anna Symonds rät, mit übermüdeten Erwachsenen ähnlich wie mit übermüdeten Kleinkindern umzugehen. „Wir schränken die Bildschirm-Zeit unserer Kinder ein, dabei sollten wir bei uns selbst anfangen.“
Außerdem können regelmäßige Schlafrituale, Körper und Geist auf den Schlaf vorbereiten. Wer Probleme beim abendlichen Einschlafen hat, sollte außerdem weniger Kaffee trinken – zumindest nachmittags auf Koffein verzichten – und mindestens an drei Abenden in der Woche früher zu Bett gehen. (sar)