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Sky-Kommentator Wolff FussIm Österreich-Urlaub und durch Litti wurde ich FC-Fan
Köln – Er hat einen der tollsten Jobs, der in der Fußball-Welt zu vergeben ist: Wolff-Christoph Fuss (44) kommentiert für Sky die Bundesliga, die Champions League und die englische Premier League. Doch was schon in normalen Zeiten etwas Besonderes ist, bekommt in irren Corona-Zeiten eine ganz besondere Bedeutung. Darüber spricht Fuss in seinem Buch „Geisterball“ (Bertelsmann Verlag, 15 Euro) und im Interview mit dem EXPRESS – geführt bei Nieselregen und kaltem Wind mit Corona-Abstand vorm Kölner Dom.
Menschenleere Ränge, Stille bei den spektakulärsten Szenen – wie ist das für Sie?
Wolff-Christoph Fuss: Ich versuche, mich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren. Ich trage vor der Kamera Maske, habe eine Plexiglas-Konstruktion, sodass ich die Maske beim Kommentieren absetzen kann. Statt Fangesängen höre ich Vogelgezwitscher und Rasensprenger. Ich lerne viel über Hierarchie und Kommunikation einer Mannschaft bei der Arbeit. Und ich erlebe zwei Mannschaften, die penibel drauf achten, dass alles virologisch unbedenklich abläuft.
Beruflich nicht. Wenn ich das Stadion betrete, ist es mein Job, ob Menschen da sind oder nicht. Aber als Fußballliebhaber kann ich mich nicht davon freimachen, immer mal wieder drüber nachzudenken, wie das Spiel wohl verlaufen würde, wenn Zuschauer da wären.
Corona sorgt dafür, dass Sie international nicht reisen dürfen. Wie arbeiten Sie bei internationalen Spielen?
Da sitze ich in München vorm Monitor und berichte, was mir übers Fernsehbild vermittelt wird, und es fließen Erfahrungen aus dem letzten Live-Besuch ein. Reportagen aus dem Studio sind mir nicht fremd. Ich habe Ende der 90er beim Sender DF1 nur aus dem Studio vom Monitor kommentiert und über wilde Ligen aus Südamerika berichtet.
Wie hat Corona privat bei Ihnen eingeschlagen?
Ich muss gestehen, dass ich mit Wärme an die Monate März bis Mai denke. Es war für mich eine Art Elternzeit. Normalerweise bin ich von Februar bis Mai nur kurz zum Hemdwechsel zu Hause. Jetzt hatte ich viel Zeit für unsere erste, damals eineinhalbjährige Tochter und habe mit ihr die Welt entdeckt. Im November kam unsere zweite Tochter, wir sind also auch jetzt gut ausgelastet.
Sind Sie auch zum Schränke-Aufräumen gekommen?
Klar – und ich habe festgestellt, dass ich über handwerkliche Fähigkeiten verfüge, die über den Amateur-Standard hinausgehen. Ich habe meiner Tochter ein Holzhaus gebaut, das mich auch heute noch immer wieder mit Stolz erfüllt.
Sie haben gerade das Buch „Geisterball“ veröffentlicht. Was war das verrückteste Corona-Job-Erlebnis?
Das attraktivste Champions-League-Turnier, das es je gab, das 2020 im fußballbegeisterten Lissabon stattfand. Da, wo sonst die Nächte durchgefeiert werden, gab’s kaum Touristen, keine Partys, kaum ein Hinweis, dass Champions-League gespielt wird. Du gehst in ein leeres Stadion, kommentierst, erlebst die Pokalübergabe, bist 20 Minuten später wieder im leeren Hotel. Spektakulär, gespenstisch, außergewöhnlich, skurril, lustig, beeindruckend. Auch beeindruckend trist.
Wolff Fuss: Meine Liebe für den Fußball kam vom 1. FC Köln
Woher kommt Ihre Liebe zum Fußball?
Die hängt mit dem 1. FC Köln zusammen und hat ihren Ausgangspunkt in Österreich. Ich war drei und mit der Familie im Winterurlaub. Wir haben einen Geldbeutel gefunden. Der war sehr voll. Wie es sich gehört, haben wir ihn abgegeben. Dann meldete sich der Besitzer – ein FC-Funktionär. Der war so dankbar, dass er uns nach dem Urlaub ein Päckchen schickte, in dem für mich alle FC-Fan-Devotionalien steckten, die es damals gab.
Und da entflammte das Feuer?
Absolut! Zudem handelte es sich beim FC um einen Verein, der damals in der Lage war, Titel zu gewinnen, seine Helden hießen kindgerecht Toni und Litti, und es gab sogar ein lebendiges Maskottchen. Wir sind danach immer wieder nach Köln gefahren, auch um das Training zu besuchen. Litti wurde der absolute Hero meiner Kindheit.
Fußball ist – in normalen Zeiten – eine Attraktion in Kneipen. Könnte man Sie da beim Gucken am Tresen treffen?
Eher nicht. Ich bin kein Rudelgucker. Wenn ich am Tresen stehe, brauche ich keinen Fußball. Da reicht mir ein Bier und gute Gesellschaft.
Das Leben für Sportreporter ist dank der sozialen Netzwerke härter geworden. Angst davor, einen Spruch rauszuhauen, der nicht stubenrein ist?
Nein. Da ich nicht dazu neige, Leute im Affekt zu beleidigen, kann ich es laufen lassen. Dennoch ist in den 90 Minuten sicher mal ein etwas schiefes Sprachbild dabei. Das passiert schon mal im spontanen Eifer.
Wie sind dann die Reaktionen?
Wir leben in Zeiten der digital erhobenen Zeigefinger. In den sozialen Medien wird jede Aussage auf moralische und politische Festigkeit überprüft und dann gegebenenfalls auch auf Verdacht gegeißelt, in der Hoffnung, dass sich Sympathisanten und Mitstreiter finden. Es ist nie mein Anspruch gewesen, es jedem recht zu machen.
Ihre Frau Anna Kraft ist die ehemalige Leichtathletin von Bayer Leverkusen, die als Fußball-Reporterin bei Eurosport und Amazone Prime im Einsatz war. Gibt es bei Ihnen zu Hause auch mal ein Leben ohne Fußball?
Mit zwei kleinen Kindern im Haus ist der Fußball in den allermeisten Fällen nicht mal ein Randthema (lacht).