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Hey Coach, erklär' mir meine MenschenHundetrainer Daniel Joeres stellt sich tierisch wichtigen Fragen

Daniel Joeres mit Hund Theo im Garten von Autorin Stefanie Monien am 15. Mai 2024

Vom Hundeexperten Daniel Joeres hat Theo viel gelernt – dafür gibts die Danke-Pfote! Das Foto wurde im Mai 2024 bei Bonn aufgenommen.

Daniel Joeres ist Hundecoach und Gründer von „doguniversity.de“. Bei EXPRESS.de beantwortet er in einem besonderen Interview die Fragen, die Hunde an Menschen haben (könnten).

von Stefanie Monien  (smo)

Es gibt zunehmend mehr Hunde. Große und kleine, stille Wasser und Großmäulige. Sie haben – wie wir Menschen – individuelle Macken, Meisen und Marotten. Damit die sich nicht zu Problemen auswachsen, gibt es Ratgeber, Hilfebücher und Hundetrainer. Einer davon ist Psychologe und Coach Daniel Joeres („Artgerechte Hundeerziehung“).

Er sagt: Der Mensch muss die Körpersprache des Hundes kennen, damit ein harmonisches Zusammenleben klappt. Und weil es ja meist Hunde-Trainer heißt und nicht „Menschen-Coach“, hat Promenadenmischung Theo (6 ¾) Daniel Joeres aus Vierbeinersicht auf den Zahn gefühlt.

Hundeexperte Daniel Joeres: Vierbeiner ticken oft ähnlich wie Menschen

Theo: Hi Daniel, willkommen in meinem Garten! Du bist von Haus aus Humanpsychologe, warum bist du auf uns umgeschwenkt?

Daniel Joeres: Ja, ich bin Psychologe, war aber immer schon Hundefan und -besitzer. Parallel zu meinem Beruf habe ich am Wochenende Workshops und Fortbildungen gemacht – das wurde immer mehr und ich konnte mein Hobby zum Beruf machen.

Mit welchem „Ende der Leine“ arbeitest du denn mehr?

Daniel Joeres: Euch Hunden etwas zu vermitteln, ist relativ klar. Aber den Menschen zu erklären, wie ihr Hund tickt und wie sie ihre Wünsche an euch übermitteln, ist die Herausforderung. Da hilft es, dass ich viele Dinge aus der menschlichen Psychologie sehr gut auf den Hund übertragen konnte. Gerade in Sachen Kommunikation, Sozialverhalten und Konflikte gibt es unheimlich viele Parallelen.

Beim Gassigehen in Köln hörte ich, dass es auch „Problemhunde“ geben soll. Was für Probleme machen die?

Daniel Joeres: Man redet oft von Problemverhalten, das ist es aber in den meisten Fällen nicht. Ich persönlich würde sagen, dass 90 Prozent dieser „Probleme“ Erziehungsdefizite sind. Der Hund, der am Zaun bellt, der Eichhörnchen jagt, macht seinen Job. Für euch ist das normales Verhalten. Wir Menschen müssen sehen, dass wir euch, unsere Lebensbegleiter, gesellschaftsfähig bekommen.

Wie, gesellschaftsfähig? So schick mit Mäntelchen und Schleifchen?

Daniel Joeres: Nein, ich meine, dass der Mensch gut mit dem Hund durchs Leben gehen kann und er sich unseren Regeln anpasst. Das ist Erziehungssache, das Wesen der Mensch-Hund-Beziehung. Dazu gehört, schöne Sachen zu machen, die Bedürfnisse des Hundes zu erfüllen und sicher mit ihm unterwegs sein zu können. Je besser er hört, je verlässlicher er ist, desto mehr Freiheiten kann er bekommen.

Freiheit? Ich höre aber ziemlich oft ein „Nein“ …

Das ist auch gut so! Denn das wohl größte Missverständnis bei uns Menschen ist, dass man mit euch Hunden kommunizieren kann wie mit einem Menschen. Wir können euch lieben, euer Familienmitglied sein – alles okay. Aber wir nutzen nicht eure hündischen Kommunikationskanäle. Viele befürchten, dass ihr Hund sie nicht mehr mag, wenn sie „Nein“ sagen, ihn einschränken – aber das Gegenteil ist der Fall. Distanz kann gewisse Nähe schaffen. Hier sind sich Hunde und Menschen aus psychologischer Sicht ganz ähnlich: Kooperationsbereitschaft und Konfliktfähigkeit gehören zur sozialen Kompetenz. Aus allen Bereichen kennen wir es, dass es mal „Nein“ gibt. Es wäre doch seltsam, wenn ein Mensch nie Grenzen aufgezeigt bekäme. Das ist bei Hunden genauso.

Ich hab an der Leine manchmal keinen Bock auf Kollegen, das lasse ich auch durchblicken. Und Frauchen ist dann sauer …

Daniel Joeres: … aber sicher in erster Linie auf sich selbst! Denn wir Menschen sollten eine gute Führungsrolle einnehmen, euch unterstützen. Vielleicht kann sich dein Frauchen nicht entspannen, weil sie ahnt, wie das Zusammentreffen an der Leine enden könnte. Es macht aber Sinn, sich als Mensch zu entspannen und sich zunächst von einem Hundetrainer durch eine solche Situation begleiten zu lassen. Je öfter Hundebegegnungen souverän gemanagt werden, desto selbstbewusster und gelassener wird dein Frauchen. Und du dann auch!

