Einen Tag nach der Verkündung des Hammer-Urteils sind beim 1. FC Köln viele Fragen offen. Eine Sportrechts-Expertin gibt Antworten.
CAS-Berufung und PaqaradaFC und das Hammer-Urteil – viele offene Fragen, Juristin gibt Antworten
Das Fifa-Urteil trifft den 1. FC Köln in Mark und Bein. Der Fußball-Weltverband hat gegen den Bundesligisten eine Transfersperre für die nächsten beiden Wechselperioden verhängt.
Der Vorwurf: Der FC soll U19-Torjäger Jaka Cuber Potocnik (17) zum Vertragsbruch mit Ex-Klub Olimpija Ljubljana angestiftet haben.
FC zieht vor den CAS – viele Fragen offen
Nach der Hammer-Entscheidung sind viele Fragen offen. Auch bei FC-Geschäftsführer Christian Keller (44), der am Donnerstag (30. März 2023) von einer „Farce“ und einem „komplett absurden“ Urteil sprach. Der Verein hat bereits angekündigt, vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS Berufung einzulegen.
Der Verein muss nun einige Sachverhalte prüfen, die in dem Urteil nicht konkretisiert sind. Unter anderem geht es um Linksverteidiger Leart Paqarada (28) vom FC St. Pauli, den der FC bereits ab Sommer unter Vertrag genommen hat. Keller am Donnerstag am Geißbockheim: „Ob wir ihn verleihen können, ist eine gute Frage, die wir beantworten müssen. Das steht im Urteil nicht drin. Dort steht nur, dass uns untersagt wird, neue Spieler zu registrieren. Was ist ein neuer Spieler?“
Egal wie die Berufung vor dem CAS ausfällt, schon jetzt bekommt der Verein die Auswirkungen der Fifa-Entscheidung zu spüren. Schließlich schreckt diese potenziell interessierte Spieler ab. Und das in einer Phase, in der Regel bereits Gespräche für das Sommer-Transferfenster geführt werden.
Ob das Urteil der Fifa tatsächlich „absurd“ ist, wie es nun vor dem CAS weitergeht, welche Optionen der FC bei Paqarada hat und ob trotz Fifa-Urteil auch jetzt noch eine außergerichtliche Einigung zwischen Köln und Olimpija Ljubljana möglich ist, dazu hat EXPRESS.de bei Rechtsanwältin und Sportrechts-Expertin Anastasia Baumann von der Kölner Kanzlei LHR Rechtsanwälte – Lampmann Haberkamm Rosenbaum & Partner mbB nachgefragt. Ihre Einschätzung haben wir im Folgenden dokumentiert.
So schätzt eine Rechtsanwältin und Sportrechts-Expertin den Fall ein
Die Expertin zur Frage, wie das Fifa-Urteil zu bewerten ist:Ohne die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu kennen, mögen die verhängten Sanktionen auf den ersten Blick „scharf“ und „unverhältnismäßig“ erscheinen. Insbesondere mag es den einen oder anderen überrascht haben, dass den Verein selbst eine sportliche Sanktion – also die Transfersperre von zwei Perioden – trifft. Wirf man allerdings einen Blick in das sog. „Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“ der Fifa, stellt man fest, dass die Fifa den dort festgelegten Sanktionsrahmen angewandt hat. Dort heißt es u.a.:
„Im Falle eines Vertragsbruchs oder bei Anstiftung zum Vertragsbruch in der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt werden. Ein Verein, der einen Berufsspieler, der seinen Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst hat, unter Vertrag nimmt, macht sich der Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig, es sei denn, er kann den Gegenbeweis antreten. Als Sanktion wird dem fehlbaren Verein für zwei vollständige und aufeinanderfolgende Registrierungsperioden die Registrierung von Spielern auf nationaler und internationaler Ebene verweigert. Der Verein darf erst ab der nächsten Registrierungsperiode wieder neue Spieler registrieren (ob national oder international), nachdem er die betreffende sportliche Sanktion vollständig verbüsst hat. Er darf insbesondere weder von der Ausnahmeregelung noch von den provisorischen Massnahmen gemäss Art. 6 Abs. 1 dieses Reglements Gebrauch machen, um Spieler zu einem früheren Zeitpunkt zu registrieren.“
