Verbraucherfalle Supermarkt: Ein Experte erklärt, wo sie lauern können. Und warum wir gern hineintappen.
Greenwashing, Deluxe-ProdukteVerbraucherexperte warnt vor Kunden-Fallen im Supermarkt
Wir Deutschen sind Bonusjäger. Laut Studie nutzen fast drei Viertel der Kunden Treueprogramme des Einzelhandels. Sie horten Kundenkarten im Portemonnaie, bekommen glänzende Augen bei dem Wort „Sale“. Wir springen im Gegenzug aber auch auf jede Lifestyle-Masche an, weil wir es uns ja wert sind.
Aber ist der Preis wirklich so heiß, wie es uns die Hersteller und Discounter weismachen wollen? Von wegen! Verbraucherexperte Ron Perduss spricht in seinem gleichnamigen Buch gar von „Abzocke“ – und nennt im Gespräch mit EXPRESS.de viele interessante Beispiele.
Treuepunkte: Was bringen die Rabattsysteme wirklich?
Beliebteste Frage an der Kasse: „Sammeln Sie Treuepunkte?“ Aber sicher doch! Wer hätte nicht gern das Topfset mit einem Nachlass von bis zu 80 Prozent auf die unverbindliche Preisempfehlung?
Ron Perduss: „Dieser Preis wurde zum einen in der Realität nie für das Produkt gefordert, kann selbst festgesetzt werden. Und: Sie finden auch keinen Vergleich, denn diese Artikel werden oft speziell für Supermärkte hergestellt und haben oft nicht die Qualität, die man sonst von der Marke erwartet.“
Kundenkarte kann entscheidende Nachteile haben
Wenn’s nicht zu traurig wäre, müsste man über das Bild von Perduss lachen: „Sie kommen in eine Mall, jemand fängt Sie ab und sagt: ‚Herzlich willkommen. Wenn Sie mir alles von sich verraten, Name, Adresse, Mail, Telefon, Hobbys und was Sie diese Woche gekauft haben, bekommen Sie in jedem Laden heute 0,5 Prozent Rabatt‘.“ Da würde doch jeder entnervt abwinken.
Aber bei Kundenkarten würden viele anders ticken. Kein Wunder: 50 Bonuspunkte bei einem Einkauf von 100 Euro klinge ja auch viel besser als 50 Cent bei einem Einkauf von 100 Euro. Täuschung, okay. Aber wo liegt da eine Abzocke vor? „Es werden genaue Profile mit unseren Daten erstellt. Wir werden im Netz gesteuert – und bekommen zum Beispiel bei der Schuhsuche gar nicht mehr die gesamte Markenauswahl – inklusive günstigerer Varianten – präsentiert.“
Abzock-Fallen im Supermarkt: Warum ist plötzlich ist alles klimaneutral?
Das fing an mit den Light-Produkten, die laut Studien aber dicker machten als normale Varianten. Dann kamen als Lockmittel „natürliche Zutaten“, ein völlig ungeschützter Begriff, mit dem aber Geld gemacht wird. Jetzt sei zum Beispiel „klimaneutral“ das Lockmittel schlechthin, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.
Doch Perduss gibt zu bedenken: „Es gibt zwar wirklich Start-ups, die das toll durchziehen. Doch viele große Player in der Branche erkaufen sich meist Klimaneutralität als Zertifikat.“Nehmen Sie hier an unserer Umfrage teil:
Das sei Augenwischerei. Der CO₂-Ausstoß werde ja nicht jetzt gebunden, indem irgendwo ein Bäumchen gepflanzt werde, sondern erst in 20 Jahren – wenn der Baum dann nicht gerodet oder von Schädlingen befallen werde.
Greenwashing, High Protein: Mehr als nur schöne Worte?
Aber das Greenwashing, das Kunden gern und teuer bezahlten, funktioniere genauso wie derzeit das Geschäft mit High-Protein-Produkten (haben laut Gesellschaft für Konsumforschung ein Wachstum von über 60 Prozent pro Jahr, obwohl ein normaler, naturbelassener Joghurt meist mehr Eiweiß habe als ein Produkt mit dem Aufdruck „proteinreich“).
