Was für eine Achterbahnfahrt für Anthony Modeste! Wochenlang wird der ehemalige Stürmer des 1. FC Köln von den BVB-Fans im Internet beschimpft, dann trifft er in letzter Sekunde gegen die Bayern. Euphorisiert spricht der Stürmer vom Meistertitel.
Emotionales Interview nach dem 2:2Anthony Modeste: „Habe sehr viel auf den Deckel bekommen“
Anthony Modeste war auf dem besten Weg, zur tragischen Figur von Borussia Dortmund zu werden. Die Fehleinkauf-Schlagzeilen waren quasi schon fertig. Dann kam die 95. Minute.
Anthony Modeste stand völlig aufgekratzt vor der tosenden Südtribüne, seine Kinder hielt er fest an den Händen. Der kleine Brooklyn klammerte sich an das frisch ergatterte Bayern-Trikot von Benjamin Pavard, als wäre es ein Schatz. Es war ein Happy End wie im Kitschfilm – und wenige Minuten zuvor wäre es undenkbar gewesen.
Modeste trifft auf dem Platz, Kahn explodiert auf der Tribüne
Modeste! Der vermeintliche Dortmunder Fehleinkauf, zuletzt viel zu statisch, harsch kritisiert und aus der Startelf verdrängt. In der 83. Minute vergab er als Joker im Topspiel der Bundesliga eine Riesenchance noch kläglich, zwölf Minuten später brachte er den Vulkan Oliver Kahn auf der Tribüne doch zu einem mächtigen Wutausbruch.
„Ich habe sehr viel auf den Deckel bekommen. Am Ende habe ich das 2:2 gemacht, das war das Wichtigste“, sagte er, über die vorherige Szene konnte der Franzose schon herzhaft lachen: „Ich hatte mich unter der Woche beschwert, dass nicht genug Flanken kommen. Als dann eine kam, war ich überrascht.“ Fassungslos hatte er sich danach an den Kopf gegriffen.
Mit seinem Konkurrenten Youssoufa Moukoko, 17 Jahre alt und seit dem Champions-League-Spiel beim FC Sevilla unter der Woche die Nummer eins im BVB-Sturm, ging er später Arm in Arm vom Feld. „Ich bin quasi sein Vater, kann man so sagen“, sagte Modeste – der „Sohn“ peitschte die Zuschauer dazu an, den „Vater“ noch heftiger zu feiern.
Trainer, Sportdirektor und Mitspieler sahen es mit großer Freude. „Die ganze Mannschaft, das ganze Stadion hat es ihm gegönnt“, sagte Edin Terzic. Sebastian Kehl fand es nur noch verrückt: „Die Hundertprozentige muss er machen – und dann ist er doch noch da. Da ist das Stadion mal eben auseinandergerissen worden.“ Julian Brandt nannte es „den krassesten Schub, den du haben kannst. Das tut ihm extrem gut."
Durch dieses Tor ist Anthony Modeste angekommen, er bleibt jederzeit eine wertvolle Option, zumal er vom Selbstvertrauen lebt. Vielleicht sogar im Duo mit Moukoko? Dem hatte er das 1:2 aufgelegt. „Ja, vielleicht“, sagte der 34-Jährige. „Wir sind eine Familie und wollen Meister werden.“ Solche Töne sind beim BVB üblicherweise nur sehr verklausuliert zu vernehmen.
Überragend laut dagegen waren die Sprechchöre. „Modeste, Modeste, Anthony Modeste!“, sangen sie zu Zehntausenden. Alles war vergessen. Wer hätte daran an diesem Abend noch geglaubt?
Vielleicht der geschmähte Torschütze selbst. „Ich bin immer positiv geblieben“, betonte er. Den Mitspielern gab er noch einen wichtigen Tipp mit auf den Weg: „Wir müssen nicht sexy spielen, sondern effektiv.“ Ein Tor aus zwei Chancen ist so gesehen keine üble Bilanz. (sid)