Theo bei einem Leckerchen-Suchspiel

Wo isses denn bloß?! „Theo“ ist ein fast sieben Jahre alter Schäferhund-Mix aus dem Tierschutz. Seit mehr als sechs Jahren verteilt er Haare und schlabbrige Küsschen im Haushalt unserer Redakteurin. Seine Hobbys sind: Im Weg rumstehen und herzig gucken, Pfötchen geben, flitzen, Camping, Suchspiele (siehe Foto) und mit seiner besten Pfotenfreundin unterm Esstisch schmusen. Okay, und Katzen jagen. Aber das nur manchmal …

Ob ich wohl nicht ausgelastet bin und zum Hundesport sollte ...?!

Daniel Joeres: Nun, du machst einen gelassenen Eindruck und ich hörte, dass du oft zufrieden chillst. Das ist auch normal, Hunde ruhen zwischen 18 und 20 Stunden am Tag. Wenn ein Hund aufgeregt ist und nicht zur Ruhe kommt, ist der typische Satz „Der Hund ist nicht kaputtzukriegen“. Dann wird oft versucht, euch körperlich immer mehr auszulasten: Laufen am Fahrrad, Bälle werfen, weil ihr dann viel rennt. Dabei ist ein „Zuviel“ an Action und für aufgeregte Hunde nicht gut. Klar müsst ihr mal laufen, euch bewegen – und es gibt Unterschiede in Alter, Rasse, Individualität. Aber Hunde brauchen viel mehr Ruhe als Hektik. Erregung fördert Energie – damit kann dann ein Teufelskreis beginnen.

Ich finde ja so plattnasige Hunde wie Möpse eher „spooky“ – bin ich da intolerant?

Daniel Joeres: Ich muss dir jetzt sagen: Die sind so, können aber gar nichts dafür. Sie sind von Menschen so gemacht worden. Sie können nicht gut kommunizieren, wegen der quasi nicht vorhandenen Nase. Wenn etwas Nase da ist, ist die gerunzelt, das sieht für dich aus wie permanentes Drohen. Das Röcheln und Grunzen wird missinterpretiert als Form von Knurren. Für dich ist das eine agonistische, also eine aggressive Kommunikation, die zu Missverständnissen führen kann. Es ist schwer, die Körpersprache dieser Tiere zu lesen, weil sie so abstrakt ist.

Daniel Joeres: Beim Thema Qualzucht wird Hundetrainer deutlich

Wie gemein ist das denn? Warum lässt man die Kollegen so leiden?

Daniel Joeres: Streng genommen wird hier gegen das Tierschutzgesetz gehandelt, das verbietet, Wirbeltiere zu züchten, die Schmerzen haben. Und einen Hund, der nicht mehr atmen kann, dem die Nase erweitert werden muss, dürfte man so nicht zulassen. Oder Deutsche Schäferhunde zum Beispiel, die hinten extrem runter gehen. Man sollte aber nicht nur Mops und Co. auf dem Kieker haben, generell gibt es in der Zucht viele Probleme, die Gesundheit steht hier nicht weit genug im Vordergrund. Aber zurück zum Mops: Die Rasse muss ja nicht komplett eingestellt werden, man könnte auch Rückzüchtung machen und versuchen, den Mops wieder gesund zu kriegen, indem man Beagle oder irgendwas mit Nase einkreuzt. Und Zuchtkriterien definiert wie „Der Mops hat eine mindestens sechs Zentimeter lange Nase und muss die Möglichkeit haben, frei zu atmen“.

Daniel Joeres mit seiner Hündin Nora beim Interviewtermin mit Autorin Stefanie Monien und ihrem Hund Theo

Daniel Joeres mit seiner Hündin „Nora“, „Theo“ mit Besitzerin Stefanie Monien. Die, wir geben's zu, stellvertretend für ihn die Fragen stellte.

Pfoten hoch für die Idee! Zum Schluss noch eins: Wir sollen uns so viel von Euch sagen lassen, gibts auch etwas, das Ihr Menschen von uns lernen könnt?

Daniel Joeres: Klar! Ihr Hunde seid absolut im Hier und Jetzt, wie kleine Buddhas. Wenn ein Artgenosse bellt, regt ihr euch auf. Wenn ein Eichhörnchen vorbeikommt, jagt ihr es. Aber wenn das Ereignis vorbei ist, ist es vorbei. Ihr denkt nicht: „Oh Gott, wenn ich morgen früh raus muss, treffe ich den schon wieder.“ Ihr genießt viel mehr den Moment, seid achtsamer. Und Ihr seid nicht nachtragend, könnt uns viele Fehler verzeihen. Vor allem aber lügt ihr nicht, sondern seid sehr, sehr ehrlich und teilt uns direkt mit, was ihr fühlt.

Wau – vielen Dank !