Klartext der FC-BosseDubiose Kanäle & Geldkoffer: So lief der Potocnik-Krimi ab – Keller verzweifelt

1. FC Köln, MMC-Studios, Mitgliederstammtisch,  von links: Philipp Türoff und Christian Keller

Die Geschäftsführer des 1. FC Köln: Philipp Türoff und Christian Keller am 10. Januar 2024.

Endlich Klartext der FC-Bosse! Am Sonntag gaben der Vorstand und die Geschäftsführung des 1. FC Köln interessante Einblicke in ihre Arbeit nach dem Abstieg. Sie sprachen zudem auch über das Gutachten nach dem Cas-Urteil.

von Uwe Bödeker (ubo)

Viele Fans haben darauf sehnsüchtig gewartet: Der Vorstand des 1. FC Köln und seine Geschäftsführung hat sich nun erstmals ausführlich zum Cas-Urteil geäußert.

Am Sonntag (2. Juni 2024) erschien die erste Folge eines neuen Formats. In dem Podcast „FC Inside“ sprachen Klub-Präsident Dr. Werner Wolf (67), sein Vize Dr. Carsten Wettich (44), der Geschäftsführer Sport, Christian Keller (45) und der Finanz-Geschäftsführer Philipp Türoff (48) über die Ergebnisse aus dem Gutachten nach dem Cas-Urteil und die Folgen. Insgesamt sprachen die FC-Bosse knapp eine Stunde mit Moderator Mike Kleiß über die Situation beim FC.

Wunden lecken nach Abstieg: über 1000 FC-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter betroffen

Zu Beginn ging es um die Aufräumarbeiten nach dem siebten Abstieg der Klubgeschichte. Keller erklärte: „Wir waren auf das unerwünschte Zweitliga-Szenario vorbereitet und jetzt geht es in die Umsetzung, sodass die Tage natürlich brutal sind. Ich habe sehr wenig geschlafen, es gibt viel zu kommunizieren, nach innen wie nach außen. Allen voran wollen wir die Mitarbeiter mit auf den Weg nehmen. Und bei mir ganz konkret geht es um die Trainer-Frage und die Kaderplanung.“

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So ein Abstieg hinterlässt bei allen emotionale Spuren. Türoff muss hinter den Kulissen bei gut 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im FC-Kosmos Zuversicht verbreiten: „Das ist eine große Gruppe an Menschen, die brauchen Zuversicht, die muss man begleiten. Orientierung und Sicherheit geben, wo es jetzt möglich ist. Das ist schon eine Herausforderung – und da geht es ordentlich zur Sache.“

Zur Kaderplanung konkret sagte Keller: „Es ist ja bekannt, es gibt den ein oder anderen Spieler, der keinen Zweitligakontrakt hat oder gegebenenfalls eine Ausstiegsklausel hat. Mit den Jungs sprechen wir, in den Fällen, wo wir sprechen wollen. Wir wollen da auch eine Zukunftsperspektive aufzeigen, dass der FC auch in der 2. Liga ein sehr ambitionierter Klub sein wird und auch ein zukunftsträchtiger Klub sein wird.“

Noch wichtiger sei aber die Trainersuche: „Wir haben uns die Woche nach dem Heidenheim-Spiel wirklich ganz bewusst die Zeit genommen, um genau zu analysieren. Wir sind zu Recht abgestiegen und sind im Ergebnis dazu gekommen, dass wir im Trainerteam einen neuen Impuls brauchen. Das hat Timo Schultz auch so gesehen.“ Zu vermelden gibt es aktuell aber noch nichts.

Fall Potocnik: Leichte Pflichtverletzung von Türoff und Wehrle

Dann ging es um die Transfersperre und die Folgen. Der FC hatte von einer Kanzlei ein Gutachten erstellen lassen, um die ganze Situation rund um die Verpflichtung von Jaka Cuber Potocnik (18) aufzuklären und die Fragen zu beantworten, wer die folgende Transfersperre zu verantworten hat. Auch die Frage, ob es personelle Konsequenzen geben müsse, sollte geklärt werden. FC-Präsident Wolf sagte: „Das Gutachten ist da und wurde den Gremien präsentiert.“ Die wichtigsten Erkenntnisse: „Eine leichte Pflichtverletzung, nicht schwerwiegende Pflichtverletzung der beiden Geschäftsführer zum damaligen Zeitpunkt, also Alexander Wehrle und Philipp Türoff. Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass er keine Schadensersatzansprüche sieht.“

Vize-Präsident Carsten Wettich ist selbst Jurist und schätzte das Gutachten folgendermaßen ein: „Das Gutachten hat festgestellt, dass Wehrle und Türoff ihre Pflicht verletzt haben, Juristen sprechen von einer Legalitätspflicht. Weil sie entschieden haben, den Spieler zu verpflichten, obwohl der eben sein Vertragsverhältnis mit Ljubljana nicht wirksam beendet hatte. Damit liegt laut Cas ein Verstoß des 1. FC Köln gegen die Fifa-Verbandsregularien vor. Und das führt eben zu dieser Pflichtverletzung.“ Wichtig: „Die Pflichtverletzung wird als leicht eingestuft“, so Wettich. Im Fifa- und Cas-Verfahren habe dann keiner der beteiligen FC-Bosse rechtswidrig gehandelt.

