Neun-Euro-Ticket-Nachfolger gefunden?So viel soll das „günstige und soziale“ Monatsticket kosten

Reisende gehen an einem Fahrkartenautomaten vorbei

Verkehrsunternehmen schlagen das 69-Euro-Ticket als Nachfolger des Neun-Euro-Tickets vor. Das Foto vom 23. Mai 2022 ist ein Symbolbild.

Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) hat einen möglichen Nachfolger für das populäre Neun-Euro-Ticket vorgeschlagen: Das ist das 69-Euro-Ticket.

In der Debatte um die Zukunft des Neun-Euro-Tickets hat sich der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) mit der Forderung nach einer Anschlusslösung für monatlich 69 Euro zu Wort gemeldet.

Es sollte weiterhin eine einheitliche Flatrate für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland geben, erklärte der VDV zu seiner Idee eines sogenannten Klimatickets. Auch aus Reihen von Grünen und SPD kamen Forderungen nach einer Nachfolgeregelung.

69-Euro-Ticket? „Können nicht bis zum Herbst warten“

VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff forderte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Freitag (15. Juli 2022) eine zügige Klärung. „Das muss schnell entschieden werden, wir können nicht bis zum Herbst warten“, sagte er. Sein Verband schätzt die Kosten für das von ihm vorgeschlagene 69-Euro-Ticket auf etwa zwei Milliarden Euro im Jahr. Zur Finanzierung brachte Wolff in der „FAZ“ die Idee eines staatlichen Sondervermögens wie für die Bundeswehr ins Spiel.

In Deutschland gibt es derzeit für drei Monate das Neun-Euro-Ticket für alle Fahrten im Nah- und Regionalverkehr. Es ist Bestandteil des ersten Entlastungspakets der Regierung in Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Es läuft Ende August aus. Zur Kompensation von Einnahmeausfällen im Ticketverkauf überweist der Bund den Ländern für diesen Zeitraum 2,5 Milliarden Euro.

Aufgrund der Resonanz der Bürgerinnen und Bürger gilt das Neun-Euro-Ticket als Erfolg. Im Juni nutzten bundesweit nach Angaben des VDV 31 Millionen Menschen den günstigen Tarif. Darunter waren zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten normaler Fahrscheine, die den niedrigen Preis automatisch erhalten.

Bereits seit Wochen läuft eine Debatte über eine mögliche Verlängerung des Angebots oder eine ebenfalls verbilligte Nachfolgeregelung. Dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warb kürzlich für ein 29-Euro-Ticket, um durch steigende Preise belastete Haushalte zu entlasten und die geplante Verkehrswende zu unterstützen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich jüngst wiederholt für ein dauerhaftes bundesweit gültiges Nahverkehrsticket aus, das die bisherigen regionalen Tarifzonen ablöst. Ob der Bund den Länder dafür dauerhaft Geld zuschießen könnte, ließ der Verkehrsminister aber offen.

„Günstig und sozial“: 69-Euro-Ticket oder doch weniger Kosten?

Grünen-Chefin Ricarda Lang signalisierte Unterstützung für eine Anschlussregelung. „Es braucht eine Anschlussregelung, die wie vom Bundesverkehrsminister vorgeschlagen möglichst bundeseinheitlich gilt und dabei günstig ist, also auch sozial“, sagte sie der „FAZ“. Dabei müsse die Bundesregierung allerdings gleichzeitig zwei Ziele erreichen: Sie wolle günstige Tickets anbieten und zugleich in die Infrastruktur investieren.

SPD-Vizebundestagsfraktionschef Detlef Müller forderte Wissing und die Länderverkehrsminister auf, bis Herbst einen Vorschlag zur dauerhaften Finanzierung eines günstigen Tickets vorzulegen. „Ob das Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig“, sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es müsse aber in einem Rahmen liegen, der „psychologisch wirkt“ und zum Umstieg vom Auto motiviere. Das Ticket dürfe außerdem keinesfalls Ausbau und Betrieb des Nahverkehrs beeinträchtigen.

FDP-Vizefraktionschefin Carina Konrad sprach am Freitag von einer „Chance“ zur Verbesserung des „vernachlässigten ÖPNV“. Allerdings müsse die geplante Evaluierung des Neun-Euro-Tickets zunächst zeigen, welche Folgelösungen „auch wirklich seriös in Frage kommen“, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Spürbare Verbesserungen bräuchten „tiefgreifende Reformen“.

Zurückhaltend äußerte sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Das vom VDV ins Spiel gebrachte 69-Euro-Ticket sei im Grundsatz begrüßenswert, sagte dessen Ehrenvorsitzender Karl-Peter Naumann der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ vom Samstag. Eine Tarifmaßnahme allein reiche aber nicht. Notwendig seien ein deutlicher Ausbau des Nahverkehrsangebots im ländlichen Raum sowie ein verbilligtes Angebot für einzelne Tagestickets.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den Vorschlag des VDV als zu teuer. Um Haushalte finanziell zu entlasten und wirtschaftliche Anreize für einen Umstieg auf Bus und Bahn zu setzen, dürfe ein Ticket nicht mehr als einen Euro am Tag kosten, erklärte Greenpeace in Hamburg. (afp/gr)