Depressionen, schlechter SchlafSo schädlich ist langes Serien schauen für den Körper
Köln – Ob Pandemie, Regenwetter oder Feierabend: In manchen Situationen wollen wir uns auf dem Sofa verkriechen, eine Serie anmachen und den Kopf ausschalten. Nur für eine Folge oder drei und plötzlich ist schon eine ganze Weile vergangen. Stundenlang reglos auf einen Bildschirm zu starren und eine Folge nach der anderen anzusehen, kann nicht gesund sein. Schlafstörungen, Depressionen und Kurzsichtigkeit – auch Wissenschaftler haben zahlreiche Vermutungen, welche Folgen unser Streaming-Verhalten haben könnte.
Deshalb muss man aber nicht ganz darauf verzichten. Wir erklären, wo Probleme liegen und geben Tipps, wie Sie diese umgehen und was Sie anders machen können.
Wenn wir lange auf einen Bildschirm blicken, zum Beispiel weil wir uns eine Folge nach der anderen anschauen, sind die Augen lange Zeit blauem Licht ausgesetzt. Denn viele Laptop- und Smartphone-Bildschirme nutzen heute LED-Bildschirme, die weißes Licht aus gelbem und blauem Licht zusammensetzen. Blaues Licht ist sehr intensiv für unsere Augen und hemmt zum Beispiel die Bildung des körpereigenen Schlafhormons Melatonin. Wir werden also nicht so schnell müde und haben Probleme einzuschlafen.
Tipp: Ein Blaulichtfilter hilft, diesen Effekt zu verringern, dafür gibt es Apps, Programme oder er ist als „Nachtmodus“ in den Einstellungen zu finden.
Unruhe und schlechter Schlaf
Ein anderer Faktor ist, dass wir uns kurz vor dem Schlafen noch großer Aufregung aussetzen und es uns schwerfällt, mit dem Stopp-Knopf auch gedanklich sofort abzuschalten. Spannende Serien beschäftigen uns mit mehreren Handlungssträngen, auf die wir uns konzentrieren müssen. Sie lassen uns mit den Hauptcharakteren mitfühlen und erhöhen mit fiesen Cliffhangern den Anreiz, weiterzusehen. Schafft man trotzdem den Absprung und will schlafen, kreisen die Gedanken noch immer um die Handlung.
Zu dieser Schlussfolgerung kommen zumindest zwei Wissenschaftler aus Belgien und den USA. Ihre Untersuchung von 2017 hat ergeben, dass bei jungen Erwachsenen die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen 98 Prozent höher sind, wenn sie regelmäßig mehrere Folgen einer Serie hintereinander weg anschauen. Sie haben Probleme einzuschlafen, durchzuschlafen oder sind am nächsten Tag müde und unausgeruht.
Tipp: Irgendwo mitten in der Folge hat der Spannungsbogen einen Durchhänger? Oder es sind regelmäßig nur die letzten 5 Minuten nochmal aufgebauscht? Der perfekte Zeitpunkt abzuschalten. Die Techniker Krankenkasse rät dazu, am Abend nur ein bis zwei Folgen zu schauen und später lieber zu Buch oder Musik zu wechseln.
Depressionen und Angstzustände
Stundenlang Serien zu schauen, das kann nicht gut für die mentale Gesundheit sein, so die geläufige Annahme. Verschiedene Studien legen einen Zusammenhang von Binge-Watching mit Depressionen und Angstzuständen nahe, insbesondere, wenn man alleine schaut. Denn wer Serien suchtet, macht das selten nur an einem Abend die Woche. Somit schottet er sich oft für viele Stunden von seinem Umfeld ab.
Die stundenlange Einsamkeit hemmt die Myelin-Produktion im Gehirn, wie US-Forscher der University of Buffalo und der Mount Sinai School of Medicine herausfanden. Das führt dazu, dass den Nerven eine Art Schutzschicht fehlt und wir anfälliger für Depressionen und Angstzustände werden. Zu viel Zeit allein kann außerdem zu Gefühlen wie Unglück oder Melancholie führen. Studien über Einsamkeit bei älteren Menschen zeigen, dass soziale Isolation ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellt.
Tipp: Eine Serie nur mit dem Partner schauen, sogenannte „Watch-Parties“ im Freundeskreis starten oder sich zu einem festen Termin die Woche mit Freunden für die Lieblingsserie verabreden – so bekommt man Serien und Freunde unter einen Hut. Und im besten Fall hilft die soziale Kontrolle, den Serien-Konsum zurückzufahren. Und eignet sich somit auch beim folgenden Punkt.
