Strafe für BeleidigungenWie teuer ist der „Stinkefinger“?
Wohl jeder hat ihn schon mal anderen gezeigt, den Mittelfinger oder den „Vogel“. Aber das kann viel Geld kosten, wenn der Beleidigte Anzeige erstattet. Welche Schimpfwörter und Gesten sind weniger schlimm?
Schimpfworte sind im Ärger schnell mal herausgerutscht, doch der Schaden – auch der psychische – den solche Beleidigungen anrichten, ist oft groß. Nicht von ungefähr gilt eine Beleidigung in Deutschland als Straftat. Aber wo ist eigentlich die Grenze? Welche Kraftausdrücke gelten als harmlos?
Wer kann beleidigt werden?
Adressaten einer Beleidigung können natürliche oder juristische Personen, Berufsstände, religiöse Gemeinschaften und andere Gruppen sein. Trotzdem muss es sich bei einer solchen Gruppe um einen jedenfalls zahlenmäßig überschaubaren Kreis von Personen handeln.
Dazu ein kurioser Fall vom Landgericht Darmstadt: Eine ältere Frau hatte Deutschland verklagt, weil der Deutsche Wetterdienst im Wetterbericht den Begriff „Altweibersommer“ für eine Schönwetterperiode verwendet hatte. Die Klage der Dame scheiterte, weil die Personengruppe „ältere Frauen“ zu unbestimmt ist und zudem die Meteorologen in keiner Weise Seniorinnen beschimpfen wollten. Dass sich die ältere Frau davon persönlich angegriffen fühlte, reicht für eine Beleidigung nicht aus (Az.: 3 O 535/88).
Was steht im Gesetzbuch?
Beleidigung
Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt im vierten Abschnitt verschiedene Straftatbestände. Die Beleidigung an sich ist in § 185 StGB verankert und erfasst alle ehrverletzenden Werturteile und herabwürdigenden, missachtenden Tatsachenbehauptungen, wenn sie gegenüber dem Beleidigten erfolgen. Als Strafmaßnahme ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vorgesehen.
Mit Tätlichkeit
Wird die Tat in Zusammenhang mit einer Tätlichkeit – also einem Angriff auf eine andere Person – begangen, droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Verhängt werden in der Praxis Geldstrafen – nur bei wiederholt vorbestraften Tätern dürfte eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Das übliche Strafmaß liegt zwischen 10 und 30 Tagessätzen. Dabei entsprechen 30 Tagessätze einem Monatsnettogehalt – die Geldstrafe orientiert sich also an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten. Häufig sind aber zwischen 200 und 500 Euro fällig.
Öffentlich geäußert
Wird die ehrenrührige Behauptung gegenüber einem Dritten und öffentlich geäußert, kann der Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186) oder Verleumdung (§ 187) erfüllt sein. Besonders schwer wiegen Diffamierungen, wenn sie das öffentliche und berufliche Ansehen einer Person schädigen. Einen Politiker fälschlicherweise als korrupt oder einen Arbeitnehmer als Trinker zu bezeichnen, kann richtig heikel werden – hier handelt es sich nicht um ein bloßes Werturteil, sondern eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung.
Üble Nachrede
Wird diese gegenüber Dritten, beispielsweise in den Medien, gemacht und ist sie nachweislich unwahr, liegt eine Sonderform der Beleidigung, die üble Nachrede, vor. Stellt der Täter die Behauptung auf, obwohl er ganz genau weiß, dass sie unwahr ist, muss er mit einer Anklage wegen Verleumdung rechnen. Laut Paragraf 187 des Strafgesetzbuches steht darauf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Ist eine Person des öffentlichen Lebens betroffen, können sogar bis zu drei Jahre verhängt werden.
Eine Beleidigung muss also aus objektiver Sicht eine außergewöhnlich herabwürdigende Güte haben, und die Rufschädigung muss auch vom Beleidiger gewollt sein. Reine Unhöflichkeit, Rüpelei und schlechte Manieren werden nicht bestraft.
Einen Vogel zeigen oder mit Dönern werfen
Ob rücksichtslose Autofahrer, laute Nachbarn oder unfreundliche Servicekräfte - im Alltag gibt es viele Anlässe, die Nerven zu verlieren. Impulsive Gesten und unhöfliche Worte sollen dann helfen, die Anspannung zu lösen. Wer allerdings zu gröberen Ausdrucksformen greift – zum Beispiel den Vogel oder Stinkefinger zeigt – muss mit einer Geldstrafe rechnen, falls der Adressat Anzeige erstattet. Denn Beleidigungen sind nicht nur als verbale Äußerungen möglich.