Stellt also die Fifa einen Vertragsbruch oder die Anstiftung zum Vertragsbruch in der Schutzzeit fest, kann die Fifa sich zunächst dazu entschließen, dem Verein zusätzlich zur verpflichtenden Entschädigungszahlung auch noch eine sportliche Sanktion aufzuerlegen. Diese Regelung wird als „kann“-Vorschrift verstanden, ist also zunächst einmal nicht zwingend. Sobald sich aber die Fifa dazu entschließt, eine sportliche Sanktion aufzuerlegen, ist die Sanktion als „wird“-Vorschrift, konkret vorgeschrieben: „ Als Sanktion wird dem fehlbaren Verein für zwei vollständige und aufeinanderfolgende Registrierungsperioden die Registrierung von Spielern auf nationaler und internationaler Ebene verweigert.“ Das lässt meines Erachtens an dieser Stelle auch keinen Ermessensspielraum zu.
Die Fifa kam also zunächst zu dem Ergebnis, dass Jaka Cuber Potocnik den Vertrag zu seinem alten Verein ohne triftigen Grund aufgelöst hat. Aus dem Umstand, dass ihn der 1. FC Köln (unmittelbar) unter Vertrag genommen hat, hat sich der 1. FC Köln nach dem Reglement der Fifa automatisch der Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig gemacht. Den Verein trifft sozusagen eine „solidarische Haftung“. Was anderes würde nur gelten, wenn der Verein den Gegenbeweis antritt. Der Umstand, dass der 1. FC Köln den Spieler Potocnik unter Vertrag genommen hat, ist offensichtlich. Es dürfte nun allein darum gehen, darzulegen und zu beweisen, dass Potocnik den Vertrag zu seinem alten Verein nicht ohne einen triftigen Grund aufgelöst, also keinen Vertragsbruch begangen hat.
Problematisch ist, dass das Reglement den „triftigen Grund“ sowie den „Vertragsbruch“ nicht definiert. Aus der Rechtsprechung des CAS dürfte ein „triftiger Grund“ bei einer erheblichen Pflichtverletzung des anderen Teils angenommen werden, die die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar macht. Laut CAS kommt als Vertragsbruch jedes (auch konkludentes) Verhalten in Betracht, das den Willen zeigt, einen Vertrag definitiv vorzeitig beenden zu wollen. Dies wird allerdings immer anhand von individuellen Umständen des Einzelfalls bewertet, die im einzelnen natürlich nicht öffentlich bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine juristische Bewertung des Urteils als „richtig“ oder „falsch“ so aus der Ferne fundiert nicht möglich.
Die Expertin zur Frage, welche Chancen der FC-Einspruch vor dem CAS hat:Leider finden sich in dem Reglement auch keine Regelungen dazu, wann der Gegenbeweis als erbracht gilt und was der Verein z.B. für Dokumente, Vertragsunterlagen etc. vorlegen kann/soll, um darzulegen und zu beweisen, dass kein Vertragsbruch seitens des Spielers vorliegt. Allerdings überprüft der CAS im Berufungsverfahren die Entscheidung der Sport-/Verbandsgerichte, also hier konkret die Verhängung der Sanktionen, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht „de novo“, also von neuem. Der CAS kann also eine ganz neue Entscheidung fällen, mit der die angefochtene Entscheidung ersetzt wird. Ebenso kann der CAS die angefochtene Entscheidung für unwirksam erklären oder den Fall an die Vorinstanz zurückverweisen.