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Türoff war bei Unterzeichnung des Vertrags mit Potocnik erst wenige Tage im Amt: „Ich würde den Vorgang heute natürlich unterbinden. Es ist Aufgabe der Geschäftsführung, Schaden vom FC fernzuhalten. Und hier ist Schaden entstanden, den ich nicht verhindert habe. Das würde ich heute anders machen. Wir haben das damals falsch eingeschätzt.“ Türoff weiter: „Was mich dieser Vorgang gelehrt hat, direkt nach dem Anpfiff können spielentscheidende Dinge passieren.“

Die damalige sportliche Führung unter Dr. Jörg Jakobs (53) war laut Angaben der FC-Bosse total überzeugt von Potocnik. „Es wurde uns berichtet, dass der Spieler durch die Kündigung in einer verzwickten Lage war und der Junge natürlich weiter Fußball spielen muss“, so Türoff. Die Risiken wurden als sehr gering bewertet. Doch dann passierten viele Fehler: Vertragsabschluss unter sehr großem Zeitdruck, unvollständige Informationen, rechtliche Fehleinschätzungen.

Doch warum gab es im Verlauf keine Einigung mit Olympia Ljubljana? Türoff berichtet: „Es gab danach einige Signale über wirklich dubiose Kanäle, denen wir seriös nicht folgen konnten und auch nicht wollten. Ich sage mal dieses Bild vom Geldkoffer – sehr, sehr eigenartig.“ So war klar, der FC muss in den direkten Lösungskontakt mit Vereinsvertretern gehen. Später auch mit Christian Keller und dem direkten Kontakt mit den Ljubljana-Bossen.

Ende August 2022 hat ein Gespräch am Geißbockheim stattgefunden – unter anderem mit dem Präsidenten von Ljubljana. Da gab es eine 2,5-Millionen-Euro-Forderung. Diese wurde vermeintlich belegt mit einem angeblichen Angebot, dass Ljubljana für den damals 16-jährigen Nachwuchsspieler Potocnik vorliegen hatte. Keller: „Es war aber offensichtlich, dass dieses Angebot falsch war. Es war einfach ein Fake-Angebot.“ Zudem hatte der Spieler eine mündlich zugesagte Ausstiegsklausel in Höhe von 100.000 Euro. Der FC ging dann in die Vergleichsgespräche mit einem 300.000-Euro-Angebot für Potocnik. Mit variablen Zahlungen: wenn Potocnik Profi werden würde, wären bis zu 500.000 Euro geflossen.

Keller fand den Preis mehr als gut für einen 16-jährigen Jugendspieler – viel höher als der tatsächliche Marktwert. Am Ende des Verfahrens bekam Ljubljana übrigens nur 60.000 Euro als Ausgleichszahlung. Dennoch forderten viele FC-Fans, dass die Sache anders gelöst hätte werden müssen. Doch dubiose Lösungen mit einem Geldkoffer schloss die FC-Führung natürlich kategorisch aus. „Das ist ja ein komplettes Unding! Der FC gehört den Mitgliedern, ich kann nicht in meiner Verantwortung, wenn offensichtlich keine Anspruchsgrundlage da ist, im Wissen um potenzielle Schäden, die eintreten, 2,5 Millionen Euro des FC in einen Geldkoffer stecken und sagen, dann ist das Thema erledigt“, betonte Keller.

Was wusste der FC-Vorstand beim Potocnik-Deal?

In der Folge gab es viele Vergleichsgespräche, sogar mit einem Ergebnis, welches per Handschlag besiegelt wurde. Aber es kam nicht zur Umsetzung. Wettich erklärte aber auch das große FC-Dilemma: „In allen Gesprächen war auch die Fifa mit an Bord, weil die Klage von Ljubljana schon eingereicht war. Die Fifa hätte dem Vergleich zustimmen müssen. Die Fifa hat aber immer klargemacht: Wir werden uns an einem Vergleich nicht beteiligen. Wir möchten, dass die Sanktionen, also die Sperren gegen den Spieler und die Transfersperre gegen den 1. FC Köln aufrechterhalten bleiben. Ein Vergleich war so schlichtweg nicht möglich.“