Suchtverhalten
Richtige Serienjunkies ignorieren, was sie sich eigentlich vorgenommen hatten, kümmern sich nicht darum, wie es in der Wohnung aussieht und schieben sich zwischen zwei Folgen nur schnell eine Pizza in den Ofen. Sie melden sich bei niemandem, skippen die Dusche und vergessen die Verabredung zum gemeinsamen Joggen. Sonntagabend sind sie deprimiert und fühlen sich schuldig: Je stärker das Binge-Watching-Verhalten ausgeprägt ist, desto mehr erinnert es an einen Drogenabhängigen. Mehrere Studien haben sich bereits mit diesen Parallelen beschäftigt, eine körperliche Abhängigkeit ist aber unwahrscheinlich.
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Vielmehr sehen die Wissenschaftler andere Suchtfaktoren: Serien dienen zum einen der Realitätsflucht, zum anderen als Sozial-Ersatz, die Hauptfiguren werden zur Ersatzfamilie. „Serien befriedigen das zutiefst menschliche Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit“, fasst das Gesundheitsportal „Onmeda“ die Studienergebnisse zusammen. Deshalb sind oft Serien so beliebt, in denen im Grunde nicht viel passiert – die sich aber um eine feste Gruppe von Freunden oder eine Familie drehen.
Netflix-Augen
Die Augen sind trocken, gerötet und das führt irgendwann zu Kopfschmerzen: Besonders die Augen leiden unter übermäßigem Serien-Konsum – häufig auch noch bei schlechter Beleuchtung und auf kleinen Endgeräten. Denn wenn sie sich dauerhaft auf einen Bildschirm konzentrieren sollen, sinkt die Lidschlagfrequenz, erklärt das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“. Wir blinzeln also weniger oft. Dadurch werde der Tränenfilm nicht mehr gleichmäßig auf dem Auge verteilt und könne aufreißen, die Augen werden trocken.
Unsere Gewohnheiten sind da nicht gerade hilfreich: Innerhalb weniger Jahre haben sie sich stark verändert. Viele Berufe enthalten bereits einen großen Anteil Bildschirm-Arbeit. Seit es Smartphones und Streaming-Dienste gibt, schauen wir aber auch in der Freizeit ständig auf Bildschirme. Wie sich das langfristig auswirken wird, ist noch unklar. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Blaulicht zur Entwicklung von Kurzsichtigkeit beitragen könnte, erklärt „Spektrum“. Außerdem vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dass blaues Licht auf lange Sicht dazu führen kann, dass Sehzellen auf der Netzhaut absterben und die Sehkraft abnimmt bis hin zur Erblindung.
Tipps: Serienfans sollten auf ausreichende Beleuchtung achten und nicht im Dunkeln schauen, auch wenn das für Kino-Stimmung sorgt. Denn sind die Pupillen geweitet, sind die Augen dem schädlichen blauen Licht besonders stark ausgesetzt, selbst mit Blaulichtfilter. Wer lange am Bildschirm sitzt, ob beruflich oder in der Freizeit, sollte zwischendurch immer wieder in die Ferne schauen und versuchen, bewusst zu blinzeln, rät außerdem „Spektrum“.
Stressabbau oder Schuldgefühle?
Zu tatsächlicher Erholung und um Stress abzubauen, braucht der Körper aber auch die Kopfbewegung. Daher ist eher unwahrscheinlich, dass Binge-Watching nach Feierabend oder am Wochenende zu richtiger Entspannung beiträgt. Auch, wenn viele Serien-Fans das anders sehen – unter ihnen auch die Psychologieprofessorin Elizabeth Cohen von der West Virginia University. Sie vertritt die Ansicht, dass eine gut gemachte Serie genauso entspannend für Menschen sein könne wie ein gutes Buch. Beides verhelfe zu dem Gefühl, komplett in eine Geschichte eintauchen zu können.
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Gerade bei denjenigen, die Arbeit als stressig und belastend wahrnehmen, funktioniert das aber nicht, fand ein Forscherteam aus Deutschland und den Niederlanden heraus. Statt sich beim Serienschauen zu entspannen und Stress abzubauen, fühlten sie sich schuldig und hätten das Gefühl, sich um ihre eigentlichen, dringenderen Aufgaben zu drücken.
Snacks, Fast Food und kaum Bewegung
Sie kann doch nicht wirklich tot sein, sie ist doch die Hauptfigur! Schaffen Sie es rechtzeitig zu fliehen? Und wer ist jetzt der Vater? Die Handlung fesselt Serienfans oft so sehr, dass sie so wenig Zeit wie möglich für Dinge wie Essen verlieren wollen. Also greifen sie oft zu Snacks, die sie nebenbei essen können oder zu Fast Food und Convenience-Produkten, die sich schnell zubereiten lassen. Gesund ist das nicht, zumal sie sich in all den Stunden des Binge-Watchens kaum vom Fleck bewegen. „Wenig Bewegung und schlechte Ernährung – eine Kombination, die der Gesundheit noch zusätzlich schadet“, resümiert die Techniker Krankenkasse.