Die besten Chancen hat der 1. FC Köln, wenn er nachweisen kann, dass in tatsächlicher Hinsicht kein Vertragsbruch vorliegt. Wenn dies nicht gelingen sollte, besteht noch die Möglichkeit in rechtlicher Hinsicht zu argumentieren, dass die verhängten Sanktionen unverhältnismäßig sind. Zwar ist die vertragsbrüchige Partei in jedem Falle zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet, die Verhängung einer „sportlichen Sanktion“ ist allerdings nicht verpflichtend.
Die Expertin zu der Frage, was nun mit bereits durchgeführten Transfers passiert und ob der FC einen Spieler wie Leart Paqarada für die Dauer der Sperre an einen anderen Klub verleihen darf:Der Spieler darf aufgrund der Sperre für die kommende Saison nicht für den 1. FC Köln registriert werden, weshalb eine Leihe des Spielers zu einem weiteren Verein problematisch sein wird. Der 1. FC Köln kann versuchen sich auf eine Regelung (Art. 5 Abs. 4 Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern) zu stützen, wonach der Spieler in einer Spielzeit bei verschiedenen (maximal drei), Vereinen registriert werden darf, um den Spieler dann unmittelbar beim ausleihenden Verein registrieren zu lassen. Dies könnte aber als Umgehung der Sperre gewertet werden und zu weiteren Sanktionen führen.
Denn grundsätzlich gilt: Die Teilnahme am organisierten Fußball ist allein registrierten Spielern vorbehalten. Durch die Registrierung verpflichtet sich ein Spieler, die Statuten und Reglemente der Fifa, der Konföderationen und der Verbände einzuhalten.Nehmen Sie an der EXPRESS.de-Umfrage teil:
D.h. ein Spieler ist für einen Verein nur spielberechtigt, wenn er bei einem Verband entweder als Berufs- oder Amateurspieler registriert ist. (Ein Berufsspieler ist ein Spieler, der über einen schriftlichen Vertrag mit einem Verein verfügt und für seine fußballerische Tätigkeit mehr Geld erhält, als zur Deckung seiner Auslagen tatsächlich notwendig ist. Alle übrigen Fußballer sind Amateure.) Ein Spieler darf bei einem Verein nur zwecks Teilnahme am organisierten Fußball registriert werden.
Ein Spieler kann jeweils nur bei einem Verein registriert sein. Ein Spieler kann in einer Spielzeit bei maximal drei Vereinen registriert werden. In dieser Zeit ist der Spieler für offizielle Spiele von lediglich zwei Vereinen spielberechtigt, vorbehaltlich einzelner Ausnahmen. Soll ein Berufsspieler an einen anderen Verein ausgeliehen werden, bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung zwischen ihm und den betreffenden Vereinen. Die Leihe setzt voraus, dass der verliehene Spieler einen Vertrag bei dem abgebenden Verein hat. Darüber hinaus gelten die Transferbestimmungen auch für die Leihgabe eines Spielers (z.B. Einhaltung der Transferperiode etc.).
Die Expertin zu der Frage, ob noch die Chance auf eine gütliche Lösung zwischen den zwei Klubs besteht oder ob diese mit dem Urteil und dem Einspruch vom Tisch ist:Für Berufungsverfahren vor dem CAS gelten viele Regelungen des ordentlichen Verfahrens entsprechend. Vereinfacht gesagt: Olimpija Ljubljana und der 1. FC Köln können sich nach wie vor vergleichen und eine gütliche Lösung treffen. Wahrscheinlich würde sich Olimpija Ljubljana mit der ursprünglich verlangten Entschädigungszahlung zufriedengeben. Das Urteil steht dem nicht entgegen.
Ein Problem könnte allerdings sein, dass nun die Fifa(-Mitgliedsverbände) vor dem Sachverhalt Kenntnis erlangt haben und „eigenverantwortlich“ gegen den 1. FC Köln vorgehen könnten, obwohl eine gütliche Lösung mit Olimpija Ljubljana getroffen wird. Dann würde das ganze Spiel – unter etwas anderen Bedingungen und je nach Voraussetzungen – von vorne losgehen.