„Oder nehmen wir sogenannte Superfoods. Die Smoothies mit Nuancen von Superfoods kosten laut Verbraucherzentrale bis zu 40 Prozent mehr als andere Gesundheitsdrinks, durchs Pürieren gehen obendrein die Ballaststoffe flöten“, so Perduss.
Dasselbe gelte auch für die derzeit so beliebten Nahrungsergänzungsmittel. Dieses Vitamin-Gießkannenprinzip könne sogar schädlich sein. Perduss rät: „Lieber Hirse statt Chiasamen, Kamille statt Matcha-Tee und Brokkoli statt Weizengras. Schont Geldbeutel und Klima. Und wenn Sie einen Vitaminmangel fürchten, sprechen Sie mit Ihrem Arzt und setzen Sie Vitamine dann gezielt ein.“
Achtung, meist Abzocke: Preis geht oft rauf bei edler Verpackung
Die Regale sind – gerade vor Feiertagen – voll damit. Hochwertige Verpackungen mit Goldschrift und Beschreibungen wie „von Hand zubereitet“, „ultrafrisch“ oder „Zutaten bester Herkunft“. Die suggerieren, dass man sich etwas ganz Besonderes leistet.
Ron Perduss: „Der Luxus-Schwindel kostet bis zu 70 Prozent mehr und auf der Zutatenliste finden sich bei den Inhaltsstoffen genauso Stabilisatoren, Verdickungsmittel und Co. wie in der normalen Leberwurst.“ Da lohne es sich, das Kleingedruckte zu lesen.
Gerade erst sei der Verbraucher-Experte auf ein schön aufgemachtes Marmeladenglas mit Deckel aus Kronkorken und einer Banderole gestoßen, die nach Recyclingpapier aussieht. Seine Recherche ergab: Der Deckel sei zur Hälfte aus Plastik, und es handelte sich nur um ganz normales Papier, das auf alt getrimmt wurde.
Perduss rät augenzwinkernd: „Halten Sie es beim Einkauf wie bei der Suche nach einem neuen Partner: Nicht die Optik, die inneren Werte zählen.“
Oft bloß kalte Luft: Der Trick mit dem Speiseeis
Aufgrund einer Ausnahmeregelung in der Fertigpackungsverordnung darf bei Speiseeis der Inhalt in Volumen angegeben werden. Ron Perduss: „Blöd für Verbraucher ist nur, dass sich am Volumen nicht ablesen lässt, wie viel Eis tatsächlich in der Packung ist. Der Hersteller ist nämlich nicht verpflichtet, den Luftanteil anzugeben.“
Und dieser Unterschied kann bei einem Liter Eis bis zu 82 Prozent in der Füllmenge ausmachen, haben die Verbraucherzentralen in eigenen Tests herausgefunden. In anderen Ländern muss das Nettogewicht deklariert werden.
Verbraucherexperte erklärt „Shrinkflation“ und die Krux beim Outlet
Früher waren vor allem meist Markenartikel von versteckten Preiserhöhungen durch weniger Inhalt in der Packung betroffen. Jetzt wird diese Methode auch immer öfter bei Eigenmarken-Produkten angewandt. Wobei die Verpackungen nicht unbedingt kleiner werden (was bei weniger Materialverbrauch ja auch okay wäre – klimatechnisch). Aber hier wird einfach der Inhalt weniger.
Verbraucherexperte Ron Perduss sagt dazu: „Diese Art der versteckten Preiserhöhung müsste laut unseres Mess- und Eichgesetzes eigentlich unterbunden werden.“
Und wenn so viel echte Überproduktion da wäre, wie sie in Outlet-Centern vorzufinden ist, müssten die Manager wegen Fehlkalkulation doch längst gefeuert werden, oder? Fakt ist laut Perduss: „Oft wird Kleidung eigens für Outlets angefertigt.“ Das sei ein zusätzlicher, lukrativer Vertriebsweg für Bekleidungshersteller.