Über fünf Monate EntzugsklinikDEL-Profi Constantin Braun spricht über seine Alkoholsucht

 Constantin Braun im Trikot der Bietigheim Steelers

Constantin Braun spielt seit dieser DEL-Saison für Aufsteiger Bietigheim Steelers. Das Foto zeigt ihn beim Spiel gegen den ERC Ingolstadt am 10. September 2021.

Constantin Braun war ganz unten. Als Eishockey-Profi kämpfte er mit einer Alkoholsucht und Depressionen. Heute kämpft er mit den Bietigheim Steelers in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen den Abstieg.

von Michael Eham  (eham)

Bietigheim. Sechsmal wurde er deutscher Eishockey-Meister. Einmal wurde Constantin Braun (33) sogar zum besten Spieler der DEL-Playoffs gekürt. 98 Mal spielte er in der deutschen Nationalmannschaft. Von außen betrachtet ist der Profi, der seit 15 Jahren bei den Eisbären Berlin unter Vertrag steht, ein erfolgreicher Athlet. Doch innendrin sah die Welt für Braun lange düster und schwer aus. Denn er litt an Depressionen und einer Alkoholsucht, über die er nun (22. September 2021) emotional und öffentlich spricht.

Constantin Braun war fünfeinhalb Monate in einer Entzugsklinik

Das Datum, an dem er sein letztes Bier getrunken hat, weiß er noch ganz genau. Denn um den 2. August 2018 herum änderte sich das Leben von Constantin Braun. Einen Tag später kam er für fünfeinhalb Monate in eine Entzugsklinik im baden-württembergischen Friedenweiler, wie er in der „Sport Bild“ vom Mittwoch (22. August 2021) erzählt. Schon 2013 und 2017 ließ er seine Laufbahn vorrübergehend ruhen – jeweils für drei Monate. Der Grund dafür waren seine Depressionen.

Die Sucht begann schleichend so etwa ab 2010: „Mittags drei, vier Bier, abends nochmal, das war für mich völlig normal. Aber irgendwann verlor ich die Kontrolle. Meine Gedanken kreisten nur noch darum, wo und wann kriege ich wieder etwas zu trinken.“ Zum Bier kamen auch Whisky und Wodka: „Ich habe mich aber nie ins Koma gesoffen, sondern hatte immer einen bestimmten Pegel“, erzählt Braun.

Heute weiß er: „Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Alkoholsucht in Wirklichkeit die Ursache für die Depression war.“ Als Feierbiest bekannt spielte er innerhalb der Mannschaft „eine Rolle“, wie er sagt. „Ich habe nach außen jemanden dargestellt, der mit mir selbst nicht im Geringsten übereinstimmte.“ Das Bild des beinharten Verteidigers, der keinem Zweikampf aus dem Weg geht, musste der gebürtige Hesse für sich erst mit dem Alkoholproblem vereinbaren. „Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestanden habe.“ Den Kontakt zu einer Entzugsklinik stellte übrigens Uli Borowka (59) her. Der ehemalige Fußball-Star (u.a. Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen) war auch Alkoholiker.

Eisbären-Manager Peter John Lee stand Braun zur Seite

Nachdem Braun sich nach Jahren der Alkoholsucht dem Eisbären-Manager Peter John Lee (65) anvertraut hatte, reagierte dieser einfühlsam. „Er hat gesagt, ich solle mich um mich selbst kümmern, alles andere regele er. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar“, sagt Braun, der auch heute immer noch bei den Eisbären Berlin unter Vertrag steht und für die DEL-Saison 2021/22 an die Bietigheim Steelers ausgeliehen ist.

Die Krankheit beschwor auch Gedanken an einen Suizid hervor. „Der Fall Robert Enke war mir durchaus bewusst. An besonders dunklen Tagen gab es auch bei mir den Gedanken, Selbstmord zu begehen“, erzählt Braun. „Aber ich wollte nicht so feige sein, dem Leben davonzulaufen.“ Er spürte die Verantwortung seiner Frau und seinen Kindern gegenüber. „Ich wollte ihnen ersparen, was ich durchgemacht habe, als sich mein Opa erhängte.“

Braun über Rolle in Bietigheim: „Bin hier der Opa“

Heute übernimmt der erfahrene Eishockey-Profi auch wieder Verantwortung für eine Mannschaft. Und statt mit Berlin um die Meisterschaft zu spielen, geht es mit Aufsteiger Bietigheim Steelers gegen den Abstieg aus der DEL. „Ich bin hier der Opa, der auf alle aufpasst. Eine coole Aufgabe. Die jungen Spieler kommen oft zu mir und ich versuche alles, um ihnen zu helfen.“ Constantin Braun erzielte am ersten Spieltag das erste DEL-Tor in der Geschichte der Bietigheim Steelers.


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