Zeigt man jemandem einen Vogel, signalisiert man ihm damit, dass man ihn für geistig minderbemittelt hält. Eine solche Ehrverletzung in Form eines Werturteils stellt laut Strafgesetzbuch eine Beleidigung dar. Als ehrverletzend gelten auch der ausgestreckte Mittelfinger oder das verächtliche Abwischen der Hand nach dem Händeschütteln.
Einen kuriosen Fall hatte das Amtsgericht München zu beurteilen: Weil einem Gast das Essen nicht schmeckte und er sein Geld dafür nicht zurück bekam, warf er erbost den angebissenen Dönerkebab nach der Bedienung. Daraufhin verlangte sie Schmerzensgeld. Die Richter wiesen jedoch ihre Klage ab, weil ihr Persönlichkeitsrecht durch den Döner-Wurf noch nicht schwerwiegend genug verletzt wurde (Az.: 154 C 26660/07).
Welche Schimpfwörter besonders teuer werden können, lesen Sie auf der nächsten Seite.
„Dummschwätzer“ und Fäkalsprache
Das Bundesverfassungsgericht musste beurteilen, ob die Bezeichnung „Dummschwätzer“ als sogenannte Schmähkritik gilt, oder ob die Äußerung wegen der Meinungsfreiheit rechtmäßig ist. Zuvor war es zwischen zwei Stadträten zu einem beleidigenden Wortgefecht gekommen. Konkret mussten die Karlsruher Richter abgrenzen, ob in diesem Fall die Diffamierung im Vordergrund stand und deswegen eine Beleidigung vorlag oder ob es sich dabei nur um eine – straflose – Meinungsäußerung und Stellungnahme gehandelt hatte.
Das Ergebnis fiel zugunsten der freien Meinungsäußerung aus: Zwar kann die Bezeichnung als Dummschwätzer sehr wohl als Beleidigung strafbar sein, im konkreten Fall allerdings nicht, weil sie sich auf die vorangegangene Aussage des anderen Stadtrats bezog (wechselseitige Beleidigung). Außerdem handelt es sich bei dem Begriff nicht um ein besonders abfälliges Schimpfwort, im Gegensatz zu Fäkalsprache (Az.: 1 BvR 1318/07).
Polizisten als „Wegelagerer“ beleidigt
Besonders streng werden herablassende Äußerungen gegenüber Polizisten oder Politessen verfolgt. Hierbei wird indirekt auch der Staat beleidigt. Strafrechtlich macht es in der Regel aber keinen Unterschied, ob nun ein Polizist oder eine andere Person beleidigt wird. Denn einen besonderen Tatbestand in Form der sogenannten Beamtenbeleidigung gibt es nicht. Dabei handelt es sich lediglich um eine allgemeine Redewendung. Wer einen Polizeibeamten beleidigt, macht sich wegen des normalen Beleidigungstatbestands strafbar.
Dabei ist die Bezeichnung eines Polizeibeamten als „Wegelagerer" eine strafbare Beleidigung, urteilte das Bayerische Oberste Landesgericht (Az.: 1 St RR 153/04). Einen „Oberförster“ darf man einen Polizisten hingegen ungestraft nennen. Das entschied das Amtsgericht Tiergarten, nachdem es die Äußerung „Herr Oberförster, zum Wald geht es da lang!“ genau mit der Wertigkeit der Bezeichnung als Oberförster, statt nur Förster, und die Beleidigungsrelevanz des Waldes abgewogen hat (Az.: (412 Ds) 2 JuJs 186-08 (74/08)). Wer Polizisten als „Bullen“ bezeichnet, verletzt allerdings deren Ehre.
Anzeige muss erstattet werden
Beleidigungsdelikte werden grundlegend strafrechtlich nur verfolgt und geahndet, wenn eine Anzeige erstattet wurde. Ausnahmen hiervon sieht das Gesetz für Fälle vor, in denen die Äußerung öffentlich zugänglich gemacht wurde. Bei Bagatellfällen ohne öffentliches Interesse muss sich der Beleidigte selbst einen Rechtsanwalt suchen und Privatklage erheben. Doch selbst dann kann erst geklagt werden, wenn ein Versöhnungstermin zwischen den Streitenden keine Einigung gebracht hat. Beleidigt man sich wechselseitig und wird eine Beleidigung auf der Stelle erwidert, so kann der Richter einen oder beide Beleidiger straffrei erklären.
So teuer können Schimpfwörter sein:
Aber Achtung: Dies sind alles nur Beispiele aus Gerichtsurteilen, denn für Beleidigungen gibt es keine Regelsätze und auch keinen Schimpfwortkatalog, dem man entnehmen könnte, welches Wort bei einer eventuellen Ahndung wie teuer wird. Die Beleidigung wird abhängig von den Tatumständen bewertet und die Geldstrafe normalerweise in Tagessätzen angegeben.