Die 50+1-Regelung bleibt in Deutschland ein heiß diskutiertes Thema. Bayer Leverkusen profitiert seit Jahrzehnten von einer Sonderregelung. Boss Fernando Carro lederte auf dem Kongress Spobis trotzdem gegen das Tabu von „linken Journalisten“.
50+1 wegen „linker Journalisten“ ein Tabu?Leverkusen-Boss Carro fischt nach billigen Lachern
Seit vier Jahren führt Fernando Carro (58) als Geschäftsführer die Bayer 04 Fußball GmbH. Titel konnte die werbetreibende Tochter des Chemieriesen auch in dieser Zeit keine einfahren.
Und das trotz des Wettbewerbsvorteils, den die Werkself vor den anderen Klubs hat, denen wegen der 50+1-Regelung Grenzen bei der Öffnung für Investoren Hürden gesetzt sind. Die Regelung schreibt den DFL-Klubs vor, dass der Stammverein weiter die Mehrheit in den oftmals ausgegliederten Kapitalgesellschaften halten muss. „Viele denken ja, ich sei gegen 50+1. Aber solange das bleibt, geht es Bayer Leverkusen gut. Danach dürften wir es schwieriger haben“, gab Carro auf dem Spobis-Kongress in Düsseldorf offen zu.
Fernando Carro diskutiert mit RB-Boss Oliver Mintzlaff
Aber dann argumentierte er doch sehr leidenschaftlich für eine Öffnung für Investoren. „Das wir an 50+1 festhalten, versteht kein Schwein außerhalb Deutschlands“, sagte Carro in einer Diskussions-Runde mit RB-Boss Oliver Mintzlaff (47) und BVB-CEO Carsten Cramer (53), in der es nur um eins ging: Wie man noch mehr Millionen für die Klubs der Bundesliga erwirtschaften könnte.
Es drehte sich vorrangig um eine Steigerung der Einnahmen aus der Auslandsvermarktung, die die Bundesliga-Klubs in den vergangenen Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt haben. Da hinkt das deutsche Oberhaus beispielsweise der englischen Premier League meilenweit hinterher.
Statt vor der eigenen Tür zu kehren, fischte Carro aber mit einem Seitenhieb Richtung Medien nach billigen Lachern und Zustimmung unter den vielen Wirtschaftsleuten auf der Sponsoren-Messe. „Ich verstehe nicht, wenn die Journalisten, viele von denen ganz links, nur linksorientierte, sagen, dass 50+1 ein Tabu ist. Keiner stellt sich die Frage, warum wir nicht für alles offen sind, auch für Investoren in der Liga, dass das ein Tabu bleibt? Warum können wir nicht offen über 50+1 reden?“, fragte sich der 58-Jährige – und Mintzlaff und Cramer lachen freudig mit.
Die Fußball-Podcaster Drei90 kommentierten süffisant auf Twitter: „50+1 überlebt nur durch „linke Journalisten“! Danke, Genossen!“ Dass schon seit Jahren darüber diskutiert wird und die Regelung immer wieder bestätigt wurde, scheint Carro entgangen zu sein. Aber eine linke „Cancel Culture“ auszumachen, wo keine ist, ist in diesen Tagen auch ein probates Mittel, zumindest in konservativen bis rechten Kreisen.
Zumal auf Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim wegen der Entscheidung des Kartellamts, die Bundesliga müsse einheitliche Regelungen finden, noch Schwierigkeiten zukommen dürften.
Carro könnte dann merken, dass es nicht nur „ganz links orientierte Journalisten“ sind, die den Ausverkauf des Fußballs verhindern wollen und eben nicht Klubs haben wollen, in den russische Oligarchen oder katarische Staatsfonds das Sagen haben. Aber dann hat er ja immer noch die billigen Lacher auf seiner Seite gehabt.