Und was wusste der Vorstand? Wolf räumte ein, dass über Potocnik gesprochen wurde – und zwar in zwei Sitzungen, die erste war am 15. Dezember 2021. Der 2. Termin war der 2. Februar 2022. Beim ersten Termin gab es von der sportlichen Führung nur eine Anfrage, ob überhaupt finanzieller Spielraum für einen Nachwuchskicker vorhanden sei. Im zweiten Termin ist der Vorstand dann vor vollendete Tatsachen gestellt worden, so Wolf: „Nach der Verpflichtung sind wir informiert worden. Da war das Kind in den Brunnen gefallen, da konnten wir nichts mehr machen.“

Keller, der bei der Verpflichtung noch nicht beim FC war, ordnete aber ein, warum der Vorstand nicht informiert worden sei: „Es ist total unüblich, dass ein Vorstand über eine Verpflichtung von einem Nachwuchsspieler überhaupt informiert wird.“ So ein Vorgang liege bei Gehalt und Transfersumme meilenweit unter den definierten Zustimmungsgrenzen, ab denen ein Kontrollgremium angerufen werden müsse. Keller: „Dass der Vorstand das hätte wissen sollen, ist wirklich kompletter Humbug.“

So kommt die FC-Spitze insgesamt zu dem Schluss: personelle Konsequenzen gibt es nach dieser intensiven Aufarbeitung nicht. In dem Gutachten kommt die Kanzlei auch zu der Feststellung, dass es eine Vielzahl unglücklicher Umstände gab. Türoff war zudem erst seit einem Monat im Amt. Wettich sagte: „Wir müssen alles dafür tun, dass sich so ein Vorgang nicht wiederholt. Es muss aber keine personelle Konsequenz haben.“ Der Klub hat nun neue Vorgaben im Risikomanagement umgesetzt.

Mit Türoff wurde der Vertrag bis 2026 verlängert. Wolf stellt klar: „Die Erklärung ist einfach: Ich muss das einordnen in eine Gesamtleistung. Wir haben uns bemüht, als wir die Geschäftsführer rekrutiert haben, Menschen zu finden, die fachlich gut qualifiziert sind, die über eine gute Reputation verfügen und die integer und vertrauenswürdig sind. Das alles ist bei Philipp Türoff ohne Wenn und Aber der Fall.“ Unter seiner Führung sei die Sanierung gelungen, der FC ist handlungsfähig, ohne die Einnahmen von morgen zu verfrühstücken. Hinzu kommt ein neuer Pachtvertrag mit dem Rhein-Energie-Stadion über zehn Jahre, der laut Wolf „sehr gut ist“.

Keller ist trotzdem persönlich hart getroffen und berührt nach den Vorfällen um Potocnik, auch die Kritik von außen hat Spuren hinterlassen: „Wir haben alles versucht, was in unserer Macht stand, um die Transfersperre abzuwenden. Ich ärgere mich am allermeisten. Weil ich bin am meisten davon betroffen. Nicht erst für die Transferperiode im Sommer, auch schon die im Winter, die gut vorbereitet war. Und auch die Periode im letzten Sommer, wo wir mal zwei Monate nicht handlungsfähig waren und uns alles zerschossen wurde. Deshalb wäre es doch mein eigenstes Interesse gewesen, dass die Sperre nicht eintritt. Wir haben alles versucht, aber es ging einfach nicht, sie abzuwenden.“

Keller blickt auch fassungslos zurück: „Das alles hätte ich mir nicht vorstellen können, dass sowas passieren kann. Das war das Irrationalste, was ich in meinem Berufsleben erlebt habe.“ Trotzdem fordern viele Fans: Keller-Raus oder Wolf raus! Oder sogar: komplette FC-Führung raus! Türoff sagt dazu: „Wut und Enttäuschung sind verständlich. Aber ich versuche das nicht zu persönlich zu nehmen. Pauschale Unfähigkeit ist aber nicht angemessen als Beurteilung meiner Arbeit. Die Vorgänge dahinter sind komplexer.“

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Nach der Transfersperre haben nun zahlreiche Anhänger die Angst, dass der FC in die 3. Liga durchgereicht werden könnte. Keller sagt dazu: „Wenn einige sagen, wir werden durchgereicht, wir haben keine Mannschaft mehr, dann stimmt das nicht. Wir wollen schnellstmöglich wieder aufsteigen. Der Kader wird ordentlich sein. Der FC wird ein großer Klub bleiben, auch wenn aktuell in der falschen Liga. Wir werden in der 2. Liga mit Respekt behandelt werden, egal, wo wir hinfahren.“

In Teil 2 soll in den nächsten Tagen die aktuelle sportliche Situation beleuchtet werden. Bei Teil 3 werfen die Bosse einen übergeordneten Blick auf die Gesamtsituation des 1. FC Köln.